Kapitel 16: Mom

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Die Sonne scheint mir ermutigend zuzulächeln, als wir aus dem Wald treten und auf ein schwarzes Auto (ich glaube, einen BMW) zulaufen. Das weiße Kleid, das ich von den Jungs erhalten habe, umweht meine Knie.

Plötzlich werde ich in eine überschwängliche Umarmung gezogen und verziehe die Nase angesichts eines eklig süßen Geruchs.

„Puh, Alice, du stinkst aber ganz schön. Weißt du, man sollte von Parfum nicht zu viel benutzen."
Lachend lässt mich ebendiese wieder los.
„Das sagt die Richtige, wenigstens stinke ICH nicht nach Hund."
Verwirrt blicke ich Alice an, während sie mich zum Auto zieht.

„Halt! Ihr dürft schön laufen und euch bewegen", ruft sie bestimmt mit einem strengen Blick über die Schulter.
Tatsächlich machen auch Seth und Jared Anstalten, ins Auto steigen zu wollen und murren nun laut.
„Es sei denn...ihr habt Lust auf Mädchengespräche", betont sie unheilvoll und wild abwinkend rudern Sam's Freunde zurück.

Auch Embry lächelt mir ermutigend zu, bevor er den übrigen Rudelmitgliedern folgt.

Sobald ich im Auto sitze, falle ich in einen tiefen Schlaf, erschöpft von den letzten Tagen.



Stimmen erheben sich und reißen mich aus der absoluten Schwärze.

„Wir sind da." Auffordernd hält mir Alice die Autotür auf und ich steige aus.

Die Fahrt muss sehr lange gedauert haben, denn der Horizont wird bereits in ein tiefes Rot-Orange getaucht. Der Wind pfeift mir um die Ohren und nicht unweit steht eine Hütte aus Holz umgeben von Wald. Sie ist hell erleuchtet.

„Ich muss jetzt leider gehen, ab hier wird dich Embry begleiten. Mach dir keine Sorgen", aufmunternd lächelt sie mich an und nur Embrys Arm, der plötzlich meine Mitte umschließt, hält mich davon ab, Alice zu bitten, mich mitzunehmen.

„Die Anderen kommen später nach, damit du erstmal in Ruhe mit deiner Mutter reden kannst", flüstert er mir ins Ohr, während wir langsam auf die Hütte zuschreiten.

Mit jedem Schritt fällt es mir schwerer den nächsten zu machen und mein Atem beschleunigt sich. Nur Embry's Anwesenheit gibt mir die Kraft weiterzumachen. So bin ich nicht! Ich bin niemand, der vor Streit wegläuft!

Noch bevor wir die Tür öffnen können, fliegt sie schon auf und meine Mom fällt mir überschwänglich um den Hals.

„Mein Mädchen." Schluchzend umschlinge ich sie nun auch und alle Dämme brechen. Alle zurückgehaltenen Gefühle schwemmen auf einmal aus mir heraus. Die Schuld, die Qual, die Liebe, alles.

„Es tut mir leid...so leid. Ich wollte dich nicht verletzen......wollte dich doch beschützen..."
„Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich wusste, dass es so kommen würde und doch habe ich dich damit letztendlich allein gelassen...", wimmert sie und Tränen glitzern im Schein der Lichter auf ihren Wangen.

Abwehrend schüttle ich den Kopf und vergrabe ihn an ihrer Schulter, meine Stimme versagt beinahe und hinterlässt nur noch ein Flüstern.

„Nach Dad's Tod...warst du so traurig. Für mich hast du gelächelt...aber ich habe es trotzdem bemerkt. Deswegen wollte ich dich beschützen, dich vor solchem Leid bewahren. Und nun habe ich dich selber verletzt...und du hast Angst vor mir..."

Zum Ende hin werde ich immer leiser bis ich mich selbst kaum mehr höre.
Bestimmt schiebt sie mich von sich weg und ängstlich starre ich auf den Boden.

„Ich habe keine Angst vor dir." Langsam hebe ich den Kopf und suche ihre Augen. Sie blickt mich direkt an, mit einer unglaublichen Bestimmtheit.
„Ich habe keine Angst vor dir, ich kenne nur die Gefahren, die mit deiner Verwandlung kommen und...habe Angst dich zu verlieren. Du bist doch mein Ein und Alles." Sanft zieht sie ihre Mundwinkel nach oben.
„Und diese ‚Verletzung' ist ja wohl ein Witz", grinst sie verschmitzt, „Ich bin schließlich eine Nightingale!"
Ein Lachen entweicht mir. So kenne ich meine Mom.

„Außerdem", sie beugt sich leicht vor und schnipst mir gegen die Stirn, „ist es meine Aufgabe dich zu beschützen."
Grummelnd schiebe ich die Unterlippe vor.
„Nein, meine."
„Meine."
„Nö, meine."
Seufzend gibt sie sich geschlagen.
„Dann beschützen wir uns eben gegenseitig."

Zufrieden nicke ich und grinse dann belustigt. Wir sind total vom Thema abgekommen.

„Also ist jetzt alles wieder gut?", frage ich vorsichtshalber nochmal nach.
„Ja." Zufrieden umarmen wir einander und erst jetzt fällt mir auf, dass Emby verschwunden ist.
„Er ist bereits zu Anfang gegangen, nachdem er sichergestellt hat, dass es dir gut geht", antwortet meine Mom auf meinen Blick.

Müde gähne ich.
„Lass uns ins Bett gehen, wir dürfen die Gästezimmer benutzen. Die Anderen werden auch bald kommen, wenn sie merken, dass wir fertig sind. Morgen besprechen wir dann alles Weitere."
Zustimmend nicke ich und falle bereits eine halbe Stunde später in ein weiches Bett.

Wärme umhüllt mich und lässt mich mich entspannen.
‚Für diesen einen Moment ist die Welt vollkommen in Ordnung.'
Mit diesem Gedanken schlafe ich glücklich ein.




Einen Teil der Wahrheit soll ich am nächsten Tag erfahren.
Doch damit ist es nicht vorbei.
Befehle werden gegeben und Freiheiten eingeschränkt.
Ein Spiel auf Zeit beginnt, die Ruhe vor dem Sturm, denn:

Ein schwarzer Schatten liegt auf der Lauer und schon bald wird er die Geduld verlieren.

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