Kapitel 10: Keine Angst vorm Schwarzen Mann

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„Gefahr? Ich hab' keine Angst vor Gefahr. Hörst du mich Gefahr? Ich lach dir ins Gesicht!" aus "Der König der Löwen"

Ich starre den Mann erschrocken an und bemerke, wie sich ein schadenfrohes Lächeln auf sein Gesicht schleicht.

„Guten Tag, Wölfchen, wie schön, dich hier zu sehen", fängt der Fremde plötzlich an zu sprechen. Seine Stimme ist sanft und widerspricht seinen roten Augen, die mich gefährlich anglitzern.

„Ähm....kennen wir uns denn?", frage ich erstaunt und bewege mich gaaaanz langsam ein Stück nach hinten. Etwas an diesem Mann gefällt mir nicht, mal abgesehen von den roten Pupillen. Alles in mir schreit, dass hier Gefahr droht.

Er beobachtet meine Bewegungen aufmerksam und in seinen Augen meine ich eine Spur Traurigkeit zu erkennen. Doch bereits im nächsten Moment ist der Ausdruck wieder verschwunden.

„Nein, nicht wirklich...", antwortet er und ich meine, ein ‚Noch nicht' mitschwingen zu hören. Währenddessen versuche ich unauffällig einen Fluchtweg auszumachen. Jedoch ist es wohl eher unwahrscheinlich, ihm bei seiner Schnelligkeit zu entkommen, denke ich bei mir und mein Herz legt nochmal an Geschwindigkeit zu.

„Mach dir keine Sorgen, Wölfchen", lenkt der Mann meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, „ich greife keine Welpen an."

Kann der Typ Gedanken lesen? Und was meint er mit Angreifen?! Ich komme mir vor, als wäre ich eine Maus mit der eine Katze spielt und das gefällt mir überhaupt nicht.

Verzweifelt versuche ich meine Angst zu verbergen und ändere meine Taktik.

„Ich habe keine Angst, wieso sollte ich?", frage ich gespielt selbstsicher. Bloß keine Schwäche zeigen.

Er schmunzelt.

„Wie heißen sie eigentlich?"
„Du kannst mich...den Schwarzen Mann nennen", erwidert er und ich pruste los.
„Wie die Kinderschreckfigur? Hahaha, was für ein bescheuerter Name!", lache ich ihn aus.

Mit hochgezogenen Augenbrauen blickt mich mein Gegenüber leeeeiiicht gereizt an.

Ups.

Ich und meine große Klappe.

Doch bevor ich weiter über meinen vermeintlichen Fehler nachdenken kann, fährt der Kopf des Rotäugigen hoch, als hätte er etwas gehört, nur um sich dann leicht angespannt wieder mir zuzuwenden.

„Nun, ich muss jetzt auch los", er fährt mit seiner, wie ich feststelle, eiskalten Hand leicht über meine Wange, „aber keine Sorge, wir werden uns bald wiedersehen und darauf freue ich mich schon." Und mit diesen Worten ist er verschwunden.

Stumm stehe ich auf der nun leeren Lichtung und habe das Gefühl, dass sie plötzlich dunkler und kälter geworden ist.
Die Ruhe, die sie mir zuvor vermittelte, weicht nun einer unterschwelligen Gefahr.

Was war das nur? Was passiert hier? Und wieso hörte sich sein letzter Satz so verdammt doll nach einer Drohung an?

„Pfff...ich wusste es doch, die haben hier alle einen an der Klatsche. Aber damit machen die mir keine Angst!", spreche ich mir selbst gut zu und verschränke trotzig die Arme vor dem Körper.

Doch obwohl ich nach außen hin die Starke spiele, fühle ich tief, ganz tief in mir drin die klitzekleine steigende Hilflosigkeit und extreme Verwirrung, die die derzeitigen Ereignisse in mir auslösen und ich weiß: Ich habe die Situation nicht mehr unter Kontrolle.

Und das ist es, was mir am meisten Angst macht, auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehe. Stattdessen bemühe ich mich um Fassung. Es passiert nur so viel auf einmal!

Eins steht auf jeden Fall fest: Ich kann mit niemandem über diese Begegnung sprechen.

Ich meine, ein Mann mit roten Augen, der mitten im Sommer einen schwarzen Mantel trägt und auch sonst komplett schwarz gekleidet ist, den ich im Wald getroffen habe? Nicht zu vergessen, dass er sich selbst "Der Schwarze Mann" nennt.

Würde MIR das jemand erzählen, würde ich ihn entweder für verrückt halten oder den Grund bei einem heftigen Hitzschlag suchen. Und die Leute hier können uns schon nicht besonders gut leiden.

Nein, ich muss selber erstmal über alles nachdenken und bis dahin würde das alles mein wohlbehütetes Geheimnis bleiben.




Nach einer halben Stunde meinen Weg durch den Wald suchen, laufe ich flotten Schrittes den Strand entlang.

Bereits jetzt kündigen sich starke Kopfschmerzen an, denn statt mich erstmal verschnaufen zu lassen, sucht mein Verstand die ganze Zeit nach einer logischen Erklärung für das alles und Widerstand ist zwecklos.

Dementsprechend niedrig ist auch meine Aufmerksamkeitsrate für meine Umgebung und ich laufe volle Kanne gegen ein Hindernis und lande im Sand.

„Ist alles in Ordnung? Das tut mir sehr leid."

Überrascht schaue ich auf und blicke direkt in ein Paar bernsteinfarbener Augen, das mir nur allzu bekannt ist. Innerlich stöhne ich auf. Der hat mir gerade noch gefehlt.

Anscheinend hat mich nun auch Embry erkannt und streckt mir freundlich eine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen, während ich die offensichtliche Freude in seinen Augen sehe.

Ich ignoriere sie und erhebe mich alleine, sodass er sie wieder sinken lässt. Wohlweislich vermeide ich Blickkontakt, einen weiteren "Schnulzenanfall" meinerseits kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.

„Alles in Ordnung", erwidere ich nur und drängele mich an ihm vorbei.

Ich spüre, wie er erstarrt und mich plötzlich am Oberarm zurückzieht, sodass ich hingefallen wäre, hätte er mich nicht gestützt.

Er scheint...AN MIR ZU SCHNUPPERN?!
Wütend reiße ich mich los.

„Was soll das denn bitte?!", schreie ich beinahe.
„Du riechst nur nach...", murmelt er nur leise als Antwort, während er gedankenverloren auf den Boden blickt.

Weiter kommt er nicht, denn ich gebe ihm eine heftige Backpfeife, welche mir aber laut seinem erschrockenen und erstaunten Blick mehr wehtut, als ihm selbst.

Ich fluche und schüttle meine Hand, die ordentlich zwiebelt. Dann drehe ich mich auf dem Absatz um, um seinen besorgten Augen und beruhigenden und entschuldigenden Worten zu entkommen.

„Warte!", höre ich ihn hinter mir rufen, ignoriere ihn aber. Schritte folgen mir.

„Das mit dem Riechen tut mir leid. Es war nichts gegen dich, nur dumme Gedanken. DU riechst wundervoll", stottert er vor sich hin und versucht verzweifelt die Situation zu retten, was schon irgendwie wieder süß ist.

Ich kann über meine eigenen Gedanken nur den Kopf schütteln. Oh Mann.

„Ist mit deiner Hand soweit alles in Ordnung?"

Ich schnaube nur als Antwort.

„Sag...wo warst du gerade?", lässt er nicht locker.
„Lässt du mich in Ruhe, wenn ich es dir sage?"
„Vorrübergehend, ja."

Zumindest ein Anfang, obwohl er erstaunlich frech ist.

„Im Wald", antworte ich also wahrheitsgemäß und stelle fest, dass er wirklich umdreht und in Richtung Wald läuft.

„Gut, danke. Bis bald, Dyla!", höre ich ihn noch über die Schulter rufen.

„Na, hoffentlich nicht allzu bald", murmle ich zu mir selbst, dem mein verräterisches Herz jedoch lautstark widerspricht.

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Schon das zehnte Kapitel ^^ Das geht schneller als gedacht. Wie gefällt euch das Kapitel? Es ist das bisher längste. Ich bin ehrlich gesagt selbst erstaunt, dass Dyla Schwäche zeigen kann ** Wobei...wohl eher denken.
Ich wollte mal nicht sofort das typische „Mädchen wird in Wald angegriffen "-Szenario bringen.
Deswegen kann ich auch nicht so recht einschätzen, ob mir das Kapi gelungen ist.

Bis Sonntag! :)

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