Sollte eine fremde Person mitbekommen haben, was hier, in einer dunklen Gasse gegenüber des kleinen Waisenhauses, vor sich ging, hätte sie vermutlich nicht einmal mit der Wimper gezuckt.
In diesem eher ärmlichen Teil von New York war es beinahe normal, dass Säuglinge auf die Treppe vor- oder in die Babyklappen neben dem Waisenhaus gelegt wurden.
Einzig allein die dunklen Mäntel mit Kapuzen, die das Gesicht beinahe komplett verschleierten, konnten einem hier etwas seltsam vorkommen.
Aber auch das taten die Meisten mit einem Schulterzucken ab: Die Erzeuger des Kindes wollten nun einmal unentdeckt bleiben.
Die Wenigen, die sich tatsächlich darüber Gedanken machten unternahmen ebenfalls nichts: Viel zu sehr fürchtete man sich hier davor, die Aufmerksamkeit der Polizei auf dieses düstere Viertel zu lenken.Die eine verhüllte Person umarmte die andere. Die umarmte Person war ein ganzes Stück kleiner und zierlicher, sie war eindeutig die Frau des Paares.
"Ich kann das nicht!", schluchzte diese auf und lehnte den Kopf an die Schulter des Mannes.
Es dauerte einen Moment bis er antwortete und für die Frau fühlte sich diese Stille einfach unerträglich an. Sobald sowohl er als auch sie schwiegen, kamen diese furchtbaren Gedanken zurück, die Gedanken daran, was sie hier überhaupt tat und sie bekam richtiggehend Kopfschmerzen vor Trauer.
Es war einfach schrecklich."Ich wünschte es gäbe einen anderen Weg."
Seine Stimme klang heiser vor Trauer und trotz seines flüsternden Tons ließ sich ein starker, britischer Akzent ausmachen.
Er schien im Gegensatz zu der Frau keine Amerikaner zu sein."Wird er sich an uns erinnern?", fragte sie vorsichtig. Sie strich dem Kleinkind sanft über die blasse Haut.
Hellblaue Augen blinzelten ihnen neugierig entgegen.
Der Menschenjunge hatte zwar die Schönheit eines Gottes, doch war er nicht in der Lage mehrere tausend Jahre zu leben und auch besondere Fähigkeiten schien er nicht zu haben.
Er konnte in der Welt der Götter nicht gerecht leben, in der Welt der Menschen würde er mit Sicherheit besser zurechtkommen.Der Mann legte einen Arm um die Frau.
Er wusste, dass es keine Möglichkeit gab in der sich der Säugling auch nur Ansatzweise an seine echten Eltern erinnern würde. Das Kind war immerhin erst 2 Monate alt."Bestimmt.", antwortete er dennoch. Der Gott der Lügen hatte selten Probleme damit, eben diese glaubwürdig rüber zu bringen...
Als sie sich gerade kennengelernt hatten, er und die außergewöhnliche Menschenfrau, hatte er es zeitweilig nicht mehr gekonnt, doch diese "Fähigkeit" war später zurückgekehrt.
Es war nicht wirklich eine Gabe auf die er Stolz war."Habe ich dir schon einmal erzählt, dass er dir sehr ähnlich sieht?", flüsterte er und versuchte seine Trauer zu unterdrücken.
Das war ihr Sohn, sie sollten nicht dazu gezwungen werden ihn wegzugeben!
Doch manchmal war das die einzige Lösung.Vali würde in ihrer Welt immer im Nachteil sein und der Gott wollte auf keinen Fall, dass dies passierte.
Zu sehr war er selbst daran kaputt gegangen, im Schatten seines Bruders zu stehen; sein eigener Sohn sollte solch eine Erfahrung nicht machen müssen.Eine kleine, fiese Stimme in seinem Hinterkopf pflanzte ihm dennoch Sorgen ein:
Er selbst war adoptiert worden und als er am Ende doch erfuhr, dass seine Eltern nicht wirklich seine Erzeuger waren, hatte ihn das vollkommen aus der Bahn geworfen.Vali durfte es niemals erfahren.
Er musterte das blasse Neugeborene mit den hellblauen Augen seiner Mutter und den schwarzen Locken seines Vaters.
Er durfte es nicht erfahren.
Er würde es nicht erfahren.Die Geschichte konnte sich nicht wiederholen...
"Findest du?", murmelte sie und ein trauriges Lächeln formte sich im Schatten ihrer Kapuze.
Sie kannte ihn gut genug um zu verstehen, dass er nur versuchte von seiner eigenen Schwäche abzulenken.
Der Gott des Feuers war eine sehr emotionale Person, die es allerdings hasste von anderen Leuten als schwach angesehen zu werden."Ja, finde ich.", murmelte er und lehnte seinen Kopf an ihren.
"Wir müssen gehen, je länger wir abwarten, desto schwieriger wird es."Sie nickte und heimliche Tränen liefen ihr leise über die Wangen.
Sie drehte sich um und stürzte davon, er jedoch betrachtete das Kind, nein: sein Kind, noch etwas länger.
"Ich denke, es heißt jetzt Abschied nehmen, kleiner Vali. Du wirst mir fehlen. Ich bleibe immer bei dir. Du wirst mich bloß nicht sehen.
Du musst mir versprechen, dass du auch ohne uns glücklich wirst, ja? Und hoffentlich hast du nicht allzu viel von meinem Charakter geerbt. Manche Gedanken wünsche ich wahrlich niemandem, schon gar nicht dir."Das Kind beobachtete seinen Vater neugierig mit riesigen, Himmelbauen Augen und stieß ein glückliches Brabbeln aus.
Der Magen des Gottes drehte sich um und ihm wurde ganz übel.
Tränen liefen nun auch ihm über die Wangen, er fuhr dem Kind ein letztes Mal über den dünnen Locken-Flaum und tat den ersten Schritt von dem Baby weg.Ruhe. Noch.
Langsam ging er und als er schon halb um die Ecke war, fing das Baby an zu schreien.
Es zerriss ihm förmlich das Herz, denn es war sein Sohn, den er dort zurückgelassen hatte, sein Fleisch und Blut.
Er war in diesem Moment nicht besser als sein eigener Erzeuger Laufey."Es tut mir so Leid. Es gab keinen anderen Weg.", flüsterte er, obwohl er längst außer Reichweite war und das Kind ihn gar nicht mehr hören konnte.
Er biss die Zähne fest zusammen und zog sich die Kapuze tiefer in die Stirn.
Trauer und Wut gegenüber sich selbst brodelte in seinen Eingeweiden, doch er musste dies hier zulassen denn eine andere Möglichkeit für Vali ein normales Leben zu führen gab es nicht.Die Frau wartete bereits auf ihn und hakte sich schnell bei ihm ein, als er gerade vorbeihuschen wollte.
"ACH DU...! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dich nicht so anschleichen sollst!", knurrte er und wollte sich am Liebsten selbst dafür verfluchen, dass seine Stimme rau und verletzt klang.
Ohne noch ein weiteres Wort miteinander zu reden, verschwanden die beiden düsteren Gestalten in der Dunkelheit, wandten keinen Blick mehr zurück zu dem Säugling.
Dieses Kapitel war abgehakt, musste abgehakt sein, denn sonst würde es sie zerbrechen und würden sie versuchen, Kontakt mit dem Jungen aufzunehmen, könnte es sein ganzes Leben in die falsche Richtung reißen.
Sie mussten vergessen.
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Uhhh @Shalea14, eine neue Geschichteee😏😉
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Lokison- Wolfhearted
Fantasy"Was bin ich?", fragte Vali Lokison mit heiserer Stimme: Er hatte am ganzen Körper angefangen zu zittern. Der andere antwortete nicht sofort. "Was sind WIR?!", knurrte er fassungslos und die raue, unmenschlich klingende Stimme jagte ihm einen kalten...