Kapitel 25: Der Aufstieg

13 2 1
                                    

Der Aufstieg war anstrengend und obwohl Vali nicht gerade unsportlich war, war er nach wenigen Kilometern außer Atem.
Narfi gab ein zügiges Tempo vor, die Sonne brannte, die Luft war staubig und der stetige Anstieg ihres Weges brachte Valis Muskeln zum brennen.

Askan und Er waren bereits ein gutes Stück zurückgefallen und Vali bemerkte den forschenden Blick des Asen, als dieser ihn musterte.

Er blieb stehen und stützte die Hände auf die Knie.
Ihm war schwindelig.

"Alles in Ordnung? Willst du vielleicht nochmal was trinken?", fragte Askan und hielt Vali den Lederbeutel hin, in dem sie das kühle Nass transportierten.
Dankbar nahm er ihn entgegen und trank zwei kleine Schlucke, dann verschloss er das Ding wieder und gab es Narfis Onkel zurück.

Sie machten sich erneut an den Aufstieg und bis zur nächsten gemeinsamen Pause mit der Gruppe hielt Vali es wundersamerweise auch irgendwie aus.
Ermüdet ließ er sich auf ein Flecken verdorrtes Gras fallen und befreite sich von dem Lederoberteil und dem Umhang, sein Hemd darunter war bereits vollkommen nassgeschwitzt.

Erleichtert bemerkte er, dass auch der Rest der Gruppe überanstrengt wirkte, Askan war zu Sigyn gegangen und redete beruhigend auf die erschöpfte Schönheit ein.
Als er bemerkte, dass Vali sie beobachtete stand Askan auf und ging zu ihm hinüber.

"Wie fühlst du dich?"

Vali grinste schief: "Den Umständen entsprechend würde ich sagen. Wie geht es Sigyn?"

Askan runzelte die Stirn: "Sigyn? Ach ihr gehts gut, keine Sorge."

Irritiert musterte Vali den Asen: anscheinend hatte er Sigyn nicht beigestanden weil sie so erschöpft war, sondern hatte über etwas ganz anderes mit ihr geredet.

"Nun, alle miteinander! Ich bin stolz auf euch!", ertönte Narfis Stimme.

Vali wandte sich seinem Bruder zu, welcher auf einem Felsbrocken stand und zu ihnen sprach. Was für eine Dramaqueen! Aber ein guter Anführer, das konnte man ihm nicht nehmen.

"Wir haben es beinahe bis zum Gipfel geschafft und somit ist mein Wunsch, dass dieses Unterfangen so klein gehalten wird wie möglich, wahr geworden."

Ein zustimmendes Raunen durchzog die Gruppe.
Jeder von ihnen war erschöpft und die Sonne stand kurz vor ihrem Untergang. Die Möglichkeit, Loki zu finden, bevor die Nacht hereinbrach kam ihnen allen gelegen.

"Der gefährlichste Teil des Aufstiegs liegt leider noch vor uns. Der Grat auf dem wir wandern werden ist schmal und ich möchte, dass die Schutzpersonen hier besonders gut auf ihre Schützlinge aufpassen."

Len nickte entschlossen und Narfi schenkte ihm ein Lächeln.
Askan versteifte sich neben Vali, doch als er den eisblauen Blick seines Bruders Onkels suchte, war dieser zuversichtlich.
Beruhigend, wenn man daran dachte, dass Vali selbst ziemlich ungeschickt sein konnte (einmal fiel er um wie ein Baum, obwohl er nicht einmal gestolpert war. Er war sich nicht sicher, ob er kurz ohnmächtig geworden war oder was das gewesen ist, auf jeden Fall war plötzlich der Boden in seinem Gesicht. Ja, es war genau so schmerzhaft, wie es sich anhört.).

Schwerter klirrten, als sich die Mitglieder der Gruppe vom Boden oder von den Baumstümpfen, auf denen sie Rast gemacht hatten aufstanden, um sich erneut auf den Weg zu machen.

Valis Herz klopfte beklommen, bei dem Gedanken, wie Loki auf sie reagieren würde.
Narfi hatte ihn "für den Notfall" mit einem Schwert aus schlankem, leichten Metall ausgerüstet, was ihn ehrlich gesagt etwas verstörte.
Was erwartete sein Bruder denn von ihm? Dass er gegen Loki kämpfte? Gegen seinen eigenen Vater, der noch dazu ein Eisriese war und der Mann, der es geschafft hatte, einen Titanen zu töten?!
Oder sollte er gegen Bauger kämpfen, der unglaublich stark sein musste, wenn er es geschafft hatte, Loki ein blaues Auge zu verpassen, dass nicht sehr schnell von selbst heilte?!!!

Während er so darüber nachdachte, fielen er und sein Begleiter immer weiter zurück und obwohl Askan ihm häufiger sagte, dass sie die anderen nicht aus den Augen verlieren durften, konnte Vali nichts dagegen tun.

Die imaginären Zahnräder in seinem Gehirn ratterten förmlich, als er über Lokis Motive nachdachte und versuchte einzuschätzen, wie groß die Gefahr war, die von ihm ausging.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ihm ein heiserer, schmerzerfüllter Schrei entgegenhallte, der eindeutig zu Loki gehörte.
Verstört blieb er stehen

"Was ist denn?", fragte Askan, der von Valis Langsamkeit deutlich genervt war.

"Hörst du das auch?", fragte Vali leise.

Askan lauschte, doch außer Vogelgezwitscher und der Schritte und Stimmen der anderen, die bereits weit entfernt waren, war nichts mehr zu hören.

"Nein, ich höre nichts. Und jetzt komm, nicht dass wir die anderen verlieren."

Askan ging schnellen Schrittes voraus und Vali folgte ihm unsicher.
Spielten seine Sinne nun schon verrückt? Hatte er einen Sonnenstich oder so etwas?

Gerade wollte er das gehörte als Einbildung abtun, da ertönte das Geräusch erneut, war nun mehr ein schmerzerfülltes Brüllen. Und es war ganz eindeutig sein Vater!

Vali machte einen schnellen Schritt nach vorn, wollte Askan an der Schulter packen, doch er hatte nicht auf seine Füße geachtet und somit blieb er an einem Zacken hängen, der aus dem steinernen Boden ragte.

Sein Herz machte einen Salto, als er nach vorne kippte, vergebens Halt suchte und dann fiel.

Geradewegs in den Abgrund.

"VALI!", hörte er noch Askans erschrockenen Ausruf, dann wurde alles dumpf.

Adrenalin schoss ihm durch die Adern, das Blut pochte ihm in den Ohren und für einen unendlich langen Moment war um ihn herum nichts außer Luft.

Dann raste die Zeit plötzlich doppelt so schnell und er wusste nicht wie, doch irgendwie fand seine rechte Hand die Kante des Felsgrats und klammerte sich daran fest.

Wie ein Pendel flog er durch den Schwung gegen die Felswand und unter seinem Gewicht krachte seine Schulter.
Wie Lava schoss ihm der Schmerz durch den Arm und die Wirbelsäule hinunter.

Tränen ließen die Welt um ihn herum verschwimmen und vor Anstrengung winselnd, versuchte er, seinen zweiten Arm nach oben zu strecken, um sein Gewicht nicht nur mit einem Arm zu stützen.

Immer wieder rutschte sein Arm nach unten, als ob er nicht mehr selbst Herr seines Körpers war.

Halb schreiend, halb schluchzend drückte er seine Stirn in den erdigen Fels, spürte, wie der Arm, an dem sein Leben hing langsam schlaff wurde.
Er konnte sich nicht mehr lange halten.

Askan

Schoss es ihm durch den Kopf und er hob das Kinn, um seinen Begleiter anzusehen.
Zu seiner Überraschung stand dieser direkt über ihm, wie erstarrt hatte er den eisblauen Blick auf den Jungen gerichtet.

"As... Askan...", keuchte Vali und streckte seinen freien Arm nach oben, doch der Ase machte keine Anstalten ihm zu helfen.

Lokison- WolfheartedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt