Kapitel 12: Böse Überraschung

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Ein großgewachsener Polizist steht vor mir, sein ernster lick jagt mir Schauer über den Rücken, denn ich ahne, dass jetzt nichts Gutes auf mich zukommt. "Madeline?" Stumm vor Schreck nicke ich. Er kennt also meinen Namen, was bedeutet, dass er tatsächlich mich gesucht und gefunden hat und dies keine Verwechslung ist. "Ich muss Ihnen leider etwas mitteilen. Könnten Sie vielleicht ... ?" Er zeigt in Richtung Tür und ich verstehe. Es ist etwas ernstes, das kann man nicht im Flur besprechen. "Also. Es geht um Ihre Mutter. Wie Sie ja wissen, lebt sie derzeit in einer Psychiatrie, ja? Sie hat heute Morgen versucht, sich das Leben zu nehmen, doch es kam zur rechten Zeit eine Putzfrau vorbei und hat sie entdeckt. Jetzt liegt sie in der Intensivstation im Koma und wir wissen nicht, ob sie je wieder gesund werden wird. Ja?"

Mit welch einer Kälte dieser Polizist doch reden kann. Es scheint, als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun. Ich bin fassungslos. Zwar dachte ich, meine Mutter sei mir egal, doch zu hören, dass sie sich umbringen wollte, macht mich traurig. Es macht mir Sorgen! "Kann ich sie denn besuchen?"

"Nein." Kurz und knapp. Gefühlslos.

"Wieso nicht?!"

"Sie liegt im Koma, ja? Ich werde Ihnen morgen nochmal Bescheid geben über ihren Zustand. Dann sehen wir weiter, ja?" Dieser Arsch! Alein schon wie er mit mir redet, wie er schaut, sein Aussehen - es macht mich wütend und ich will ihm am liebsten eine reinhauen. "Sonst noch was? Wenn nicht, dann bitte ich Sie, zu gehen."

"Ja, es gibt da noch etwas. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie heute nicht in der Schule waren? Sowas sollte künftig nicht wieder vorkommen, ja? Schönen Abend noch." Das sind seine letzten Worte, dann dreht er sich um und stolziert den Flur entlang. Den schönen Abend kann er sich sonst wo hinstecken!  Frustriert rufe ich meinen Vater an. Er ist ebenso schockiert wie ich über die Nachricht, denn mit sowas hätten wir niemals gerechnet. Ein Unglück kommt wirklich selten allein, oder? Wir reden noch eine Weile darüber, ob wir sie denn besuchen gehen sollten. Doch uns beiden ist nicht wohl bei dem Gedanken, sie wiederzusehen. Klar, ich mache mir Sorgen. Aber irgendwie ist es mir auch egal, was mit ihr geschehen wird. Hat es sie gekümmert, wie es mir die letzten Jahre ging? Nein! Also werde ich die Gedanken und Sorgen um sie verdrängen und mich ganz den Träumen hingeben von einem gemeinsamen Haus mit dem Mann, den ich liebe.

In meinem Bett liegend stelle ich es mir vor. Mit meinen jungen sechtzehn Jahren ist es nicht leicht, an einen Umzug zu denken. Ich kenne meinen Freund noch nicht lange und was ist, wenn er mich nur ausnutzt? Er ist 15 Jahre älter als ich, unsere Beziehung ist geheim. Hätte ich Freunde, würden sie mich nicht verstehen. Ich fühle mich allein in dieser Nacht. Richtig einsam.

Der nächste Tag beginnt mit einem lauten Hämmern gegen meine Tür. Ich stehe fluchend auf und öffne sie, bereit, jemandem meine Meinung zu stopfen. Doch da steht nur mein Vater, ein breites Grinsen im Gesicht. "Es ist noch gar keine Besuchszeit. Was zur Hölle willst du hier?!" Meine Stimme ist noch heißer und ohne weiter auf meinen Dad zu achten, schmeiße ich mich zurück in mein kuscheliges Bett. Dad setzt sich an die Bettkante und fängt an, loszureden. Es kommt mir wie ein schreien vor und am liebsten würde ich etwas nach ihm werfen, damit er wieder die Klappe hält. Doch was er mir zu sagen hat, sollte ich nicht verpassen. "Maddie!! Deiner Mutter geht es wieder gut, die Ärzte konnten sie aus dem Koma erwecken und jetzt bekommt sie eine Spezialtherapie. Ist das nicht großartig? Ich bin auch am überlegen, ob ich nicht doch hier bleiben soll. Dann warte ich auf deine Mutter und sobald es ihr wieder gut geht, werden wir zusammen wohnen. Nur wir drei. Das mit deinem Tennnisfreund ist doch eh nichts Ernstes." Jetzt werde ich schlagartig wach. Was hat er da gerade gesagt?

"Du spinnst ja wohl. Was ist denn nur los mit dir? Erst total depressiv, dann extrem fröhlich, dass du sogar nach Kalifornien willst. Jetzt plötzlich wieder hier bleiben udn mit Mom zusammenziehen. Was?! Lass mich ja in Ruhe mit dem Scheiß. Ich werde mit meinem Freund zusammenziehen. Das war so abgemacht und so bleibt es auch."

"Der ist doch viel zu alt für dich! Theoretisch könnte er dein Vater sein!"

"Mhm. Theoretisch ist nicht praktisch. Du hast doch ja gesagt, also ist das geklärt." Er schaut trotzig zu mir und ich richte mich auf. "Dad, könntest du jetzt bitte wieder verschwinden? Ich habe heute noch viel zu tun und brauche meinen Schönheitsschlaf."

"Natürlich, Prinzessin. Ich gehe schon." Man sieht förmlich, wie er vor Enttäuschung über meine Reaktion trieft. Ich lege mich wieder schlafen. Aber was hat der auch für bescheuerte Idee. Soll er doch machen, was er will. Ich werde jedenfalls nie wieder mit jener Frau in einem Haus wohnen, geschweige denn, einen auf glückliche Familie machen. Es ist schön zu wissen, dass es ihr wieder gut geht, dann kann es so schlimm ja auch nicht gewesen sein. Aber mehr tut sich da nicht mit meinen Gefühlen. Sie ist keine Mutter mehr für mich! Und es ist gut so. Ich brauche sie nicht. Mein Vater ist hier, auch wenn er etwas komisch ist in den letzten paar Tagen. Mein Freund. Und wenn ich es so will, dann habe ich auch in der Schule genug Freunde! Wo wir schon beim Thema sind: heute steht die letzte Matheklausur des Jahres auf dem Stundenplan, also sollte ich mich beeilen, sonst komme ich zu spät zum Unterricht! Mit schmuddeligen Kleidern komme ich in der Schule an, nachdem ich mich im Heim abgehetzt hatte, weil ich nochmal eingeschlafen war. Blöd von mir. Gerade werden schon die Tische und Stühle zurechtgerückt. Vorbereitet bin ich nicht gerade, aber wie schwer kann das schon werden? Ein paar Rechnungen hier, Formeln da. Kinderspiel. Denkste! Als das Blatt vor mir liegt merke ich erst, in welchen Schwierigkeiten ich stecke. Das wird eine glatte sechs werden, denn als wir abgeben müssen, steht auf meinem Zettel nur eine einzige Rechnung und die scheint auch noch falsch zu sein. Mein Zeugnis wird eine Katastrophe werden, so bekomme ich doch niemals einen anständigen Job oder eine gute Ausbildung! Dann enttäusche ich meinen Freund und er will nicht mehr mit mir zusammenwohnen, oder? Er wird mich verlassen, wenn ich ihm nur auf der Tasche liege!! Ich bin eben doch noch zu unreif für einen erwachsenen Mann, das wird mir gerade klar. Mist.

Mr. TennisstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt