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Zum umziehen bin ich ins Bad gegangen. Auch wenn sich mein Outfit nicht groß ändert, außer das ich einen schwarzen Hoodie trage, anstatt ein T-shirt, aber trotzdem ist es immer ein besseres Gefühl in frischen Klamotten zu sein.

Neben dem Pulli ziehe ich schnell noch eine andere Jogginghose an und verlasse schließlich die Toilettenkabine.

Alle Patienten haben ihr eigenes Körbchen im Bad wo Zahnbürste, Duschgel und die anderen Sachen drin sind. Damit wir sie nicht verwechseln steht auf einem Schild unsere Namen. Ich muss immer schmunzeln das bei meinem 'Lukas' durchgestrichen ist und stattdessen Stegi hingeschrieben wurde. Wer das gemacht hat weiß ich nicht, trotzdem finde ich das nett und auf irgendeine Weise lustig.

Beim Zähneputzen schaue ich aus dem Fenster und beobachte die Betreuer wie sie aus dem Auto steigen und ihre Körbe mit Essen, Laptop etc. in die Klinik bringen. Als ein silbernes Auto auf den Parkplatz fährt und mein Psychologe aufsteigt, drehe ich mich um, in der Angst er könnte mich gesehen haben. Obwohl das unmöglich ist, da meine Station im vierten Stock ist, fühle ich mich ertappt und ich werde wieder unruhig.

Heute habe ich Therapie bei ihm... er wird mich wieder wiegen... seine ekelhafte BMI Tabelle rausholen und das Ergebnis damit abgleichen... anschließend wird er mir Fragen stellen...

Ich will das nicht... aber habe ich eine andere Wahl?

Nein natürlich nicht. Schon gar nicht wenn man kurz vor dem Tod steht, nur weil man nicht weiter kommt.

Nachdem ich auch damit fertig bin betrachte ich mich, wie so oft, im Spiegel.

Durch den wenigen Schlaf haben sich meine Augenringe noch dunkler gefärbt und durch das hungern sind meine Wangen eingefallen. Bei meinen Haaren will ich erst gar nicht anfangen. Sie liegen platt auf meinem Kopf und einige Strähnen kann ich nach oben pusten. Ich könnte sie stylen, aber wofür?

Davon werde ich auch nicht schöner.

Egal wie ich mich verändern würde, ich würde immer hässlich bleiben. Alles an mir ist abartig und nie würde es dazu kommen das ich eine feste Freundin bekomme. Mich kann man einfach nicht lieben und mein Aussehen trägt dazu bei. Niemand würde einen fetten, schwachen Versager lieben und mit ihm sein Leben teilen. Es wäre für die andere Person so beschämend wenn ich ihr Partner wäre. Sie würde sich so schämen wenn ich auf Geburtstage mitkommen würde oder bei anderen Veranstaltungen.

Ich bin einfach ein dummes Stück Scheiße.

"Stegi? Worüber denkst du so intensiv nach?"

Da ich Tim nicht gesehen habe, erschrecke ich mich und springe zur Seite. Wieso bemerke ich nie wenn er zu mir kommt?

"Über nichts."

"Komm... das kannst du doch niemanden erzählen. Also über was hast du nachgedacht?"

Er setzt den zweifelnden Blick auf den ich je gesehen habe und genau dieser bringt mich zum Schweigen...

"Es ist dein Aussehen oder? Du hast dich angeschaut und nur Fehler gefunden. Das Fazit davon ist: Was bin ich nur für ein hässliches depressives Miststück.
Genau das hast du gedacht, nicht wahr?"

Diese Worte wirken auf mich wie meine eigenen Gedanken. So schmerzhaft und verstörend. Tim redet über sich. Das Fazit sind seine eigenen Gedanken über sich, seine Meinung.

"Ja... du hast mich durchschaut... was ich aber nicht ganz verstehe, warum denkst du so über dich? Du bist doch bildschön."

"Und wieso denkst du so über dich? Du bist doch auch wunderschön."

Good boys don't eat {Stexpert}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt