Der Abschied von Basti war länger und schmerzhafter, als ich es erwartet habe. Eigentlich dachte ich, dass es nur ein einfaches ‚Ciao' werden würde, vielleicht noch ein Handschlag und dann wäre er weg.
Es kam jedoch ganz anders. Ich musste fast weinen, als er vor der Klinik hielt und uns zurück auf Station brachte. Auch wenn Basti versuchte so entspannt zu sein wie immer, war er es unter keinen Umständen. Man sah ihm an, dass er mich nur ungern wieder losließ, zurück ins Ungewisse, wo er nicht ständig weiß was mit mir passiert, wie es mir geht, ob ich Erfolge oder Rückschläge erleide. Seine Stimme brach öfter einfach ab und er musste jedes Mal überlegen was genau er sagte. Ich hauchte dauernd, dass er mich anrufen soll, dass die anderen wenigstens anrufen, jetzt wo sie wissen, dass es mir den Umständen entsprechend gut ging. Ich hasste sie ja nicht, wie könnte ich meine Freunde hassen? Ich war verletzt, dachte sie haben mich vergessen, war wütend, dass sie mich ganz alleine gelassen haben. Im Nachhinein war das natürlich Schwachsinn. Die Angst, dass nach diesem Besuch ich wieder in Vergessenheit geraten werde, ist trotzdem so präsent, dass ich sie einfach nicht vergessen kann. Ich möchte nicht mehr alleine sein. Ich will Basti und die Anderen bei mir haben, als Motivation zu kämpfen, auch wenn es schmerzhaft werden wird. Irgendwie. Selbst wenn es nur ein Anruf ist, ich möchte sie bei mir haben. Dass Personen so eine lange Strecke auf sich nehmen, nur um mich zu besuchen bezweifele ich, doch wenigstens ein oder zwei Anrufe, mehr will ich nicht.
Es tat so weh als Basti mich umarmte und zu wissen, dass es für eine lange Zeit das letzte Mal sein wird ihm so nah zu sein. Neben meiner Angst, was mit mir passieren wird, habe ich Angst wie er sein Leben weiterleben wird. Auch er hat ein riesiges Päckchen auf den Schultern, was er in jeder Sekunde seines Lebens mit sich rumschleppt. Die Sache mit der Trennung, seine ständige Bindung zu seiner Freundin, die er sich selbst auferlegt, indem er seine Kette trägt und natürlich, dass ich ihn so belaste, das alles ist fast schon unmenschlich und muss ihm eigentlich mehr zusetzen, als er es vorspielt. Es tut mir so leid, dass ich selbst ein Grund bin, weshalb es ihm schlecht geht. Natürlich belastet es einen Menschen, wenn ein Kumpel im Freundeskreis plötzlich so mit seinem Leben abschließt, es komplett wegschmeißt, man sich immer um genau diesen Freund Sorgen machen muss.
Wie gerne würde ich aus seinem Leben verschwinden, nur damit er weniger belastet wird.
Und dann, dann war er weg. Die Stationstür wurde geschlossen und er war wieder weg. So wie es vorher war. Ohne ein bekanntes Gesicht aus der Außenwelt, aus dem normalen Leben.
Zum Glück hat uns kein Betreuer über den heutigen Tag so richtig ausgefragt. Zwar wurden wir gefragt, ob wir Spaß hatten und ob es uns gut geht, ansonsten wollten sie nichts wissen. Kann auch daran liegen, dass wir sehr spät erst zurückkamen, eigentlich auch viel zu lange weg waren, doch diese Ruhe vor dem Sturm an Fragen dauert nicht lange, spätestens wenn wir das nächste Mal Therapie haben wird der harte Hagel auf uns aufprasseln, ohne Erbarmen, ohne Rücksicht wie wir reagieren, wie sehr uns es beschäftigen wird. Dass heute für uns alle ein anstrengender Tag war, ist selbsterklärend. Wir sind rausgegangen, raus wo es sich nicht nur auf das Gelände der Klinik oder den Supermarkt handelt. Raus in eine andere Welt, in der wir nicht klarkamen. In dieser Welt wurden wir zur Last. Wir wurden Verstoßene, ließen uns selbst verstoßen und nahmen dieses Geschenk dankend an. Diese Außenwelt ist für mich mittlerweile fast schon sowas wie eine fiktive, freierfundene Märchenwelt, wo man nur Dinge hört, in die man jedoch nie selbst eintaucht. Doch eines Tages muss ich den Weg antreten, damit diese Märchenwelt wieder mein normales, geregeltes Leben ist. Ich muss irgendwann wieder arbeiten gehen, ich muss studieren, wenn ich mein Studium wirklich weitermache und nicht abbreche.
Es ist so viel.
Gefühlt bricht jetzt schon mein Leben auf mich hinab, obwohl ich nicht einmal entlassen bin. Wie schaffen das Menschen wie Basti mit ihrem Leben fertig zu werden, dass sie es beherrschen und sich nicht beirren lassen? Sie führen es so kontrolliert, mit Freude am Leben, egal wie düster es aussieht. Sie glauben an ein Licht am Ende des Tunnels, an einen Weg aus dem Loch der Verzweiflung. Wie kann ich das schaffen? Wie kann ich daran glauben? Wie kann ich die Kontrolle über mein Leben erlangen, wenn es nicht mein Körper ist? Ich schaffe es einfach nicht...
Und jetzt liege ich einfach im Bett, ohne das Bedürfnis zu schlafen, auch wenn durch mein Medikament mir mittlerweile wenigstens das schlafen Können gibt. Dieser Tag war so intensiv, er war einfach zu viel. Es ist einfach zu viel, in zu kurzer Zeit passiert. Ich kann nicht mehr.
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Good boys don't eat {Stexpert}
Fanfiction"Du bist fett! Iss nichts! Lass die Finger vom Essen! Wehe du kotzt das alles nicht wieder aus!" "Stegi... Du musst essen. Sonst verhungerst du noch oder bekommst wieder eine Sonde..." "Sie sind unter dem angegebenen BMI." Ihr könnt nicht verstehen...