Kapitel 29

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Als ich wieder wach werde, sitze ich in einem Krankenwagen am Rand der Straße.
Eine Rettungsdecke liegt auf meinen Schultern. Ich starre einfach nach vorne in die schwarze Nacht. Seit einer Stunde ist die Polizei auf der Suche nach dem Anhänger und den Pferdedieben. Naja und nach Ben. Auf der Lichtung war nämlich keine Menschenseele mehr. Nur der leere Stall.
Ich wage es nicht darüber nachzudenken was alles passiert sein kann. Nur was alles passieren wird. Wie soll ich das Ben's Familie erklären ? Wie soll ich ihnen erklären, dass ich ihn einfach alleine gelassen habe? Ihn im Stich gelassen und nur an mich gedacht habe.
Doch was hätte ich tun sollen ?
Wie soll ich das Alex erklären ? Das selbst die letzte Chance den Hof zu retten, jetzt irgendwo in einem Hänger ist, auf dem Weg sonst wo hin.
In dieser Situation wirken meine Probleme so klein. Ich habe mich so aufgeregt, dass er in die Hände von Chantal soll. Doch mal ehrlich, erginge es ihm so schlecht? Auch wenn sie ihn weg stellen, der Stall würde nicht als zu schlecht sein. Die Familie hat Geld und würden alles für ihre Tochter tun. Hundertprozentig mit privatem Trainer und Luxusstall. Leno würde es nicht schlecht ergehen, nur mir würde es das Herz brechen. Mir. Mir !
Wegen mir sind wir doch überhaupt in dieser Situation. Hätte ich mich nicht nur darauf konzentriert, dass Leno NICHT Chantal bekommt, hätte ich Wolfgang Landwolf vielleicht durchschaut und ihm nicht auch noch bereitwillig erklärt wie er am besten mein Pferd stiehlt.
Meine Mutter kommt auf mich zu und begleitet mich ins Auto. Wir wechseln die Fahrt über kein Wort. Sie scheint wohl schon alles von der Polizei und den Sanitätern erklärt bekommen haben.
Zuhause angekommen mache ich mich sofort ins Bett.
„Du meldest dich, wenn du was brauchst ok?" ruft mir meine Mutter noch hinterher, als ich schon fast die Treppe komplett hoch bin.
Ich nicke nur. Die ganze Nacht bleibt das Telefon still. Ich liege nur im Bett und warte darauf das es klingelt. Doch nichts. Stille. Ich denke an nichts, beziehungsweise konzentriere mich drauf an nichts zu denken. Dann schlafe ich ein.
Geweckt werde ich von einem schrillen Geräusch.  Verschlafen blinzle ich durch meine verklebten Augen. Was ist das bitte ? Genervt drehe ich mich zur Seite. Schaltet das ab.
Als hätte man mich erhört, verstummt das nervende Geräusch. Dann wird es mit klar. Das Telefon !
Mit einem Schlag bin ich hellwach und springe aus dem Bett. Meine Mutter steht in der Küche und telefoniert.
„Ok, das ist schön zu hören."
Gespannt schaue ich sie an. Die lächelt und nickt nur. Sie haben sie gefunden! Ich kann es nicht fassen! Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen.
Sie legt auf und bestätigt meinen Verdacht:
„Die wurden gefunden. Ben ist im Krankenhaus und Leno schon auf dem Weg nach Hause."
„Wir müssen dahin !"
„Liv, wir haben halb 4 Uhr morgens. Du kannst morgen hin und jetzt geh wieder schlafen." Sie streicht mit liebevoll durchs Haar. Ich nicke nur und drehe mich um.
Dann morgen. Aber wohin? Ich weiß es selbst nicht. Was habe ich mit „dahin" gemeint? In den Stall oder vielleicht doch ins Krankenhaus ?

Der Weg ins NichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt