Erstes Kapitel - Der alltägliche Wahnsinn

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Ich weiß nicht mehr genau, wann ich anfing mich zu erinnern, aber ich weiß noch, dass es mich beeinflusste wie nichts zuvor. Wenn man so vie Zeit mit Schlafen verbrachte wie ich, träumte man auch unweigerlich. Anfangs dachte ich, es würde an den Medikamenten liegen, Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und was es nicht alles Schönes gab und ich mit Sicherheit ausprobierte, aber das war es nicht. Es lag an mir.

Meine Träume verfolgten mich. Oft bis zur nächsten Nacht. Aber damals, war das eins meiner geringeren Probleme.

Ich war krank. Mein Bett war mein bester, aber auch mein schlimmster Freund. Es gab Tage, an denen ich es verfluchte und Tage, an denen ich mir keinen schöneren Ort auf der ganzen Welt vorstellen konnte. Manchmal war ich über Wochen, sogar Monate, an es gebunden. Dann lag ich zeitweise katatonisch da und starrte die Decke an. Meine einzige Flucht waren Arzttermine. Infusionen, Transfusionen, Injektionen. Ich habe alles durchgemacht.

Es klingt vielleicht seltsam, aber es war meine Gelegenheit Menschen zutreffen. Menschen die mich nicht komisch ansahen, weil ich krank war. Menschen die mich verstanden. Menschen, die das Gleiche durchmachten wie ich. Oder zumindest etwas in der Art. Wenn ich bei ihnen war, obgleich sie mir alle fremd waren, fühlte ich mich nicht alleine. Denn nur sie schienen zu verstehen, was mit – und in mir los war. Häufig tauschte man sich untereinander darüber aus, was einem half oder auch nicht, welche Methoden schon probiert worden waren und mit welchem Erfolg. Was mich jedoch wirklich beschäftigte, offenbarte ich keinem von ihnen.

Als ich nach langer Zeit wieder eine Infusion in meine Venen gepumpt bekam, hatte ich einen neuen Traum. Durch die Mittel welche sie mir verabreichten und die Zeit die es kostete, bis alles in meinem Körper war, konnte ich nie komplett wach bleiben. Dafür nahm es mich zu sehr mit. Aber kaum das ich aufgewacht war, schnappte ich mir mein Handy und fing an das Gesehene aufzuschreiben. Mit der Klammer an meinem Finger, welche zu dem Monitor gehörte, der meine Werte überwachte, war das nicht unbedingt einfach, aber auch nicht unmöglich. Die Worte flossen aus meinem Kopf hinaus in meine Finger, damit ich sie festhalten konnte, ohne mir währenddessen allzu große Gedanken darüber machen zu müssen. Es war wie ein Zwang der sich nicht legte, bis ich es beendet hatte. Wirklich lesen was ich schrieb, tat ich nicht. Allerdings kam auch eine Arzthelferin in den Raum, noch bevor ich fertig werden konnte. Trotzdem, wie sich später herausstellte war es ein Fehler, dem Text keine weitere Beachtung geschenkt zu haben.

„Gut geschlafen? Als ich vorhin da war und Ihre Werte aufgeschrieben habe, sahen Sie tatsächlich mal entspannt statt von Schmerzen gequält aus."

Mit einem höflichen Lächeln schaute ich sie an, in meinem Inneren lachte ich jedoch laut auf. Purer Sarkasmus. Ich hatte einen Albtraum vom feinsten gehabt, aber das würde ich ihr mit Sicherheit nicht auf die Nase binden.

„Ja, danke", log ich also, um eine genauere Unerhaltung über meine Schlafgewohnheiten und deren Begleiterscheinungen zu umgehen.

Kristina lächelte kurz und fing an mich von allem zu befreien: Blutdruckmanschette, Sättigungsklammer, Zugang. Erleichtert streckte ich mich ein wenig. Meine Gelenke waren vom vielen Liegen steif geworden und meine Haut fühlte sich um ein par Nummern zu eng an. Sie spannte, brannte leicht und schmerzte bei jeder Bewegung. Stöhnend hob ich die dünne Decke von mir und legte sie auf den Stuhl, welcher neben der Liege stand. Dann setzte ich mich langsam auf. Einen leisen Fluch unterdrückend schloss ich die Augen. Verdammt, war mein Kreislauf im Eimer!

„Geht es?", fragte Kris besorgt und fasste an meine Schulter.

„Es wird schon wieder. Danke", erwiderte ich nach wie vor mit geschlossenen Augen.

Die Frau entfernte sich von mir und holte mir etwas zum Trinken. Stilles Wasser. Jeder der behauptet, dass Wasser nach nichts schmeckt oder riecht, hat ja so was von keine Ahnung.

My Long Way To DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt