Fünftes Kapitel - Eine verzweifelte Entscheidung

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Die Wut über meine eigene Dummheit, war größer als die Wut auf den Detektiv. Er hatte einfach nur rational reagiert, während ich absolut irrational eine Entscheidung getroffen hatte. Eine Entscheidung, so ehrenhaft sie gewesen sein mag, mich dazu gebracht hatte einen Cop zu beleidigen. Ich hatte Glück, dass man mich nicht wegen Beamtenbeleidigung verhaftet hatte. Vermutlich war ich zu schnell nach Draußen gerannt.

Jedoch war durchaus die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass er das mit der Anzeige gegen mich noch nachholen würde. Vielleicht sollte ich einfach untertauchen bis alles vorbei war. Nach Europa oder Afrika oder am Besten gleich bis nach Asien. Umso weiter weg, desto besser. Wie schwer es wohl war an falsche Papiere ranzukommen?

Mir war natürlich bewusst, dass das Unsinn und ich einfach nur am durchdrehen war, weil es tatsächlich noch schlimmer gewesen war, als ich es mir ausgemalt hatte. Kaum zu glauben, dass das überhaupt möglich gewesen war. Der Blick den er mir zugeworfen hatte, war pure Verachtung gewesen. Er hatte mich von der ersten Sekunde an nicht leiden können, aber als ich ihm die Wahrheit gesagt hatte, wollte er mich töten. In Ordnung, vielleicht wollte er mich nicht gleich umbringen, aber seine Vorstellung kam da bestimmt ziemlich nah an die meine ran.

Vollkommen durcheinander und mehr als nur aus dem Gleichgewicht gebracht, ging ich den Rest des Weges zur Arbeit zu Fuß. Normalerweise bekam ich davon einen freien Kopf, doch in dieser Situation half nicht einmal das. Das Einzige das aus meinem Spazierganz resultierte, waren mehr Schmerzen in den Beinen als zuvor.

„Verdammt", murmelte ich und blieb kurz stehen, um mir das Knie zu massieren. Normalerweise hielt die Schmerzinfusion ein paar Tage lang an, aber so wie die Dinge lagen, schien ich die Medikamente schneller abzubauen, als es für gewöhnlich der Fall war. Was für mich bedeutete, dass ich spätestens nächste Woche bei meinem Doc antanzen musste, jedenfalls sollte ich dass, wenn ich vorhatte noch eine Weile zu Laufen.

Vor mich herfluchend, hinkte ich die letzten Meter des Weges zum Laden. Ich entschuldigte mich bei der Chefin für meine Verspätung und arbeitete den ganzen Tag lang, ohne über irgendetwas nachzudenken.

Als ich schließlich am Abend nach Hause kam, fand ich einen Zettel von meinen Eltern vor. Sie waren Essen gegangen und wünschten mir einen schönen Abend. Mein Glück. So musste ich wenigstens niemandem erklären, warum meine Laune so dermaßen unterirdisch war. Ich schnappte mir eine Banane und begann sie zu essen, während ich mich umzog. Mein Schlafanzug bestand bei den kalten Temperaturen aus einer langen Hose und langärmligem Shirt, beides Teile die ich schon ewig besaß und in denen ich mich am Wohlsten fühlte. Ich wollte mich gerade hinlegen, als es an der Tür klingelte. Widerwillig, aber auch ein wenig verwundert, taperte ich hin, öffnete und sagte:

„Ich hoffe das Essen war gut. Ich geh ins Bett."

„Ich hatte heute noch nichts zu Essen. Oder gestern", erklang plötzlich eine tiefe Stimme.

Shit! Mein Gefühl hatte mich also doch nicht getrübt. Sofort drehte ich mich, so schnell es mir eben erlaubt war, um und hob die Arme. Fünf Jahre Selbstverteidigung mussten ja immerhin für irgendetwas gut sein. Besonders wenn ein Einbrecher ins Haus kam. Nur dass der Mann, der vor mir stand und mich verwundert musterte kein zwielichtiger Gauner war, sondern der Cop vom Revier. Der, den ich beleidigt hatte. Der, der mich definitiv nicht leiden konnte. Na toll, wäre ich doch mal besser weggelaufen, als ich noch die Chance dazu hatte. Warum hatte ich ihm auch meinen Namen genannt?

„Was tun Sie hier?", fragte ich und ließ die Arme wieder sinken.

Seufzend schloss er hinter sich die Tür. Kein gutes Zeichen.

„Sie haben gesagt ... Sie sagten, Sie wüssten, wo Amanda Clark ist", setzte er an.

Großartig, er wollte mich verhaften. Nicht für die Beleidigung, sondern weil er mich für eine Komplizin hielt. Warum musste ich auch meinem verdammten Helfersyndrom nachgeben? Richtig, ich hatte am eigenen Leib gespürt, wie man Amanda die Kehle aufschneiden würde, wenn ich nichts unternahm und jemanden schickte, um sie zu retten. Verzweifelt seufzte ich auf.

My Long Way To DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt