Vierundzwanzigstes Kapitel - Special Agent Price

2.1K 161 18
                                    

        Es war eine ganze Woche verhangen, ehe ich mich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hatte und den Chief dazu überreden können, wieder zu arbeiten. Es nagte an mir, das bereits so viel Zeit verstrichen war. Jede Stunde die ich im Bett gelegen und an die Decke gestarrt hatte, war mir wie eine Ewigkeit vorgekommen. Amanda kam regelmäßig zu mir und versuchte zu helfen. Sie war nicht besonders erfolgreich damit, dennoch schätzte ich ihre Bemühungen, besonders wenn ich ihren Zustand und ihre eigene Situation bedachte. Den Rest der Zeit, wenn ich mit meinen Gedanken alleine war, wünschte ich mir beinah, der Mistkerl hätte mich getötet. Dann hätte ich mich nicht mit schrecklichen Gedanken plagen müssen, wie denen dass Sally vermutlich längst tot war.

Stryder sah das anders. Er war der Meinung, dass sie zu stark und klug war um sich von ihm umbringen zu lassen. Trotzdem, ganz gleich was er sagte, ich wusste dass er sich ins Geheim davor fürchtete, dass ich womöglich Recht hatte. Er war emotional, wenn es um Sally ging, aber er war auch ein Cop. Er kannte die Chancen und Statistiken. Beides verriet nichts Gutes.

Der erste Tag zurück auf dem Revier, war gelinde gesagt unangenehm. Alle starrten mich an. Besonders die Leute der Einheit, die sich mit dem Fall im Ganzen beschäftigten. Es war deutlich zu sehen, dass ich einigen Leid tat, Andere bedachten mich mit einem Blick voller Hass, was meinen Selbsthass nur noch schürte, genau wie meine Wut. Aber es spornte mich auch an. Wenn ich nach Hause ging, dann nur um zu duschen, mich umzuziehen und ein paar Stunden auf dem Sofa zu schlafen. Nicht weil ich dafür Zeit hatte oder es wollte, sondern weil ich wusste, das ich es brauchen würde. Wenn ich nicht schlief, konnte ich etwas übersehen und das durfte ich auf keinen Fall. Ich konnte sie nicht noch einmal im Stich lassen. Ich konnte sie nicht bei ihm lassen. Lebendig oder tot, er würde sie nicht behalten. Nicht dieses Mal. Nicht sie.

Sallys Eltern hatten bislang noch nichts mitbekommen. Mir war klar, dass sie es nicht gewollt hätte, weshalb ich ihren Arzt gebeten hatte, ihnen mitzuteilen, dass sie im Krankenhaus wäre, aktuell aber keinen Besuch bekommen konnte. Er hatte es nur mit großen Bedenken getan. Seine Begründung dafür war letzten Endes die Gleiche wie meine: Er wusste, dass sie es so gewollt hätte.

Am fünfzehnten Tag nach ihrer Entführung, ging ich zu ihr nach Hause. Keiner war da, weshalb ich mir selbst Zutritt verschaffte. Sorgfältig durchsuchte ich ihr Zimmer. Die Schublade mit ihren Messern, machte mich einerseits noch immer stutzig, andererseits machte sie mir aber auch Hoffnung. Stryder hatte Recht. Waters war klug, wie unzählige Bücher über verschiedenste Dinge bestätigten. Ihre beachtliche Sammlung bestand nicht nut aus Romanen. Bestimmt die Hälfte davon war Fachliteratur über unterschiedlichste Themen. Von der Medizin bis hin zu verschiedenen Kampfsportarten. Drei waren nur über Messer, was mich zum Lächeln brachte.

Der Rest ihres Zimmers, war wie man es bei einer Frau Anfang zwanzig erwartete. Jedenfalls glaubte ich das, bis ich eine ihrer Schranktüren öffnete. Sprachlos starrte ich die Innenseite der Tür an. Von Oben bis Unten hingen Post it's in den verschiedensten Farben und Größen, mal ordentlich, mal in aller Eile geschrieben. Ich las den Ersten, dann noch einen und noch einen. Eine Vermutung keimte in mir auf. Eine, die mir nicht besonders gefiel. Schnell sammelte ich alle Zettel ein, bemüht sie nicht durcheinander zu bringen. Leise verließ ich das Haus wieder um keine Aufmerksamkeit bei den Nachbarn zu erregen, schaute mich kurz auf der Straße um und fuhr dann zurück zum Revier.

Als sie hereinkam, bemerkte ich sie zuerst nicht. Meine Gedanken kreisten zu sehr um Billys Worte, welche er mir an den Kopf geworfen hatte, sobald ich am Konferenzraum, der als Sammelstelle für den Fall diente, vorbeigekommen war: „Vielleicht sollten wir der Tatsache ins Auge blicken, dass sie höchstwahrscheinlich lange tot und vergraben ist."

Allein die Idee erneut zu hören, ließ Übelkeit in mir aufkeimen. Es reichte, dass ich diese Gedanken hatte, man musste es mir nicht auch noch sagen. Denn wenn Sally Waters wirklich tot war, wäre es meine Schuld, weil ich nicht geschossen hatte, weil ich mich erneut hatte überrumpeln lassen, weil ich nicht stark genug gewesen war.

My Long Way To DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt