Zwanzigstes Kapitel - Ob man stirbt oder nicht

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„Ich werde euch bekommen. Die Bullen denken, sie könnten euch vor mir verstecken, aber sie irren sich. Ich kenne dich. Ich weiß wer du bist und ich weiß, dass du ihr nicht von der Seite weichen wirst. Es ist fast schon zu einfach. Ich muss gar nichts tun, um euch Beide auf einmal zu bekommen. Ist das nicht wundervoll? Bald werden Amanda und du bei mir sein. Heute Nacht, komme ich euch holen. Sally."

Wie jedes Mal, wenn ich aus einer derart verstörenden Vision erwachte, schreckte ich panisch auf und rang keuchend nach Atem. Es wäre vielleicht zur Gewohnheit geworden, wenn ich nicht mit wahnsinniger Angst erfüllt gewesen wäre. Er hatte mit mir geredet, mich mit meinem Namen angesprochen. Er wusste wer ich war und so wie es schien, wusste er auch, dass ich ihn sah. Und mehr noch, er wusste was wir vorhatten, wusste ganz genau wie ich tickte.

Ich musste hier weg. Ich konnte unmöglich heute Nacht ins Krankenhaus gehen. Sie würden mich nicht beschützen können. Oder ich mich selbst. Es war vollkommen verrückt von mir gewesen, zu glauben, dass ich das könnte.

„Was ist passiert?", Walker kam ins Zimmer und auf mich zu gestürmt.

Hyperventilierent saß ich aufrecht in meinem Bett und starrte ihn verschreckt an. Vermutlich wirkte ich wie ein zu Tode geängstigtes Kaninchen. Dabei war ich ein verängstigter Mensch.

„Oh Gott", murmelte er und setzte sich mit ernster Miene zu mir.

„Tief durchatmen. Sally, konzentrieren Sie sich. Sie sind in Sicherheit. Niemand kann Ihnen etwas anhaben, aber Sie müssen sich beruhigen. Da ist genug Luft zum Atmen. Sie müssen nur langsamer werden, sonst verlieren Sie das Bewusstsein."

Die Worte drangen in mein Ohr, aber nicht an mein Bewusstsein. Ich war nicht sicher, ebenso wenig wie Amanda. Er würde uns holen und er würde uns Beide töten. Da konnte ich genauso gut auch gleich sterben. Ich konnte das nicht. Auf gar keinen Fall. Ich musste hier weg! Wir mussten hier weg!

„Hey, hey, hey!", bemühte Walker sich weiterhin meine Aufmerksam auf sich und seine Worte zu lenken.

Unterdessen raste mein Herz und das Adrenalin pumpte durch meine Adern wie heißes Öl. Wenn ich mich nicht gerade von einem Zusammenbruch erholen würde, hätte ich schwören können, auf einen weiteren zuzusteuern. Aber das tat ich nicht. Es war noch zu früh. Viel zu früh.

„Sally, bitte", Walker flehte mich beinah schon an, als er nach meiner Hand griff.

Plötzlich war die Verbindung von unserem Gespräch zuvor wieder hergestellt. Ich konnte seine Sorge spüren, was im Grunde nicht nötig gewesen wäre, da sie ihm ins Gesicht geschrieben stand. Er mochte nicht an mich oder die Dinge glauben die ich sah, oder sich in irgendeiner Art und Weise für mich interessieren, aber dennoch fürchtete er mich erneut durch die Notaufnahme ins Krankenhaus bringen zu müssen. Ich musste mich zusammenreißen. Sofort!

Meine Hände begannen unkontrolliert zu zittern, als das Adrenalin langsam anfing an Wirkung zu verlieren, aber Walker umfasste Beide fest, jedoch ohne mir dabei wehzutun. Bemüht mich zu konzentrieren, schaute ich in seine dunklen Augen. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein und aus. Ein und Aus. Ein ...

Spüren tat ich es nicht, ich wusste es auch nicht, bis er mir die erste Träne von meinen Wangen wischte. Die Angst verging nicht, bei dem Versuch mich in den Griff zu bekommen. Sie wurde größer, weil das Adrenalin mittlerweile aufgebraucht war und mich schutzlos zurückließ.

„Ich .. ich ..."

Meine Stimme versagte, ich begann hemmungslos zu Schluchzen und hatte tatsächlich einen totalen Zusammenbruch, vor dem Mann, den es nicht weniger interessieren könnte.

Dem allen zum Trotz, zog der sonst so abweisende Mann mich in seinen Arm. Ich lag mit dem Kopf fast auf seinem Schoß, das Gesicht an seinem Hemd vergraben. Meine Atmung wurde wieder schneller und hektischer. Mein Kopf fing an zu dröhnen. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

My Long Way To DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt