13 Erinnern

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23.06.2018 Freitag

Heute ist der dritte Tag, an dem ich versuche die Jungs zu ignorieren oder ihnen aus dem Weg zu gehen. Anfangs ist es nicht schlimm gewesen, da sie keinen Verdacht geschöpft haben aber am zweiten Tag sind sie verwirrt gewesen und heute muss ich noch mehr aufpassen.

Ich bin an meinem Spind, um meine Unterlagen für Physik zu holen. Gleich in der ersten Stunde muss ich mich anstrengen, denn Jamie ist ja in meinem Kurs. Vorallem er tut mir leid, weil er immer nett zu mir war aber ich kann niemanden einfach in mein Leben voller Lügen hineinziehen. Ich laufe mit erhobenem Haupt in den Physikraum, wo ich auch sofort von einem Augenpaar angestarrt werde. Die Genugtuung, ihn anzusehen, werde ich ihm nicht tun.

In der Zeit vor dem Unterricht und während des Unterrichts lässt er es sich nicht nehmen, meinen Rücken mit seinem intensiven Blick zu löchern. Mich hat sowas noch nie wirklich gestört, denn ich bin wirklich stur, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe. Nach der Stunde merke ich, wie Jamie auf mich zu kommen will, doch ich bin schneller. Sofort verschwinde ich durch die Tür zu meiner nächsten Unterrichtsstunde. Wer hätte es auch gedacht? Ich bin gesegnet mit Mathematik, als nächstes Unterrichtsfach.

Bis zur Mittagspause sehe ich also niemanden von den Jungs. Vielleicht nur flüchtig auf dem Flur, wenn ich die Räume wechsle aber sie bemerken mich nicht schnell genug. In den nächsten Pausen denke ich nach, wo ich in der heutigen Mittagspause hingehe. In die Mensa kann ich nicht und sonst bin ich immer wo anders hingegangen. Das Problem ist, das es nicht so viele Möglichkeiten gibt. In den Mädchentoiletten bin ich schon gewesen aber das ich nicht gerade angenehm.

Da mir nichts besseres einfällt, gehe ich vor die Schule auf den Hof, wo ich mir eine entspannte Stelle auf der Wiese suche. Vom Eingang aus laufe ich nach links zu einem Baum, damit man mich nicht direkt sieht, wenn man aus der Schule hinaus läuft. Müde lehne ich mich mit dem Rücken gegen den Baum und streife mir meinen Rucksack von den Schultern. Jetzt habe ich knappe 28 Minuten Zeit, um mich auszuruhen. Deswegen schließe ich für ein paar Minuten meine Augen.

Das bringt mir leider wenig, da mir Bilder aus meinen Alpträumen vor meinem inneren Auge gezeigt werden. In den letzten Nächten konnte ich nicht gut schlafen, was man mir wahrscheinlich auch ansehen kann. In den Träumen werde ich verfolgt. Oder getötet. Oder beides gleichzeitig. Manchmal werden auch andere vor mir getötet. Am nächsten Morgen fühlt es sich so verdammt real an.

Nein, hör auf daran zu denken.

Ich öffne die Augen und krame in meiner Tasche nach einer Box, wo mein Essen drin liegen sollte. Heute früh wollte ich mir selbst ein Essen zusammen stellen aber da war meine Großmutter schneller gewesen. Auf dem Küchentisch hatte ich schon die fertige Box gesehen, die ohne Zweifel für mich war. Später muss ich mich bei ihr bedanken. Ich öffne die Box und staune echt nicht schlecht. Sie hat mir eine Bento Box gemacht! Darin ist Reis, gekochtes Ei und verschiedene Arten von Gemüse enthalten. Göttlich.

Vielleicht soll ich sie mal fragen, ob sie mir das öfter machen kann. Trotzdem will ich sie nicht damit überfordern früh aufstehen zu müssen. Voller Vorfreude nehme ich mir den Löffel, der ebenfalls darin liegt und fange an zu essen. Genüsslich stöhne ich wegen dem himmlischen Geschmack. Mich kann man nicht mit Pizzen oder einem supertollen Gericht glücklich machen. Es ist eher so etwas. Reis und frisch geschnittenes Gemüse, fertig ist das Geschmackserlebnis. Hauptsache es ist herzhaft.

Wo ich hier gerade das Gemüse esse, denke ich daran, das ich Gemüse früher sogar gehasst habe. Nur Gurken habe ich schon immer gegessen. Dieser Spruch von den Eltern, wenn sie sagen: "Wenn du älter wirst, wirst du selbst das essen." Doch daran glaubt kein Kind. Dann denkt man sich später: "Hätte ich meinen Eltern lieber geglaubt."

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