Kampf

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Von Anfang an mit Musik!!🎵

Ich spürte, wie langsam die Kraft aus meinen Beinen verschwand. Meine Augen brannten unter dem Druck, der auf meiner Tränendrüse lag. Ich hatte nie im Leben Eltern und dachte, das würde auf ewig so bleiben. Das tat es aber nicht. Das Schicksal war ein Verräter. So stand ich vor ihm, vor Joachim Löw, vor meinem Vater. Dann drehte ich mich um. Einfach so, ohne etwas zu sagen und lief in die entgegengesetzte Richtung. Ich ging zum Platz zurück. Warum wusste ich nicht. Ich bemerkte, wie Manuel mich angespannt musterte, als ich ganz langsam die Treppe zum Rasen hinunter lief. Er wusste es. Er hatte es wahrscheinlich als erster erfahren. Wusste es sonst noch jemand? Anscheinend nicht. Ich kam unten an, hatte jedoch keine Ahnung, was ich hier überhaupt wollte. Die erste Träne lief über mein Gesicht und ich tat nichts dagegen, ich ließ sie ihre Bahnen ziehen. Ein Gefühl breitete sich in mir aus. Ein Gefühl, dass ich nicht zuordnen konnte. Das wollte ich auch gar nicht. Es war kein schönes Gefühl, es tat weh. Ich spürte, wie sich meine Lunge zuschnürte und kaum noch Luft hinein ließ. Es tat weh. Die salzigen Tränen tropften bis auf den Boden. Wenn sie darauf zerschlugen, schien ein Teil von mir zu zerschlagen. Ein Teil meines Herzens. Es tat weh. Mehr braucht keiner wissen, um es zu verstehen.
Manuel war auf mich zugekommen und legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter, so als könnte ich jeden Moment zerbrechen. „Hat er es dir gesagt?" Ich antwortete nicht. Das reichte ihm. Ein paar der anderen Spieler hatten auch den Weg zu uns gefunden und sahen mich mit besorgtem Blick an. Ich starrte jedoch nur mit leerem Blick durch sie hindurch. „Lilly!" Es war Jogi. Laut näherten sich seine schnellen Schritte und als sie verstummten, drehte ich mich zu ihm um. „Lilly, es tut mir leid. Hätte ich es nur früher gewusst, hätte das alles nicht so ausgehen müssen." Ich hörte ihn schon gar nicht mehr. Meine Ohren waren versiegelt und alles klang nur noch gedämpft. Meine Sicht war von den Tränen verschwommen, jedoch war es nun eine Schwärze, die sie verdeckte. Meine Beine fingen an zu zittern und in meinem Kopf drehten sich Bilder aus meinem kompletten Leben wild herum. Ich konnte nicht mehr klar denken, nichts wahrnehmen und nichts gegen die Kraftlosigkeit in meinem mittlerweile gesamten Körper tun. Meine Knie gaben nach und das letzte was Ich spürte, war punktuelle Wärme an meiner Hüfte, die ich aber schon nicht mehr zuordnen konnte. Dann blendete ich alles aus.
-Musik aus-🎶

Ich wachte in einem Bett auf. In meinem Bett. Mein Kopf tat weh und noch etwas. Mein Herz. Es war ein Stich, der Schmerzen verursachte, als ich an den vergangenen Tag dachte. Er war mein Vater. Er war mein Vater. Dieser Satz ließ mich nicht los.
Ich setzte mich auf, aber merkte sofort ein Schwindelgefühl. Ich kniff meine Augen zusammen, als ob mich das von allem abschirmen würde. Ganz langsam stand ich auf und sah mich flüchtig im Spiegel an. Ich hatte noch meine Sachen von gestern an. Ich lief ins Bad und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Als ich aufsah in den Spiegel, sah ich ein Mädchen, dem ein Teil ihres Lebens fehlte, eine Tochter, die alleine gelassen wurde und ein Kind, dessen Kindheit viel zu früh für beendet erklärt wurde. Meine Wangen glänzten erneut von vereinzelten Tränen. Doch es blieben nicht wenige, es wurden viel zu viele. So stand ich eine Ewigkeit am Waschbecken aufgelehnt und starrte mein verschwommenes Spiegelbild an. Ich hörte nicht auf zu weinen. Ich konnte nicht. Langsam ließ ich mich am Waschbecken hinunter auf den Teppich gleiten. Dort vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und weinte, bis ich keine einzige Träne mehr übrig hatte. Irgendwann ließ ich mich einfach seitlich fallen und lag auf dem Boden im Bad. Ich konnte nicht mehr. Ich hörte, wie sich meine Zimmertür öffnete. Die hatten einen Zweitschlüssel? Ich bewegte mich nicht, sagte nichts, als eine Stimme im Raum nebenan meinen Namen sagte. Dann wurde die Badtür aufgemacht. Er sah sich erst im oberen Bereich um, bis er realisierte, dass ich unten auf dem Boden lag. Es musste verstörend ausgesehen haben... „Lilly!", rief er erschrocken. Es war Joshua. Sofort kniete er sich zu mir nach unten. „Was ist los?" - „Das fragst du noch?", antwortete ich nur emotionslos. Ohne lange zu zögern, fasste er mich vorsichtig an den Schultern und zog mich nach oben. Als er bemerkte, wie wackelig ich auf den Beinen war, hielt er mich an der Hüfte fest und lief so mit mir zum Bett. Bei seiner Berührung kribbelte meine Haut. „Warum weinst du und warum lagst du da gerade auf dem Boden?", fragte er und deutete auf die Tür zum Bad. „Er ist mein Vater." Es war kaum mehr als ein leises Krächzen, das meine Kehle verließ und sich eigentlich wie Worte anhören sollte. „Wer? Wer ist dein Vater?" Ich schluckte. Jogi hatte es Ihnen noch nicht gesagt?
Er schämte sich für mich.
Diese Feststellung löste erneut Weinen bei mir aus. Ein Schluchzen ließ meinen kompletten Körper zittern. Plötzlich legten sich zwei Arme um mich. Joshua...
Ich ließ es geschehen und legte meinen Kopf an seine Schulter. „Ich weiß, es ist nicht immer einfach im Leben. Es gibt vieles, was uns runter zieht. So wie dich gerade dein Vater. Aber versuch gerade aus zu schauen. Es gibt immer ein Morgen und das kann wieder ganz anders aussehen." Ich hob meinen Kopf hoch und setzte mich gerade hin. Dankbar lächelte ich ihn an. „Dein Vater also... wenn ich ihn persönlich kennen lerne, werde ich ihm erstmal ordentlich meine Meinung sagen!" Ich lachte kurz auf. „Ich denke mal, dann wärs du deinen Job ganz schnell los." Er sah mich verwundert an. „Wie meinst du das?" -„Wirst du noch  früh genug erfahren, glaub mir." Er nahm es so hin und nahm dann meine Hand in seine. „Ich kenne ein Lied, dass gerade ziemlich gut in deine Situation passen würde. Gib mir mal dein Handy." Ich entsperrte es und er tippte darauf rum. „Jetzt hast du meine Nummer. Ich schick es dir." Dann stand er mit einem Zwinkern auf und verließ mein Zimmer. Nach einer Weile ertönte mein Handy und ich schaute darauf. Eine Nachricht von einer unbekannten- oder weniger unbekannten Nummer. Joshua. Ich tippte auf die Anzeige und spielte die Tonaufnahme ab, die er mir gesendet hatte. Das Lied war schön. Der Refrain lautete:
Es tut ein bisschen gut, es tut noch etwas weh, wir sind irgendwo zwischen ko und ok.
Es kommt nur drauf an, dass wir weiter gehen, wir sind irgendwo zwischen ko und ok.
(Lied k.o & ok von Vincent Malin)
Ja, ich war gerade zwischen k.o und ok.
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Spielerfrau- Joshua Kimmich ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt