Kapitel 2

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Abends saßen wir alle beim Abendessen beisammen. Ich hatte vorher mein Zimmer zugewiesen bekommen, es war nicht wirklich groß gewesen, doch ich hatte mich sehr gefreut, dass ich ein Zimmer für mich alleine hatte.

Ich konnte mich so zumindest immer zurückziehen, wenn mir danach war.

Beim Abendessen war die Stimmung echt überraschend entspannt. Bisher hatte ich es so gekannt, dass mehrere Wochen, nachdem ich in eine neue Familie gekommen war, immer noch peinliches Schweigen herrschte. Hier war es so, als wäre es völlig normal, dass ich auf einmal dabei war und keiner sich einen großen Kopf darüber machen würde. Ich fragte mich, ob es ihnen völlig egal, was in meiner Akte stand oder ob sie einfach nur so taten. Aber das konnte man doch gar nicht, wenn man kein Schauspieler war oder?

„May, du kannst dich vollkommen entspannen. Wir heißen dich in der Familie Carter willkommen und werden dich so akzeptieren, wie du bist. Klar, wir alle wissen das, was uns mitgeteilt wurde, doch wir haben beschlossen, das außer Acht zu lassen. Du bekommst von uns die Chance, dich so zu zeigen, wie du bist und so werden wir dich auch ansehen", sagte Dave.

In der ersten Sekunde konnte ich es gar nicht glauben und sah deswegen alle Personen nacheinander einzeln an. Sie sahen zumindest so aus, als würden sie die Wahrheit sagen und ich konnte nicht direkt sehen, dass sie logen. Ob ich ihnen glauben konnte?

Ich beschloss, jetzt einmal positiv zu denken und einfach mal davon auszugehen, dass sie die Wahrheit sagten. Schon in der nächsten Sekunde fühlte sich alles viel einfacher an. Ich konnte einen Gang herunterschalten und musste nicht die ganze Zeit über auf der Hut sein, dass ich auf gar keinen Fall ein falsches Wort sagte oder eine falsche Bewegung machte.

„Vielen Dank. Ich kann das auch alles erklären, denn es ist eine lange Geschichte. Die meisten Leute haben kein Interesse daran, diese Geschichte zu hören, doch vielleicht seid ihr eines Tages gespannt, sie zu hören und dann werde ich sie euch natürlich erzählen."

Ich aß einen Bissen und sah dabei, wie die anderen mir zulächelten.

„Wir hören natürlich gerne die Geschichten aus dem Leben von unserer Familie. Du brauchst hier keine Angst zu haben, May. Wir werden alle für dich da sein", sagte Jenna lächelnd.

„Danke. Das bedeutet mir echt sehr viel", antwortet ich ihr.

„Dafür ist eine Familie doch da", antwortete Mason. Ich glaubte echt, dass ich mich sehr schnell hier eingewöhnen würde.

***

Am nächsten Tag sollte ich schon die Schule besuchen. Ich ging in die 10. Klasse und Thomas ebenfalls, doch er war in meiner Parallelklasse. Wir würden laut Stundenplan ein paar Fächer zusammen haben. John und Dave hatten vorgeschlagen, dass Thomas mich jeden Tag mit zur Schule und wieder nach Hause nehmen konnte, da er schon ein eigenes Auto hatte und dass er mich an meinem ersten Tag etwas rumführen sollte. Thomas sollte auch meine Ansprechperson sein, wenn Fragen aufkommen würden.

Ich war sehr froh, dass Thomas das für mich tun würde, denn ich tat mich nicht gerade leicht, wenn ich die Neue an einer Schule sein würde. Das war schon öfter vorgekommen und ich hatte mich eigentlich nie so wirklich eingelebt. Ich hatte auch nie eine gute Beziehung zu meiner Klasse gehabt, ich war in gewisser Weise immer der Außenseiter gewesen.

Vielleicht würde sich das hier ja ändern. Schon auf dem Weg vom Auto bis in die Schule wurde Thomas von sehr vielen anderen Jungen und auch Mädchen begrüßt und sie alle redeten kurz miteinander. Sie schienen sich echt gut zu verstehen und aus dem allen schloss ich, dass Thomas wohl ziemlich beliebt hier war. Vielleicht würde es mir ein paar Pluspunkte bescheren, wenn die Leute wussten, dass ich bei Thomas in der Familie lebte. Hier wusste außerdem niemand etwas von meiner Vergangenheit und konnte mir deshalb schonmal keine Vorwürfe machen.

Thomas hatte mir die Schule gezeigt, es war gar nicht so schwierig, alles zu finden. Ich war mir sehr sicher, dass ich schon sehr bald alles hier finden würde.

„Ich wünsche dir einen guten Start hier in der Schule. In der Mittagspause treffen wir uns in der Mensa, dann kannst du dich zu meinen Freunden und mir setzen. Die Mädchen sind echt sehr nett, bestimmt findest du dort auch schnell Anschluss, da bin ich mir sicher", sagte er zum Abschluss.

„Thomas. Du weißt aber, nur weil deine Dads das von dir verlangen, dass du mich jetzt nicht immer wie ein Hund hinter dir herschleifen musst und es komisch vor deinen Freunden sein wird. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, doch ich würde es natürlich auch verstehen, wenn du mit deinen Freunden alleine sein willst und ich mir meine eigene Leute suchen soll." Ich versuchte, meine Stimme so fröhlich wie möglich klingen zu lassen, damit er merkte, dass ich das wirklich ernst meinte und er nicht auf mich aufpassen musste.

Thomas sah mich erst ernst an, doch dann lächelte er mich breit an. Seine braunen Augen schienen zu funkeln und es bildeten sich Grübchen an seinem Mundwinkel. Er legte mir seine Hand auf die Schulter und gluckste dabei.

„May, mache dir da keine Sorgen. Klar haben meine Dads mich darum gebeten, dich herumzuführen, doch ich hätte, wenn ich dazu keine Lust hätte, dich einfach kurz herumgeführt, damit du das Wichtigste weißt und dann hätte ich dich auch schon wieder dir selbst überlassen. Mir ist es echt wichtig, dass du dich hier eingewöhnst und natürlich kannst du dich dann, wenn du selbst Leute gefunden haben solltest, an einen Tisch mit ihnen setzen, doch es würde mich wirklich freuen, wenn du dich heute in der Mittagspause zu mir setzen würdest."

Das ließ mich breit lächeln. „Natürlich." Ich war wirklich so froh, dass bisher alles so gut zu funktionieren schien. Dann konnte ja jetzt eigentlich gar nicht mehr so viel schief laufen.

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt