Kapitel 10

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Ich hatte gar nichts groß sagen müssen. Sarah hatte sich sofort aufbegeben und war mit mir in das Klassenzimmer gekommen, in dem Thomas mich vorher zur Schnecke gemacht hatte.

„Was gibt es denn May, was man nicht bei den anderen besprechen kann?", fragte sie und ließ dabei klar ihren arroganten Ton erkennen. Sie warf sich ihr braunes Haar über die Schultern und dunkelte mich mit einem bösen Blick an. Okay, sie schien mich wohl wirklich zu hassen. Was für ein Glück, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.

„Sarah, ich brauchen dir gar nicht zu sagen, was los ist. Das weißt du sehr gut selbst." „Ach ja? Kann ja sein, dass du denkst, dass jeder Mensch deine Gedanken lesen muss. Aber stell dir mal vor, ich bin ein ganz normaler Mensch und deswegen habe ich auch nicht die geringste Ahnung, was los ist ..."

Ich würde sie am liebsten würgen, weil sie mich mit diesem abwertenden Blick musterte. Wir konnte ein Mensch nur einen grausamen Charakter haben und dann auch noch mit Thomas zusammen sein?

„Okay, ich nenne dir jetzt ein paar Worte, die dein Spatzenhirn vielleicht zu etwas zuordnen können. Thomas, Computer, Veröffentlichungen. Klingelt da was bei dir?"

Ich musste wirklich aufpassen, dass ich nicht wirklich beleidigend wurde. Wobei, ihr eine reinzuschlagen würde mich auch zufriedenstellen. Ich war grundsätzlich immer gegen Gewalt, doch ihr Anblick reizte mich, meine Prinzipien über Bord zu werfen.

Sarah fing an, zu lachen. Mir wurde fast schlecht, so gekünstelt war das. Ihre Wangen fingen an, leicht rötlich zu werden und sie fuhr sich noch einmal durch die Haare. „Genau und du willst jetzt mir das in die Schuhe schieben, was du verzapft hast. Ich habe Thomas gleich gesagt, dass er sich vor dir in Acht nehmen soll, weil du nur Ärger bedeutest. Er sieht nur das Gute im Menschen und wollte mir nicht recht glauben, doch das, was du abgezogen hast, dürfte ihm eigentlich alles klar machen."

„Genau, Sarah, weil es auch total logisch ist, wenn ich die Familie, die mich so herzlich aufgenommen hat, direkt in der ersten Woche total verärgere und etwas total Privates veröffentliche. Dann habe ich schließlich Glück, werde rausgeworfen und kann mich wundern, wenn mich überhaupt noch einmal jemand aufnehmen sollte. Ich muss echt sagen, deine Logik ist kaum zu übertreffen. Du weißt, dass Dylan und ich befreundet sind oder? Ich weiß die wahre Geschichte und nicht diese Lügen, die du in der ganzen Schule verbreitet hast. Ich mag dich zwar noch nicht lange kennen, doch ich weiß weitaus mehr über dich als dein Freund."

Sarah sah mich voller Wut an, wahrscheinlich hatte sie Angst, dass ich es öffentlich machen könnte, was zwischen Dylan und ihr damals geschehen war. Ich hatte sie an der Angel und eigentlich könnte ich sie dazu bringen, alles zu gestehen, doch ich war kein Mensch, der andere erpresste. Das würde mich kein Deut besser machen als Sarah.

„Weißt du was, glaube doch einfach das, was du willst und lüge deinen Freund weiter an. Du weißt gar nicht, was du ihm da an tust. Er liebt dich und du schadest ihm einfach nur. Genau wie bei Dylan. Ich verstehe Menschen wie dich einfach nicht. Ihr denkt, ihr habt alles und alle Menschen müssen euch zu Füßen liegen und ihr trampelt auf ihren Gefühlen rum, ohne dass es euch auch nur im Geringsten interessiert. Das, meine Liebe, ist total traurig und glaube mir, an einem Zeitpunkt in deinem Leben wist du den Preis dafür bezahlen. Ich habe schon viel durchmachen müssen und glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich einen Beweis dafür finde, dass du das alles warst und Thomas merkt, dass er nur von dir gegen mich aufgehetzt wurde. Und dann werde ich für ihn da sein und du wirst am Boden sein und dir wird dann niemand helfen!"

Es erstaunte mich, dass solche Worte aus meinem Mund kamen, denn normalerweise würde ich dafür erst mal lange vorher überlegen müssen, was ich überhaupt sagen wollte und wahrscheinlich würde ich mich dann gar nicht trauen, das Wichtigste überhaupt zu sagen. Doch ich hatte es nun getan und Sarahs erstauntem Blick nach zu urteilen hatte es auch gewirkt. Ich war wirklich stolz auf mich.

Ich war mir sicher, dass Sarah irgendwann noch das bekommen werde, was sie verdiente und ich würde auch alles dafür tun, dass das möglichst schnell passierte.

„Dann viel Spaß, May. Ich habe das so geschickt gemacht, dass alles so aussieht, als wäre es erst veröffentlicht geworden, als ich schon längst wieder zu Hause war. Es muss zu einer Zeit gewesen sein, in der nur du in Frage kommst. Ich habe mir schließlich überlegen müssen, was ich tun kann, um dich loszuwerden. Du wirst dich wahrscheinlich in Thomas verknallen und dann wirst du für ihn auch interessant sein, weil du die Pflegeschwester bist und schon wäre ich abgeschrieben. Deshalb habe ich aus Selbstschutz dafür gesorgt, dass es niemals so weit kommen wird und Thomas und ich zusammen glücklich bleiben werden. Also wünsche ich dir ganz viel Spaß."

Ich musste fast würgen, wenn ich hörte, wie skrupellos sie war. Allein der Gedanke, dass sie mir gerade einen riesigen Gefallen getan hatte, sorgte dafür, dass ich nicht direkt auf sie losging. Ich hatte schließlich die Aufnahmefunktion auf meinem Handy aktiviert und somit ihr Geständnis aufgenommen. Ich wollte mal ihr Gesicht sehen, wenn ich das Thomas zeigen würde.

Ich rempelte sie an, bevor ich den Raum verließ, denn das konnte ich mir wirklich nicht verkneifen und als Nächstes machte ich mich auf den Weg zu Dylan. Ich musste ihm sofort sagen, was ich gerade mitbekommen hatte und ihm die Datei abspielen. Er würde es mir wahrscheinlich kaum glauben können.

Was Thomas anging. Ich könnte ihm eigentlich nun die Wahrheit sagen und auch alles gestehen, doch ich entschied mich dagegen. Ich würde stark sein und ihm im Glauben lassen, dass ich es war. Mal schauen, wie lange er brauchen würde, bis er die Wahrheit selbst herausfinden würde. Ich war bereit zu verzeihen, denn ich wusste, dass all das, was mich so sehr verletzt hatte, eigentlich von Sarah gestammt hatte. Doch dafür musste Thomas von sich aus auf mich zukommen und mir sagen, dass er falsch gelegen hatte.

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt