Kapitel 16

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Die letzte halbe Stunde war das Chaos im Nebenzimmer ausgebrochen.

Ich hatte das Gefühl, dass Sarah aus völliger Verzweiflung versuchte, alles, was auch nur möglich war zu erzählen, damit Thomas sie möglichst wieder zurücknehmen würde.

Ihr war wahrscheinlich nicht klar, wie lächerlich sie sich damit gerade machte und dass es ihr schon lange selbst die letzte Person nicht mehr abnahm. Eine halbe Stunde lang hatte sie keinen Erfolg gehabt, meiner Meinung nach sollte sie langsam mal lieber aufgeben und von hier verschwinden, dann würde sie uns allen nämlich einen großen Gefallen tun.

„Ich bin erstaunt, dass sie nachdem sie erst einmal ausgerastet ist, nochmal in die Opferrolle verfallen ist und Thomas auf Knien angebettelt hat, sie zurückzunehmen", scherzte Dylan.

Wir beide hatten uns nun meinem Bett aufgesetzt und ich hatte meinen Kopf auf seine Schulter gelegt.

So saßen wir seit etwa zwanzig Minuten und lauschten Sarahs verzweifelten Versuchen. Das war wirklich besser als Kino.

Solange wir hier saßen, hatten sich auch Jenna, Mason, Dave und John zu uns ins Zimmer begeben und lauschten auch. Es musste wirklich ein wahnsinnig komischer Anblick sein, wie wir alle hier in meinem Zimmer waren und nicht ernst bleiben konnten, jedes Mal, wenn wir wieder Sarahs Stimme hörten.

Dave und John hatten nun auch verstanden, wer Sarah wirklich war. Mason und Jenna hatten wohl zuerst mit ihnen geredet und anschließend auch Thomas noch einmal, der ihnen dabei auch erklärte, dass er sie zu sich einladen würde, um das alles zu klären.

Ich hatte den Eindruck, dass sie nun besonders den Eindruck machen wollten, als würden sie das wahnsinnig witzig finden, sozusagen als Entschuldigung, dass sie Thomas damals wohl geglaubt hatten, als er von dem Vorfall der Veröffentlichung erzählt hatte.

Ich hatte richtig gedacht, denn nun sprachen sie es auch an.

„May, es tut uns wahnsinnig leid, wenn wir dich nicht als die Person angesehen haben, die du bist. Du bist ein wichtiger Teil unserer Familie und wir wollen dich niemals wegdenken. Wir haben solch ein Glück, dass du zu uns gekommen bist und wir einem so herzensgütigem Menschen ein Zuhause bieten können. Wir entschuldigen uns für alles, was wir dir an Unrecht getan haben und Thomas tut das alles auch wahnsinnig leid. Selbst, wenn er es nicht richtig zum Ausdruck bringen kann, er ist wahnsinnig froh, dich als Schwester zu haben und ebenfalls Mason und Jenna."

Die beiden lächelten mich an nickten dabei eifrig.

„Er hat dich wirklich schon ins Herz geschlossen und das haben wir bemerkt, daran, wie er uns über dich erzählt hat. Wir kennen unseren Sohn und wir wissen, wann ihm eine Person sympathisch ist und das übertriffst du noch in großem Maßen. Seine Augen haben sogar geleuchtet, als er von dir erzählt hat."

Okay, okay, die beiden konnten jetzt damit aufhören ... Sie wussten schon, dass Dylan, der mein Freund war, gerade neben mir saß und dass das, was sie gesagt hatten, sehr komisch klang, wenn man beachtete, dass Thomas in diesem Augenblick von seiner Schwester gesprochen hatte.

Mason und Jenna waren immerhin auch ziemlich glücklich, dass ich hier bei ihnen war und das hatten sie mir auch schon oft genug gesagt, doch trotz ihrer großen Freude würde ich nicht gerade sagen, dass ihre Augen dabei geleuchtet hatten.

Ich merkte, dass meine Wangen anfingen, sich rot zu färben. Mensch, das durfte doch nicht sein. Eigentlich müsste ich mich zwar freuen, doch dabei durfte mein Herz nicht anfangen, schneller zu schlagen.

Wieso tat mein Körper mir das bitte an? Thomas würde wahrscheinlich mein Adoptivbruder werden und Dylan war mein fester Freund, in den ich verliebt war.

Ich war in Dylan verliebt, das stimmte ... aber liebte ich ihn auch? Das war ein großer Unterschied.

Ich vergrub mein Gesicht an Dylans Schulter, damit niemand mein Gesicht sehen konnte und meine Gesichtsfarbe sich wieder neutralisieren konnte. Für die anderen musste das vollkommen normal aussehen, dass ich die Nähe zu meinem Freund suchte, keiner würde ahnen, dass ich dabei versuchte, meine Gedanken an Thomas zu verbannen.

Nun wurde nebenan die Tür geknallt und ich sah einen Schatten vorbeihuschen. Danach wurde die Treppe heruntergestürmt und die Haustür geknallt.

Es war vorbei. Sarah war nun Geschichte.

Thomas musste sich wirklich schlecht fühlen, denn er war so emotional und das musste ihn wirklich belastet haben.

„Ich glaube, ich sehe mal nach ihm", murmelte ich deshalb und machte mich schnell auf den Weg zu ihm ins Zimmer, ohne darauf zu warten, was die anderen vorhatten oder sagen wollten. Auch Dylan ließ ich einfach so zurück.

Ich war für Thomas doch nur als Schwester da ... redete ich mir ein.

Thomas stand mit dem Rücken zu mir da. Erst dachte ich, dass er vielleicht nachdachte oder einfach versuchte, zu realisieren, was da gerade geschehen war, doch dann sah ich, dass er zitterte, da er weinte. Sein Rücken wurde immer wurde von den Schluchzern erfasst und krümmte sich deswegen.

Ohne groß nachzudenken, was ich tat, trat ich an ihn heran und umarmte ihn von hinten. Ich klammerte meine Arme um seine Brust und hielt ihn einfach fest, während er stumm weinte.

Ich spürte, wie mein Herz dabei anfing, schneller zu klopfen und schämte mich dafür. Es war kein Problem, dass ich das tat und so für Thomas da war, das würde Dylan auch verstehen und nichts dagegen haben, doch mein Herz war das Problem.

Meine Gefühle waren der Grund, warum ich Dylan in diesem Moment betrog.

Ich fühlte mich deswegen so schmutzig und schlecht, dass ich wie von der Tarantel gestochen von Thomas abließ.

„Ich bin froh, dass ich es nun endlich hinter mich gebracht habe. Du hast ein solches Glück, dass du Dylan hast. Er liebt dich wirklich, May und ich freue mich so sehr für euch. Du musst bedenken, dass du so jemanden wie Dylan wahrscheinlich nicht noch einmal finden wirst. Ich hoffe, dass du nie so etwas wie ich durchmachen musst und ihr beide für immer glücklich sein werdet."

Wenn er nur wüsste, dass seine Worte mich nicht beruhigten, sondern im Gegenteil große Panik bei mir auslösten. Ich fühlte mich wie eine dreckige Betrügerin und wusste nicht, wie ich mit mir selbst wieder ins Reine kommen sollte ...

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt