Kapitel 3

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In meinem dritten Fach heute musste ich in den Biologieraum. Biologie machte mir eigentlich immer sehr viel Spaß, vor allem, wenn es um Vererbungslehre ging.

Wie am Anfang jeder Stunde blickte ich um mich, um einen Platz zu finden, an den ich mich setzen konnte und wo ich möglichst nicht direkt dort saß, wo eine Clique sich schon niedergelassen hatte.

Ich sah sogar ein paar bekannte Gesichter, die auch mit mir in den anderen Fächern waren, doch ich konnte mich nicht mehr an ihre Namen erinnern.

„Hey May!", rief mich eine Stimme zu sich und ich brauchte wenige Sekunden, bis ich erkannte, wer es gewesen war, der da nach mir gerufen hatte.

Ich trat auf ihn zu und lächelte ihn an. Ich wusste nicht, was er denn von mir wollen könnte. „Du hast doch bestimmt noch keinen Platz gefunden. Da du bisher in den anderen Fächern immer so hilflos ausgesehen hast, dachte ich mir, dass ich dir einfach mal helfe. Außerdem würde es mich sehr freuen, wenn du dich neben mich setzen würdest." Dabei klopfte er lächelnd und theatralisch auf den Platz neben sich.

Ein warmes Gefühl erfüllte mich. Es gab tatsächlich jemanden, der an meinem ersten Tag nett zu mir war und mir half. Das war fast wie ein Wunder. Ich lächelte den Jungen mit den dunklen Haaren breit an.

„Vielen Dank, das ist echt lieb von dir, ähm ..." Mir fiel einfach sein Name nicht mehr ein. Ich hatte den ganzen Tag über so viele neue Namen und Gesichter kennengelernt, dass dieser einfach nicht hängen blieb.

„Dylan. Mein Name, falls du den vergessen hattest." Er lächelte mich an, schien also zum Glück wohl nicht böse zu sein. „Genau, danke. Tut mir echt leid, das war heute alles ein bisschen viel. Erste Tage sind immer etwas eigenartig."

Ich lies mich neben ihm nieder und schon kurz danach betrat auch schon unsere Biologielehrerin den Raum und der Unterricht fing an.

„Wie hast du das gemeint mit ‚erste Tage sind immer etwas eigenartig'? Musstest du durch so etwas schon öfter durch?"

Ich nickte, denn ich wollte im Unterricht nicht zu laut reden, denn ich wollte nicht direkt an meinem ersten Tag einen schlechten Eindruck hinterlassen.

„Das ist eine lange Geschichte, aber ich bin schon ein paar Mal umgezogen und auch dieses Mal weiß ich nicht, wie lange ich hier bleiben werde. Mal sehen, wenn es dumm läuft, könnte ich morgen schon wieder wo anders sein."

Dylan sah mich interessiert, aber auch leicht verwirrt an. „Das hat jetzt mein Interesse geweckt. Ich schlage vor, dass du dich in der Mittagspause zu mir setzt, dann kannst du mir ein bisschen was von deiner Herkunft erzählen. Ich will etwas von der mysteriösen May erfahren, die anscheinend schon an vielen Orten gewesen ist."

Ich kicherte. Mysteriös. Genau, ich war eigentlich eher das komplette Gegenteil davon, das würde er schon noch merken. Und außerdem hatte ich nicht wirklich vor, ihm meine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen, da das ziemlich privat war, ich ihn nicht kannte und ich darauf außerdem nicht wirklich stolz war.

„Du kannst dich in der Mittagspause mit zu Thomas und mir setzen. Ich habe ihm schon versprochen, dass ich ihm Gesellschaft leisten werde. Er wird ziemlich erstaunt sein, dass ich an meinem ersten Tag schon Kontakt zu jemandem gefunden habe."

„Moment mal, Thomas Carter? Dessen Väter schwul sind. Sein leiblicher Vater Dave hat sich ja von seiner Frau getrennt, um mit seinem jetzigen Mann zusammenzukommen. Das muss für Thomas damals sehr hart gewesen sein."

Ich schluckte. Das wusste ich nicht und das musste wohl auch wirklich hart für ihn gewesen sein. Wobei ich nicht gerade das Gefühl hatte, dass er sich in seiner jetzigen Familie unwohl fühlen würde.

„Ja, diese Familie ist meine Pflegefamilie. Und ja, auch wenn Dave und John schwul sind, sind sie dennoch sehr freundlich und herzlich zu ihrer Familie. Ich denke, ich werde gut mit ihnen zurecht kommen. Und wenn du ein Problem damit hast, dass sie schwul sind, weiß ich leider nicht, ob das so eine gute Idee ist, dass wir in der Mensa beieinander sitzen."

Das musste gesessen haben, denn Dylan sah mich nun ziemlich betreten an. „So hatte ich das nicht gemeint, May und es tut mir leid. Ich würde wahnsinnig gerne die Pause mit dir verbringen, wenn du das noch möchtest."

Ich sah zu unserer Biologielehrerin, die uns einen warnenden Blick zuwarf, dass wir nun lieber den Mund halten sollten, wenn wir keine Probleme bekommen wollten. Also nickte ich Dylan nur zu, um ihm somit eine Antwort zu geben.

***

Die Mensa war sehr überfüllt und ich war sehr froh, dass Thomas den Tisch freigehalten hatte, denn sonst wäre ich mir nicht sicher gewesen, ob ich überhaupt einen Platz gefunden hätte.

Ich sagte Thomas Bescheid, dass Dylan sich auch zu uns setzen würde und er nickte, obwohl es ihm wohl nicht so gut zu gefallen schien. Vielleicht hatten die beiden schon eine Vergangenheit, durch die sie nicht so gut aufeinander zu sprechen waren.

Wir holten uns erst alle etwas zum Essen und Dylan wollte gerade anfangen, mich auzufragen, als eine weitere Person zu Thomas' Gruppe sties. Es war ein Mädchen, das mit Thomas wohl noch besser befreundet zu sein schien, als es bei den anderen der Fall war. Eine Sekunde später war mir dann auch schon klar, warum.

„Hey Babe", murmelte sie zur Begrüßung und beugte sich nach unten, um Thomas zur Begrüßung zu küssen. Der Duft des Shampoos, das sie für ihre braunen Haare benutzte, wehte bis zu mir herüber. Sie warf mir einen Blick zu, den ich nicht wirklich deuten konnte.

„Ich bin Sarah und wer bist du?", wandte sie sich an mich. „Ähh, ich bin May und neu hier." Doch sie schien mir gar nicht wirklich zuzuhören, denn sie warf Dylan schon einen bösen Blick zu. „Dylan." „Sarah", antwortete dieser nur. Daraufhin tat sie wieder so, als wäre nichts passiert und wandte sich Thomas zu. Ich sah schnell weg, denn das war sicherlich nicht für meine Augen bestimmt.

Ich urteilte eigentlich nicht so schnell über Leute, doch ich wusste, dass ich diese Sarah schon jetzt nicht leiden konnte.

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt