Kapitel 9

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Ich starrte ihn anfangs völlig perplex an, denn ich verstand nicht, wie er jetzt auf einmal mich beschuldigen konnte. Weniger als ich konnte man eigentlich nicht damit zu tun haben.

Hätte ich mir eigentlich schon denken können, dass spätestens jetzt, wenn es mal brenzlig werden würde, jeder nur noch an meine Akte denken würde und dann schlussfolgern würde, dass es schließlich nicht das erste mal für mich sein würde, dass ich so etwas tun würde.

Wow, vielen Dank Welt und an alle Menschen, die mir immer so sehr vertrauen!

„Ich sage es dir jetzt einmal normal, Thomas. Ich war zwar in deinem Zimmer und habe mir dein Werk durchgelesen, doch von dem, warum du mich jetzt hier hergebracht hast, habe ich rein gar nichts zu tun. Ich habe gestern schon nach dem Lesen bemerkt, dass etwas komisch ist und du Benachrichtigungen wegen des Werkes bekommst, doch ich dachte mir, dass du es dir wahrscheinlich anders überlegt hättest. Klar, dass wäre ziemlich unwahrscheinlich, doch ich traute mich nicht, dich darauf anzusprechen. Denn sonst würde es jetzt heißen, dass ich in den Privatangelegenheiten anderer Leute herumschnüffeln würde."

Thomas war immer noch rot vor Wut. Ich wusste nicht, ob er mir überhaupt zugehört hatte oder ob er mir glauben würfe. Der momentanen Situation nach zu urteilen, sah es eher weniger danach aus.

Thomas kam mir immer näher und bohrte mir nun seinen Zeigefinger in die Schulter. „May, ich habe dir wirklich eine Chance gegeben und habe mir gedacht, dass du dich in unserer Familie von deiner besten Seite zeigen würdest. Ich war bereit, daran zu arbeiten, dich vielleicht irgendwann als meine Schwester anzusehen und mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass meine Väter dich behalten werden und dich adoptieren würden. Doch mit diesem Verhalten hast du echt alles versaut, ich hoffe, das ist dir bewusst. Es ist keine gute Ausrede, was du da gerade gebracht hast. Außer uns ist schließlich niemand am Computer gewesen und ich leide an keiner psychischen Störung, dass ich Sachen tue, an die ich mich dann nicht mehr erinnere."

Ich war echt wahnsinnig enttäuscht von ihm, dass er mir keinen Glauben schenkte. Ich wurde nun auch wütend, schrecklich wütend. Was würde es jetzt noch bringen, freundlich zu bleiben? Er hatte nun seine Meinung über mich und wenn ich nicht das Gegenteil beweisen könnte, würde sich daran auch nichts ändern.

„Ach ja, Thomas. Dann denke doch mal ein bisschen besser nach. Es war sehr wohl noch jemand in deinem Zimmer. Und zwar deine reizende Freundin. Du magst ihr so etwas vielleicht nicht zutrauen, doch ich denke, dass sie in solchen Angelegenheiten skrupellos ist. Ich habe dir doch gesagt, dass sie mich nicht leiden kann und so kann sie mir das perfekt in die Schuhe schieben und mich schnell loswerden, bevor ich dich zu gut kennenlerne."

Das schien Thomas jetzt erst richtig wütend zu machen. Ich hätte wohl nichts gegen seine ach so heilige Freundin sagen dürfen, denn nun schlug er mit seiner Faust rechts und links neben meinem Gesicht gegen die Wand.

„Wehe, du sagst noch einmal etwas gegen Sarah. Sie ist der freundlichste Mensch auf der Welt, sie ist herzensgut und würde so etwas niemals tun. Aber das kannst du natürlich nicht wissen, du bist ja schließlich erst vor kurzer Zeit wie ein Eindringling in unsere Familie gekommen, denkst wahrscheinlich auch noch, dass ich mich total für dich interessieren würde und nutzt auch gleich die Gelegenheit, um meine Freundin von mir loszubringen. Ich warne dich. Du kannst gestehen oder ich kann dafür sorgen, dass du unsere Familie so schnell wieder verlässt, dass du deinen Augen nicht traust. Das wird deiner Akte übrigens auch nicht gerade gut tun und dann wünsche ich dir viel Spaß, eine neue Familie zu finden, die dich aufnehmen will!"

Mir traten die Tränen in die Augen und ich musste ein Schluchzen unterdrücken. Das tat weh. Normalerweise dachte ich, dass ich ziemlich abgebrüht wäre, durch all das, was ich schon durchgemacht hatte, doch Thomas' Worte hatten mich nun ziemlich tief getroffen.

Ich hatte wirklich gedacht, dass ich in ihm einen Freund finden könnte. Er hatte mich als die Person angesehen, die ich war und wir hatten so viele gemeinsame Interessen geteilt. Doch das alles spielte nun keine Rolle mehr.

Wüten schlug ich Thomas' Arm weg und machte mich auf den Weg, das Klassenzimmer zu verlassen. Thomas konnte mich grade mal! Ich war dabei, Vertrauen aufzubauen, nach all den Jahren einen einzigen Menschen zu finden, vor dem ich nicht ständig auf der Hut sein musste, doch dann geschah so etwas. Ich betete innerlich, dass Sarah etwas Schlimmes passieren möge und Thomas sich von ihr trennen würde. Ich wollte gar nicht wissen, was sie noch alles anstellen würde.

Als ich auf dem Flur war, wollte ich mich so schnell wie möglich zurückziehen, um mich zu beruhigen und wieder zu klarem Verstand zu kommen, als ich am Handgelenk gepackt wurde, mal wieder. „May, was ist denn los? ich habe Thomas und dich in dem Klassenzimmer verschwinden sehen und dann nur noch gehört, wie Thomas dich angebrüllt hat! Was ist denn in ihn gefahren?" Ich war einerseits erleichtert, dass Dylan hier war und ich nicht völlig alleine auf mich gestellt war, doch auf der anderen Seite hatte ich jetzt keine Zeit, ihm alles zu erklären. Das spielte jetzt keine Rolle.

„Dylan, es tut mir leid, aber ich kann jetzt nicht. Ich muss etwas erledigen!" Ich ließ ihn einfach stehen und machte mich wieder auf den Weg in die Mensa. Die Wut steuerte mich und ich konnte mich nur noch darauf konzentrieren, Sarah zu finden und sie zur Rede zu stellen.

Als ich sie immer noch an demselben Tisch sitzen sah, betätigte ich schnell an meinem Handy die Funktion für Sprachaufzeichnungen. Ich würde nun versuchen, sie zur Rede zu stellen. Ihrer Arroganz würde ich nun sogar noch zutrauen, dass sie alles gesehen würde und mich dann auslachen würde, dass Thomas ihr auf jeden Fall eher glauben würde als mir. Das stimmte zwar, doch ich musste die Wahrheit wissen. Und ich musste einen Beweis haben, für den Fall der Fälle.

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt