Kapitel 18

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Ich fühlte mich augenblicklich hundeelend. Dylan hatte ich die ganze Zeit über aus dem Weg gehen wollen und nun konnte ich nicht mehr ausweichen.

Ich war mir sicher, dass Dylan nicht mehr verschwinden würde. Er wollte so lange schon mit mir reden und es hatte schließlich immer nur an mir gelegen, dass das Gespräch bisher noch nicht stattgefunden hatte.

Nun war ich hier und konnte nicht ausweichen.

Deswegen ließ ich schnell von Thomas ab und löste mich aus der Umarmung. „Ich muss ganz kurz mal etwas abklären. Fang am besten einfach schon mal damit an, die Enten zu füttern, denn ich weiß nicht, wie lange ich nun brauchen werde."

„Ähm okay", gab Thomas ziemlich verwirrt von sich. Das bestätigte meine Vermutung, dass er Dylan nicht gesehen hatte und deswegen auch nicht wusste, was ich damit gerade meinte.

Ich traute mich nun endlich wieder, den Blick zu heben und in Dylans Richtung zu blicken. Er starrte mich immer noch an und sah dabei wirklich nicht gerade erfreut aus.

Schnell lief ich auf ihn zu. „Hey", gab ich leise von mir. Mann, darauf hatte ich jetzt aber gar keine Lust ...

„Hey May, dachte ich mir eigentlich schon, dass ich dich hier mit Thomas finden würde. Hör zu, wahrscheinlich hast du jetzt nicht wirklich so große Lust darauf, aber können wir bitte einfach kurz reden? Wir schieben das jetzt schon so lange vor uns hin. Und ich mache mir deswegen so viele Gedanken, dass ich da einfach nicht mehr dran denken will."

„Ja, du hast vermutlich recht. Ich muss zugeben, dass ich dir immer ausgewichen bin, weil ich Angst vor diesem Gespräch hatte. Aber ich weiß jetzt auch, dass wir darüber reden müssen und es nichts bringt, dir aus dem Weg zu gehen. Tut mir echt leid."

Ich sah bedröppelt zu Boden. Dylan hatte es wirklich geschafft, mein schlechtes Gewissen noch zu verstärken.

Ich lief neben ihm her ein Stück von Thomas weg, wo wir uns dann schließlich auf eine Bank setzten.

„Also, Thomas und du ...", sprach Dylan direkt das Thema ohne Skrupel an. Mir wurde augenblicklich mulmig zu Mute. „Was soll denn mit uns sein, Dylan? Du hast mitbekommen, dass wir uns nun vertragen haben und nun beinahe schon wie Bruder und Schwester sind. Wir mögen es einfach, Zeit zu verbringen. Er ist eine komplett neue Familie für mich, so etwas hatte ich noch nie wirklich gehabt. Deswegen habe ich ja schließlich auch so großen Nachholbedarf, das musst du doch verstehen. Ich gebe zu, ich habe unsere Beziehung wahnsinnig schleifen lassen und das tut mir so leid. Ich werde mich wieder mehr auf uns fokussieren, denn ich will dich nicht verlieren."

Dylans Blick verriet mir allerdings nicht, dass er beruhigt war, er sah eher zutiefst traurig aus. Hatte er es mir nicht geglaubt, dass ich mit ihm zusammen bleiben wollte? Ich hatte für mich entschieden, dass das, was ich für Thomas empfand, nicht richtig sein durfte und Dylan schließlich als mein Freund immer für mich da gewesen war. Ich konnte ihn nicht einfach verlassen. Das konnte ich ihm nicht antun. Und außerdem war die Zeit mit ihm ja auch immer sehr schön gewesen.

„May, selbst wenn du mich nicht anlügst, belügst du da gerade dich selbst. Ich kenne dich und ich weiß, dass du mich liebst. Doch du bist nicht mehr verliebt in mich. Du bist viel zu nett, als dass du mich verlassen würdest, denn du willst nicht, dass es mir schlecht geht, wenn du mit Thomas zusammenkommst. Ich als dein Freund muss aber auch darauf achten, dass es meiner Freundin gut geht. Und ich weiß, dass du in Thomas verliebt bist. Ich bin nicht blind und ich weiß auch, dass du denkst, dass deine Gefühle falsch sind, weil er so etwas wie dein Bruder ist, doch du kannst sie einfach nicht abstellen. Genau so geht es mir mit dir. Ich bin so verliebt in dich, dass es mir zwar das Herz bricht, dich gehen zu lassen, doch es würde nie wieder heilen, wenn ich dich an dem hindern würde, was du wirklich willst. Das ist wahre Liebe, May. Und ich liebe dich, deswegen werde ich dich gehen lassen."

Ich starrte ihn völlig perplex an. Ich wusste nicht, wie ich nun reagieren sollte. Ich hatte damit niemals gerechnet. Ich hätte entweder gedacht, dass er mich wütend anbrüllen würde und alles daran legen würde, dass wir wieder zusammen kommen würden oder er einfach schnell mit mir schluss gemacht hätte, weil er meine Art nicht mehr etragen könnte.

Doch das, was er nun getan hatte. Damit kam ich einfach nicht zurecht. Ich sah erst, dass ihm Tränen in den Augenwinkeln schimmerten und deswegen musste ich jetzt auch losweinen. Ich würde so gerne sagen können, dass er völlig falsch liegen würde und ihm versichern, dass ich immer nur ihn gewollt hatte, doch wir beide wussten, dass das einfach nicht stimmte.

„Es tut mir so leid. Ich hatte das niemals geplant. Ich hatte Pläne für unsere Zukunft. Ich wollte mein Leben mit dir verbringen. Ich weiß nicht, was passiert ist, Dylan. Mein Herz hasst mich einfach. Ich will dich, doch mein Herz folgt nicht meinem Kopf. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nur, dass ich dich liebe und immer lieben werde und dass du immer ein so wahnsinnig großer Teil meines Lebens sein wirst."

Ich legte meine Hand in seinen Nacken und fuhr danach durch sein dunkles Haar. Ich sah, dass er wirklich stark weinte, so stark hatte ich ihn noch nie weinen sehen. Es schmerzte in meinem Herz, denn ich wollte keinen Schlussstrich ziehen. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, dass das Wir, wie ich es kannte, nie wieder zurückkommen würde.

Ich beugte mich ein letztes Mal zu ihm nach vorne und küsste ihn. Ich legte meinen ganzen Kummer in diesen Kuss. Ich schmeckte dabei das Salz von Dylans Tränen und spürte, wie er den Kuss voller Leidenschaft erwiderte und sich dabei wie ein Ertrinkender an mich klammerte. Als wäre ich sein Anker, der alles Unheil vertreiben konnte.

„Lebe wohl, Dylan", wisperte ich, bevor ich aufstand.

Ich würde ihn zwar jeden Tag in der Schule wiedersehen, doch ab sofort würden wir nicht mehr Dylan und May sein. Das war Geschichte.

New Girl [Thomas Sangster FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt