Tick. Tack. Tick. Tack. Tick. Tack...
Ich hätte nie gedacht dass, das Ticken einer Uhr so beruhigend sein konnte und einen gleichzeitig so in den Wahnsinn treiben konnte. In den letzten zwei Tage fielen ihm immer wieder neue Arten mich zu malträtieren ein. Seine niederträchtigste neue Regel war es, mich wie ein Hund aus Näpfen essen und trinken zulassen, zudem durfte ich mich auch nur noch auf Händen und Knien in der Wohnung fortbewegen. Auch trieb es mich in den Wahnsinn, dass er immer wieder zärtlich anfing, mich zu berühren, nur um dann doch auszurasten, weil ich nichts von alldem erwiderte. Ich blieb einfach stumm. Ich ließ einfach alles stumm über mich ergehen. Den, wenn nicht hatte ich die Angst, dass er seine Drohung war machte und meiner Mutter die Maschinen abstellte.
Ich wusste es war lächerlich zu hoffen, dass sie noch mal erwachte. Und doch konnte ich diese Hoffnung nicht unterdrücken. So tun als hätte ich sie nicht, diese Hoffnung. Denn gäbe ich die Hoffnung auf, gäbe ich meine Ma auf und das alles hier, die ganzen Jahre voller Schmerz, Leid, Folter und vergossener Tränen wären umsonst. Gleichzeitig fragte ich mich dennoch genauso oft, ob ich überhaupt noch kämpfen wollte. Ob ein Zusammen im Tod nicht einfacher wäre, als ein Kämpfen im Leben. Ich könnte ihn die Maschinen abstellen lassen und mich entweder selbst beseitigen oder es ihm überlassen, um bei ihr zu sein. Ich und meine Ma wären zusammen. An einem Ort ohne Schmerz und Leid.
Doch ich konnte es nicht. Ich wusste dafür einfach zu viel, zu viele Dinge, die in diesem Leben schön sein könnten. Und ich wollte, dass sie es sehen konnte. Ob für kurz oder lang, ob viel oder wenig jener Dinge spielte keine Rolle für mich. Eine Sache, beispielsweise ein Regenbogen über der aufgehenden Sonne, würde genügen. Sie hätte eine Sache, mit der sie vielleicht in Frieden, mit einem Lächeln, die irdische Welt hinter sich lassen könnte. Ich konnte einfach nur hoffen. Hoffen das all die Jahre wirklich nicht umsonst waren, dass das alles hier einen Sinn hatte. Noch einige Schläge des Sekundenzeigers und ich döste weg und fiel in einen seltenen, traumlosen Schlaf. Die letzten zwei Nächte bekam ich kein Auge zu und tagsüber so oder so nicht, denn da war er wach und machte mir das Leben zur Hölle. Vermutlich schlief ich deswegen einige Stunden ohne Albträume, weil ich aus purer Übermüdung einschlief.
Meine Ohren klingelten, ich hatte wohl doch nicht so gut geschlafen. Gequält zog ich mir das Kissen über die Ohren, in der Hoffnung dieses furchtbare Geräusch nahm ein Ende. Neben mir bewegte sich mich Vater unter seiner Bettdecke und fluchte murmelnd vor sich hin. In diesem Moment begriff ich erst, dass es unsere Haustürklingel war, die geläutet hatte. Seit wann klingelte jemand bei uns? Hatte mein Vater sich etwas bestellt?
Neugierig tappste ich ihm nach und blieb an der Wand gespannt und mit gespitzten Ohren stehen.
„Guten Tag, ich würde gerne zu Dylan, ihm den verpassten Stoff der Schule bringen."
Ich kannte diese Stimme. Ich kannte sie. Das Gefühl vom Blitz getroffen worden zu sein und die Ungläubigkeit, dass ich vielleicht immer noch träumte, bewegten mich wie in Trance näher zur Tür. Ich stand genau hinter meinem Vater, mein Glück, sonst hätte er gesehen, was ich tragen musste. Lederbänder die gewissen Zonen umrahmen sollten und sonst nichts. Na gut vielleicht sah er etwas an meinem Oberkörper, da ich mich zur Seite beugte, um etwas sehen zu können. Meine Ohren hatten mich nicht getäuscht. Vor mir stand Collin. Ich dachte, ich müsste in Ohnmacht fallen.
„Er bekommt alles von der Schule zu gestellt und jetzt verschwinde und komm nie wieder. Ich will dich hier nie wieder sehen", knurrte mein Vater möglichst in einem normalen Ton, was ihn auch seine gesamte Selbstbeherrschung kostete.
Unbeeindruckt von meinem Vater, lächelte Collin mich an und fragte nebenbei einfach mal, wie es mir ging und wann ich denn wieder in die Schule käme. Ich schluckte, schwitzte und wollte nun wirklich in Ohnmacht fallen. Panik befiel mich. Was würde er mit mir machen, wenn die Tür gleich geschlossen wird. Ich schluckte nochmals. Collin konnte ja nicht ahnen, was er damit anrichtete und was hier hinter geschlossenen Türen geschah. Er konnte nicht wissen, dass diese Frage, diese ganz normale, kleine Frage, mir Stunden der Qualen, wenn nicht sogar Tage der Qualen schenkte.
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Dunkelheit und Licht
RomanceDylan Balflour ist 17 Jahre alt und hat es alles andere als leicht. Dank seinem Vater durchlebt er die gefühlte Hölle, doch interessiert es diesen gar nicht. Er schwört sich irgendwann genau alldem zu entfliehen und sein Leben zu leben. Doch bis jet...