Kapitel 19: Zwielichtige Gestalten

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Ich zog mich circa fünf mal um, bis ich es für sinnlos hielt, da mir nichts wirklich passend vorkam. Auch für meine Haare brauchte ich eine halbe Ewigkeit. Vermutlich war es mehr ein Versuch, Zeit zu schinden, als wirklich das Problem, das mir nichts richtig gefiel. Ich hasste es und ich hasste mich. Ich war so ein verdammter Feigling und auch verdammt erbärmlich. Je öfter ich mir vornahm endlich etwas zu ändern, desto tiefer verkroch ich mich ein Loch. Ein Loch aus dem ich alleine nicht mehr raus kam. Mir war unendlich schlecht, ich spürte jetzt schon die Blicke der ganzen Leute auf mir, obwohl wir noch gar nicht im Restaurant oder draußen waren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das durchhalten sollte, ohne Collin zu blamieren. Er hatte es doch so verdient, dass ich mich dankbar zeige und eigentlich ist es nicht mal viel verlangt, dass ich mit ihm essen gehe. Im Gegenteil, er zahlt ja auch noch alles und lädt mich praktisch ein, also ist es eigentlich nur noch ein Grund mehr, für den ich dankbar sein sollte. Ich atmete noch einige Mal tief ein und aus und drehte mich zur Tür. Ich wünschte, ich könnte diese beschissene Panik einfach abschütteln oder einfach zu unterdrücken, aber es klappte nicht. Mit der zitternden Hand über der Türklinke hielt ich noch mal inne. Mein größter Feind war ich selbst. Es konnte doch nicht so schwer sein, so eine kleine Bitte zu erfüllen. Ich musste mich zusammenreißen. Noch ein tiefer Atemzug und ich riss die Tür mit einem Ruck auf, bevor mich der Mut doch wieder verließ. Collin schreckte auf und sah mich verwirrt, sowie überrascht an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich die Tür aufreißen würde, statt den Raum wie ein normaler Mensch verlassen würde. Doch ich war nicht nromal. Ich war kaputt und einfach erbärmlich.

„Ich wäre glaube ich soweit.", flüsterte ich mehr, als ich es sagte. Collin schien dies aber nicht zu stören, denn der grinste mich freudestrahlend an und warf sich von der Wand ab, an der er bis eben lehnte. Noch bevor wie losgingen, schaute er mich noch mal prüfend an und überraschte mich mit einem gehauchten Danke.

In der Haustür blieb ich noch mal stehen, schaute verängstigt in den Hausflur und nach draußen. Nun war ich mir absolut nicht mehr sicher, dass ich das schaffen würde. Ich hatte das Gefühl an der frischen Luft zu ersticken. Collin aber wartete in aller Seelenruhe, bis ich wieder vorsichtig weiter ging. Vermutlich wäre er ohne mich zehnmal schneller. Immer wieder blieb ich stehen, um tief durchzuatmen, da ich bei jedem Schritt, das Gefühl weniger Luft zu bekommen. Ich hoffte das, das Restaurant nicht allzu weit weg war. Im Wohnbezirk waren wenige Leute unterwegs, sodass ich im Notfall, ohne Probleme den Bürgersteig wechseln konnte, da eine Seite immer frei war. Trotzdem fiel mir jeder Schritt schwer und je mehr wir Richtung Stadt gingen, desto größer wurde der Fußgängerbetrieb. Ich bekam Schweißausbrüche und wurde mit jedem Schritt nervöser. Ich hatte wirklich das Gefühl alle starrten mich an und konnte mir ansehen, was passiert war. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Gedanke, dass man sich vor mir ekeln müsste, berechtigt war. Immer wieder blieb ich stehen, entweder um Luft zu holen oder um Collin panisch am Shirt zu packen und die Augen zu zupressen, während eine Menschentraube an uns vorbei lief. Collin wartete jedes einzelne Mal und lächelte mich dabei fürsorglich an. Ihm schien es wirklich nicht zu stören, dass es mit mir so schwer war, außerhalb der Wohnung und im Allgemeinen. Als der Bürgersteig endlich etwas breiter wurde, ging Collin neben mir und nicht mehr vor mir. Es beruhigte mich ein wenig, dass Collin neben mir ging. Nach einigen Minuten kamen einige Jugendliche auf uns zu, reflexartig klammerte ich mich an Collin's Arm und blieb stehen. Behutsam zog Collin mich an sich, hielt mich fest und machte den Jugendlichen Platz. Als sie an uns vorbei gelaufen waren, atmete ich erleichtert aus und wunderte mich darüber, dass ich in Collin's Armen nicht in Panik verfallen war. Im Gegenteil, es hat sich unglaublich gut angefühlt. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich mich geborgen gefühlt. Zumindest glaubte ich, dass sich Geborgenheit so anfühlen musste, war mir aber auch nicht sicher. Vielleicht war die Panik vor den Jugendlichen einfach größer als die vor Collin's Berührungen. Allerdings lies Collin meinen Arm nicht los, sondern ging einfach weiter. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, sollte ich meinen Arm einfach wegziehen oder so weiter gehen. Unangenehm fühlte es sich eigentlich nicht, aber ich hatte auch das Gefühl, dass wir deswegen noch mehr angestarrt wurden wie vorher. Unsicher blickte ich durch die Gegend, als mir zwei Personen ins Auge fielen. Es war untypisch solche Personen in der Stadt zusehen, die meisten lassen sich durch die Gegend fahren und gehen nicht zu Fuß zu ihren Terminen. Der eine Mann war ein etwas kleinerer, dickerer Mann im protzigen Anzug. Er hatte eine Ausstrahlung an sich, wo das Wort Arroganz schon untertrieben scheint. Der zweite Mann sah aus wie sein Bodyguard. Er war riesig, hatte breite Schultern, eine Glatze und war braun gebrannt. Sein Anzug war schlicht schwarz, wie für Bodyguards üblich, so wie seine Sonnenbrille. Plötzlich sah mir dieser Mann direkt in die Augen und ich starrte sofort zu Boden. Ich konnte zwar seine Augen durch die Sonnenbrille nicht sehen, aber ich hatte ganz deutlich das Gefühl, das er mich direkt ansah.

Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt