Kapitel 17: Gelähmt

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Die Sonne schien am nächsten Morgen unerträglich hell ins Zimmer und ich zog mir die Bettdecke über den Kopf. Ich war einfach nicht bereit aufzustehen. Ich wollte nie mehr aufstehen oder die Augen öffnen, denn wenn ich die Augen öffnete, wurde alles endgültig Real. All die vergangenen Tage und ihre schrecklichen Momente würden Real. Denn sobald ich jetzt die Augen öffnete, konnte ich mir nicht mehr einreden, dass alles vielleicht doch nur ein Traum war. Ein furchtbarer Traum, aber eben nur ein Traum. Ich hatte einfach Angst, Angst vor dem, was sich nun ändern würde.

Ich wusste ja nicht einmal, wo ich nun leben sollte. Würde ich jemals mein Eigentum, meine Klamotten und meine Bücher wieder bekommen?

Fünf Tage waren es nun, die ich hier war. Fünf Tage, in denen der Schmerz mit jeder Sekunde gewachsen war. Fünf Tage, in der sich die Realität immer weiter in meine Venen fraß, in meine Seele. Fünf Tage, in denen ich einfach nur da lag. Fünf Tage, in denen ich kaum etwas getrunken und nichts gegessen hatte. Fünf Tage des Schweigens. Ich konnte das Geschehene bisher einfach nicht verarbeiten. Zwar hatte ich meine Sachen nun wieder, Collin hatte es geschafft diese wie auch immer zu holen, aber dennoch wusste ich nicht, wie ich weiter leben sollte. Ich hatte das Bedürfnis einfach einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen und gleichzeitig wollte ich mit jeder Faser meines Körpers leben. Ich wollte lernen das Leben zu genießen. Und sobald ich daran dachte, überrollte mich eine Welle der Schuld. Ich hatte versagt. Ich hatte einfach nur versagt. Ich hatte meine Mutter nicht beschützen können. Ich war schuld, dass sie Tod ist. Ich ganz allein.

Collin kam in den fünf Tagen jeden Tag mehrmals nach mir sehen, versuchte mich zum Essen sowie zum Reden zu motivieren und bedankte sich sogar, wenn ich wenigstens etwas getrunken hatte, aber ging dann auch wieder. Heute war er aber anders und das störte mich immens. Seid er heute Morgen mit Pfannenkuchen und Orangensaft zu mir kam, war er geblieben. Nachdenklich saß er im Sessel vor mir und wir starrten uns einfach nur unnötig an. Er hatte ja gemeint, er geht nicht, ehe ich nicht wenigstens einen Pfannenkuchen gegessen habe. Ebenso hatte er gedroht, dass er Dr. Duken veranlassen würde, mich intravenös zu ernähren, wenn ich nicht von selber aß. Na ja die Pfannenkuchen waren mittlerweile kalt und nach 2 Stunden war es ihm immer noch nicht langweilig geworden, mich anzustarren. Doch ich konnte nichts essen. Das Trinken schmeckte nach nichts und ekelte mich schon an, aber essen. Schon bei der Vorstellung drehte sich mir der Magen um. Irgendwann schlief ich ein. Das Einzige, dass ich die letzten fünf Tage geschafft hatte. Als ich das nächste Mal wach wurde, roch ich schon das Mittagessen. Es roch einfach köstlich und ich wusste nicht, ob mein Magen vor Ekel oder Hunger schmerzte. Mühsam setzte ich mich auf und rieb mir durchs Gesicht und ließ die Arme direkt wieder fallen. Ich stank wie ein Büffel, ich sollte wirklich duschen gehen, aber ich hatte einfach keine Kraft dafür. Ich hatte das Gefühl, das ich stehen geblieben war, während die Welt sich mit 10 – Facher Geschwindigkeit weiter drehte. Nach einer Weile kam Collin ins Zimmer hinein, mit einem Tablett, auf dem ein Teller Lasagne und ein Glas Wasser waren.

„Bitte ess endlich etwas, auch wenn es nur zwei Gabeln sind. Ich weiß langsam nicht mehr was ich noch machen soll. Willst du wirklich intravenös ernährt werden?", mit flehendem Ton, bettelte er schon darum, dass ich etwas aß. Ich hob den Kopf und sah ihn das erste Mal nach fünf Tagen direkt an. Ich war geschockt. Er hatte riesige Augenringe und Tränen glitzerten in seinen Augen. Ich schluckte. Das war meine Schuld. Panisch nahm ich den Teller und versuchte etwas zu essen. Ich musste aufpassen, dass nicht bei jedem Bissen, der Bissen zuvor wieder hochkam. Mehr als 5 Gabeln packte ich dann aber doch nicht. Nach fünf Tagen, war das erste Wort das meine Lippen verließ ein gehauchtes „Entschuldigung". Collin sah mich verdutzt an und ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich etwas gegessen hatte oder ob er die Entschuldigung gehört hatte. Stumm stellte er das Tablett auf Seite und sah mich nachdenklich an.

Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt