Kapitel 21: Stillstand

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Die Sonne schien erbarmungslos ins Wohnzimmer. Ich zog mir direkt die Decke über dieAugen. Es war einfach viel zu Hell und vermutlich auch einfach viel zu früh. Die letzten Tagehatten mich nervlich doch sehr geschlaucht und ich war jetzt einfach nicht bereitaufzustehen. Das Problem war nur, das das Wohnzimmer und die offene Wohnküche keineRollläden besaßen und ich somit das ungeliebte Sonnenlicht nicht aus den Räumenausschließen konnte. Seufzend und als wäre ich schon Steinalt quälte ich mich auf. Obscheintot auf der Couch sitzen wirklich eine Verbesserung zu scheintot auf der Couch liegenwar, war fraglich. Ich brauchte jetzt erst Mal einen schönen, eiskalten Kakao. Kakao ist gutfür die Seele und war ein angemessener Ersatz für ein Frühstück. Beim Aufstehen von derCouch kam ich mir endgültig wie ein steinalter Mann vor, weil ein knacken meiner Knochendurch meinen gesamten Körper fuhr. Ich schaute auf die Uhr am Herd, es war definitiv zufrüh, wenn man bedachte das ich eigentlich hätte ausschlafen können. Es war erst 7 Uhr 21und ich hatte das Gefühl ich könnte mein Testament unterschreiben. Als ich die Milch imKühlschrank beschnüffelte und dann doch unsicher probierte, überfiel mich eineübertriebene Erleichterung, als ich feststellen konnte, dass die Milch nicht umgeschlagenwar. Dafür das es in der Theorie nur um Milch ging, war die Erleichterung über den Zustandder Milch doch lachhaft, aber ich brauchte diese Tasse Kakao wirklich. Ich suchte mir diegrößte Tasse, die ich finden konnte, damit sich der Kakao auch lohnte. Und den erstenSchluck genehmigte ich mir noch bevor ich zurück zur Couch ging. Ich fühlte mich auchgleich viel wacher. Gelangweilt nippte ich am Kakao und schaltete durch dieFernsehprogramme. Nach dem ich einmal durch alle Programme geschaltet hatte, ließ icheinfach irgendeines an, denn es lief überall nur Mist. Es war schon verrückt. Ich durfte nieFernsehen, hatte keinen eigenen, geschweige denn Konsolen oder ein Smartphone, aberjetzt wo ich endlich Zugang zu all dem hatte, interessierte es mich einfach nicht. ImGegenteil es kotzte mich sogar an. All diese überspitzten Liebesgeschichte, wo der kleinsteStreit schon ein riesengroßes Drama war und alles so abartig unrealistisch dargestelltwurde. Genauso schlimm waren diese ganzen Serien wo die Menschen sich anscheinendfreiwillig vor der ganzen Welt zum Affen machten und sich selbst vorführten. Seufzendschaltete ich den Fernseher auch wieder aus, da mich was auch immer dort lief letztendlicheinfach nervte. Da ich einfach nichts besseres mit mir anzufangen wusste, begab ich michzurück zum Tisch und sammelte all meine Kraft, um endlich diese dämliche Anzeige zuschreiben. Aber natürlich war auch dieser Versuch lächerlich und ohne nennenswertesErgebnis. Seufzend warf ich den Kopf in den Nacken und rieb mir entnervt das Gesicht. Ichkonnte mich selbst nicht verstehen. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum es mir soschwer fiel, den Mann der mir das Leben Jahre lang zur Hölle gemacht hatte, anzuzeigen. 

Nachdem ich wieder eine leichte Panikattacke überstanden hatte, lief ich seit einer Stundeim Wohnzimmer auf und ab. Fakt war, ich musste etwas ändern. Auch wenn ich jetzt nichtmehr unter den zwängen meines Stiefvaters leiden musste, schien es als wäre mein Lebenin einen Stillstand geraten. Nichts bewegte sich, weder vor noch zurück, und ich geriet in soetwas wie einen Alltagstrott. Vor allem, wenn ich Collin endlich entlasten wollte und dafürsorgen das er sein eigenes Leben wieder bekam, musste ich dringend etwas ändern, egalwie. Aber da war auch noch die Sache mit diesen ominösen Typen, über die ich unbedingtmit Collin reden musste. Vielleicht würde er mich ja gar nicht rauswerfen, wenn ich es ihmerzählte, denn im Grunde war das ja nicht meine Absicht. Ich wollte ihm keine Problememachen und ich hatte ja auch irgendwie versucht die Situation zu entschärfen. Nur ob mirdies gelungen war, das wusste ich nicht. Irgendwie hatte ich trotz allem was passiert war,immer noch ein bisschen Hoffnung. Auch wenn jeder Gedanke an meine Mutter zu sehrschmerzte, sie hätte bestimmt nicht gewollt, dass ich ein Leben im Stillstand verbringe.Vielleicht würde ich es ja doch noch schaffen meinen Stiefvater anzuzeigen. Vielleicht wennich es erzählte statt aufschrieb, wenn Collin dabei wäre. Vielleicht würde und konnte er mirdabei helfen. Vielleicht war er meine neue Hoffnung. Bei dem Gedanken, das Collin meineneue Hoffnung sein könnte, wurde mir ganz seltsam in der Magengegend. Aber es war keinunangenehmes Gefühl, beschreiben konnte ich es aber auch nicht. Ob Collin noch zuhausewar? 

Mit neuem Mut, wo auch immer der herkam, ging ich auf sein Schlafzimmer zu und hielt dortdirekt wieder inne. Unschlüssig ob ich klopfen sollte oder nicht, war meine Hand schnellerals mein Kopf. Ich erschrak von dem Geräusch das meine Hand an der Tür verursachte undging erst mal einen Schritt zurück. Den Atem anhaltend stand ich vor der Tür und einigeMinuten passierte nichts. Vielleicht war er ja doch noch nichts zuhause. Aber ein Blick aufdie Uhr ließ mich den Gedanken wieder verwerfen. Es war schon 11 Uhr und meistens kamer schon nachts, beziehungsweise sehr früh morgens nach Hause. Der Gedanke das etwaspassiert sein könnte und Collin deswegen nicht nach Hause gekommen war, versetzte michin Panik und ich riss die Schlafzimmertür auf. Mit dem schlimmsten rechnend suchten meineAugen den Raum ab und konnte erleichtert feststellen das Collin in seinem Bett lag undschlief. Er sah im Schlaf ganz anders aus. Nicht wie der harte Schlägertyp, sondern eher wieein sanftes Reh. Verletzlich aber rein. Ich lächelte einen Moment als sich Collin bewegte. Ichbiss mir auf die Unterlippe und ärgerte mich wirklich das ich ihn geweckt hatte. Eigentlichhätte ich ihm gerne noch etwas beim schlafen zugesehen. Er sah dabei einfach sounbeschwert aus. Den Atem anhaltend wartete ich ab, ob er nicht doch noch am schlafenwar. Nachdem auch einige Minuten lang nichts passierte, atmete ich erleichtert aus. Dochdas Schlafzimmer konnte ich irgendwie trotzdem nicht verlassen. Als wären meine Füße amBoden angewachsen. Wie ein Ferkel quiekend erschrak ich mich, als die Stille durch eineverschlafene und kratzige Stimme unterbrochen wurde. 

„Hey", nuschelte Collin in die Decke. 

„Hey. Ich... Ich wollte dich nicht wecken.", stammelte ich nervös, mehr zum Boden als zuCollin.„Du weißt, dass du den Türrahmen nicht festhalten musst. Der wird schon nicht aus derWand fallen.", lachend drehte er sich zu mir und sah mich an. Mit der rechten Hand stützteer seine Kopf ab, während er mit der linken Hand neben sich aufs Bett Klopfte. 

„Komm leg dich doch zu mir. Es ist einfach noch viel zu früh zum Aufstehen." 

„Ich.. Ich..", stotterte ich geistreich, wie ich war. Ich hatte wirkliche keine Ahnung was ichdazu sagen sollte. 

„Ich beiße auch nicht", grinste er mich süffisant an. 

Mein Gesicht begann augenblicklich zu glühen, mein Blut schoss mir mit gefühlten 200 kmhdurch den Körper. Meine Füße, die Verräter, trugen mich wie selbstverständlich zu ihm.händeknetend saß ich so weit wie möglich von Collin weg. Wenn es im Bereich desMöglichen gelegen hätte, hätte das ganze Bett gezittert, so nervös war. So wie ich meineHände am kneten war, sah es eher nach einem Versuch aus die zu brechen. Plötzlichschlangen sich Collin's Arme um meinen Rücken und er legte seine Hände auf meineHände. Mein Körper der miese Verräter beruhigte sich augenscheinlich. So saßen wir einigeMinuten, bis er mich zu sich zog und ich mit dem Rücken an seine Brust gepresst lag. Ichkonnte mein Blut in meinen Ohren rauschen hören und wartet schon darauf, dass sieanfingen wie ein Teekessel zu pfeifen und Rauch rauskommt. Ebenso wartete ich auch aufdas bekannte Gefühl von Angst und Panik, aber es blieb aus und das machte mich einfachwahnsinnig. Irgendwie machte es mich nervös und unsicher und ein bisschen Angst machtees mir auch, weil ich es einfach nicht verstand. Nachdem wir schon eine ganze Weile sodalagen, machte mir die Stille immer mehr zu schaffen. Ich Atmete tief ein und aus,sammelte allen Mut zusammen um endlich mit Collin über die Männer und die Zukunft zureden. Allerdings traute ich mich nicht ihn direkt darauf anzusprechen und wollte es übereine Art „Small – Talk" versuchen. 

„Sag mal, musst du heute auch wieder arbeiten?", fragte ich verunsichert und erkanntemeine eigene Stimme nicht wieder. Sie war zwar mehr ein leises Hauchen als ein flüstern,aber auch extrem rau und heißer. Mein Hals kam mir mit jeder Sekunde trockener vor

Dunkelheit und LichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt