Sommer unter Segeln 4

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"17:43 Uhr: Segel einholen, Anlegen in Zut"
Nicole versteht zwar nicht, wieso man das immer ins Logbuch schreiben muss, aber trotzdem macht sie es brav. Es gibt wie immer ein großes Chaos mit den Seilen und jeder steht ihrem Vater im Weg. Zut ist gar nicht so schlimm wie Nicole erwartet hat. Es gibt Toiletten und Duschen, WLAN und zwei kleine, gemütliche Restaurants. Sie reservieren einen Tisch und pünktlich um halb sieben liest Nicole auf der Speisekarte "Pasta mit Scampi" und beschließt, dass dieser Tag besser ist, als der gestrige. Das Essen ist wirklich lecker und als ihre Mutter eine Kellnerin bittet ein Foto von ihnen zu machen, lächelt Nicole, anstatt ihre Augen zu verdrehen. Anna bestellt sich noch Pfannkuchen mit Nutella und ihre Eltern nehmen Cappuccino, aber Nicole will die letzten Sonnenstrahlen des Tages ausnutzen und verlässt das Restaurant. Kurz genießt sie den Anblick des Hafens, in den auch jetzt noch einige Schiffe einlaufen und die tiefstehende Sonne darüber. Wieder am Schiff sucht sie das Nötigste zusammen. Ihr Badeanzug ist nass und unangenehm. Einer spontanen Idee folgend, schaut sie sich um und beschließt nackt baden zu gehen. Etwas abseits ist eine gute Stelle ohne andere Badegäste und das türkiesene, klare Wasser verwandelt sich in dem schwindenden Sonnenlicht in ein schwärzliches dunkelblau.
Ihre Klamotten und Ihr Handtuch bleiben auf einem flachen Stein, während sie etwas ungeschickt über die Kiesel ins Wasser läuft. Es ist angenehm kühl und Nicole schwimmt weit hinaus, bis sie sich frei genug fühlt und dann lieber wieder umdreht. Besser kein Risiko eingehen. Sie bereut ihre Entscheidung ein bisschen und wünscht sich ihren Badeanzug. Ohne, ist es zwar viel angenehmer, aber sie fühlt sich etwas unwohl und beobachtet in dem kleinen Hafenbecken. Zum Glück hat es abgekühlt und der Sonnenuntergang ist wunderschön, niemand wird auf die Idee kommen, schwimmen zu gehen. Nicole macht sich auf den Weg zurück, aber als sie nah genug am Ufer ist, bekommt sie einen Schock. Etwa drei Meter von ihren Sachen entfernt, sitzen vier Personen. Unschlüssig was sie jetzt machen soll, schwimmt sie wieder ein Stück außer Sicht. Eigentlich will sie nur noch duschen, aber ihr bleibt nichts anderes übrig, als noch eine ihrer Bahnen zu ziehen. Vermutlich nur eine Familie, die den Sonnenuntergang bewundert und gleich danach wieder verschwindet, macht sie sich selbst Mut. Und wirklich, als es dunkel wird und das Schauspiel beendet ist, sieht Nicole die dunklen Umrisse der Familie im Mondlicht aufstehen und gehen. Erleichtert schwimmt sie zurück und bekommt ihren zweiten Schock, als sie bemerkt, dass der eine Junge nicht mit gegangen war, sonder dabei ist sein T-shirt auszuziehen. Er hat auch vor schwimmen zu gehen! Nicole wird panisch. Wieso musste sie ausgerechnet heute, hier nackt baden?! Als der Junge immer näher kommt, handelt sie nach ihrer ersten Eingebung.
"Hey, du da?"
Er bleibt stehen und sieht sich nach ihr um. Als er sie entdeckt fängt er an zu lachen und sie möchte vor Scham im Boden versinken als sie das nervige Lachen erkennt. Fabian. Er läuft weiter. "Nici, wenn das kein Zufall ist! Hast du mich vermisst?" Sein herzliches Lachen wird lauter. Nicole ist gar nicht nach Späßen zu Mute. "Nein, hab ich nicht. Und jetzt hör auf zu lachen, mach die Augen zu und dreh dich um!" Ein kurzes Schweigen folgt, dann geht Fabian ein Licht auf und sein Gelächter beginnt von neuem. Nicole kann nur die Augen verdrehen, aber wenigstens dreht Fabian sich wirklich um und sie rennt so schnell es auf dem spitzen Untergrund geht zu ihrem Handtuch. Als sie es sich umgewickelt und den Rest zusammen gepackt hat, will sie einfach nur noch duschen und ins Bett aber Fabian hat andere Pläne. Er fängt schon wieder an, mit ihr zu reden, doch Nicole murmelt nur ein "Hm". Sie dreht ihren Kopf, um ihm noch eine gute Nacht zu wünschen, stolpert aber und stößt sich den Zeh an. Bei dem Versuch ihr Handtuch oben zu halten, muss sie den Rest fallen lassen und steht dabei nur auf dem unverletzten Fuß. Sie muss ziemlich dämlich aussehen, denn Fabian lacht schon wieder, aber dann kommt er zu ihr, um zu helfen. Unsicher zieht sie ihr improvisiertes Kleidchen zurecht, aber wie ein echter Gentleman, schaut Fabian nicht zu ihr, sondern sammelt ihre Sachen zusammen und reicht sie ihr. "Danke...", murmelt Nicole und jetzt wo sie den ersten Schock überwunden hat, spürt sie wie kalt ihr ist. Fabian muss es auch bemerkt haben, denn er schlägt ihr vor, jetzt schnellstens eine heiße Dusche zu nehmen. "Ich bleib noch hier. Kommst du nochmal vorbei Nici?"  Eigentlich ist er gar kein schlechter Kerl. Aufmüpfig, frech aber trotzdem charmant. "Wenn du mich nicht Nici genannt hättest, würde ich darüber nachdenken." Nicole zwinkert ihm zu und macht sich auf den Weg zu den Duschanlagen. Er ruft eine weitere Bitte nach und sie hört förmlich, wie er lächelt. Schaden kann es ja nicht und immerhin besser, als mit ihrer Crew Uno spielen zu müssen, denkt sie, aber weiß selber, dass es keine gute Ausrede ist und sie doch ein wenig Lust hat Fabian kennenzulernen. Also dreht sie sich ein letztes Mal um, ohne zu stolpern. "Bis gleich." Ihr Zwinkern kann er vermutlich nicht mehr sehen aber sie ist sicher, dass er es erwidern würde.

Als sie das Wasser warm dreht, fällt ihr auf, dass ihr gar nicht mehr kalt ist. Im Gegenteil, ihr Kopf glüht fast. Was ist nur in sie gefahren? Sie flirtet mit Fabian. Mit Fabian! Dem eingebildeten Macho, der sie ins Wasser gestoßen hat. Und rot wird sie dabei auch noch. Na toll, wenigstens dürfte er es in der Dunkelheit nicht bemerkt haben. Jetzt lässt sie erst mal kaltes Wasser über ihren Körper fließen und nimmt dann das Shampoo. Das Shampoo, das Fabian für sie aufgehoben hat. Sie hat kaum auf ihn geachtet, so peinlich war Nicole die ganze Situation aber jetzt ruft sie sich seinen Körper noch mal ins Gedächtnis. Bei ihrem letzten Zusammentreffen hat er ihn ganz schön zur Show gestellt, aber heute war es natürlicher. Trotzdem muskulös genug um Mädchen zu beeindrucken. Nicole wird noch röter. Sie gibt ungern zu, dass sie oft zu schnell einfach nach dem Aussehen beurteilt und vielleicht ist Fabian mehr, als nur der muskulöse Macho, den sie auf den ersten Blick in ihm gesehen hat.

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