Sommer unter Segeln 7

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Nicole liegt auf dem Bauch und liest. Zumindest versucht sie zu lesen, aber es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren. An dem Buch liegt es nicht, es ist fast fertig gelesen und die Hauptperson, ein kleines blondes Mädchen, steckt in einer spannenden Situation. Der Höhepunkt der Geschichte. Trotzdem schweift Nicole ab. Die drei Stunden in der Bucht, wie Fabi ihr den Rücken eingecremt hat und alle zusammen wieder die Segel gesetzt haben. Jetzt ist der schöne Nachmittag vorbei, ihr bleibt nur noch die Erinnerung, die Rückfahrt und die Hoffnung, bald wieder etwas mit Fabian zu unternehmen. Warum sie liest, anstatt mit ihm zu quatschen, weiß sie nicht. Vermutlich wäre es zu viel geworden, am Ende dreht sie noch durch, wenn er ihr weiterhin ständig zuzwinkert. Niemals hätte sie gedacht, dass der Angeber so ein toller Junge sein könnte. Verliebt ist sie nicht unbedingt, aber auf jeden Fall geflasht. Vermutlich nur wegen dem unglaublichen Zufall. In Kroatien, in einem kleinen Hafen, in den sich nicht viele Schiffe mit deutschen Jugendlichen zur gleichen Zeit verirren, trifft sie einen netten Kerl, nachdem sie länger keine Jungs gesehen hat. Klar spielen ihre Gefühle da verrückt.
Viel zu schnell legt die "Maranta" dann wieder im Hafen von Zut an. Nicole bedankt sich für den schönen Tag bei den Taskers und verabschiedet sich von ihnen. Fabian begleitet sie noch zurück zur "Pharos", wo sie bereits vom Rest ihrer Familie erwartet wird. "Und wie war dein Tag, Mäuschen?", fragt ihre Mutter zu Nicoles Verärgerung. Sie verdreht die Augen und funkelt böse.
"Mama!", ruft sie aufgebracht.
Warum musste ihre Mutter auch immer wieder diesen alten Kosenamen auspacken? Und dann auch noch vor Fabian. Anna lacht schadenfroh und erntet einen tödlichen Blick. Fabian ist anzumerken, wie sehr er sich das Lachen verkneift und Nici kann es ihm nicht verübeln. Wie peinlich!
Ihre Mutter kann ihren Fehler zwar nicht rückgängig machen, aber ihre nächsten Worte stimmen Nicole wieder besser.
"Danke Fabian, scheint als hätte Nicole viel Spaß gehabt. Deine Eltern kamen mir sympathisch vor. Frag doch, ob wir alle zusammen essen gehen wollen. Gestern waren wir in dem kleinen Restaurant und es war sehr gut."
Kurz darauf verabschiedet Fabian sich, um fragen zu gehen und bringt etwas später die gute Nachricht. Seine Eltern sind einverstanden und ein Tisch für acht Personen ist auf 18 Uhr reserviert.
Nach einer angenehmen Dusche bittet Nicole ihre Mutter, sie nie wieder Mäuschen zu nennen. Und auf keinen Fall vor anderen Leuten! Ihre Mutter verspricht es ihr zwar, aber Nici traut ihrem frechen Lächeln dabei nicht ganz.
Wieder in ihrem blauen Kleid macht sie sich mit Anna und ihren Eltern zu der kleinen Gaststätte auf. Die Taskers kommen auch gerade an und Fabi trägt ein graues Shirt und schwarze Shorts. Mal wieder sieht er gut aus und Nicole bindet ihre Haare schnell zu einem Dutt zusammen. Sie zieht ein paar Strähnen raus, um ihn nicht zu streng erscheinen zu lassen. Sie setzen sich an zwei aneinander geschobene Tische und unauffällig betrachtet Nici ihr Spiegelbild. Sie ist zufrieden mit dem Dutt und auch das Kleid macht sich gut. Als würde ihr das Mut machen, setzt sie sich kurzer Hand neben Fabian. Den scheint es nicht zu stören und sonst auch niemanden.
Anfangs ist die Stimmung angestrengt, da sich die Familien kaum kennen aber Anna und Lia verstehen sich auf Anhieb gut und schon bald kommen die Gespräche ins Laufen. Die beiden kleinen Schwestern unterhalten sich über die Konsistenz von Seegurken, als die Getränke gebracht werden und Nicole entschließt, nicht länger zu hören zu wollen und verwickelt Fabian in ein Gespräch.
"Ey, also... Danke für den coolen Tag." Sie klingt etwas schüchtern.
"Danke dir! Sollten wir wiederholen, was?"
Nicole will sich ihre Freude nicht anmerken lassen und nimmt erst mal einen Schluck Wasser, bevor sie mit "Ja, gerne" antwortet.
"Und was nimmst du, Nici?"
"Irgendwelche Empfehlungen?"
"Lachs mit Mangold vielleicht?"
"Hm ich glaub ich bleib besser bei Scampi mit Nudeln. Eins meiner neuen Lieblingsessen."
Fabian verzeiht das Gesicht.
"Scampi? Sicher? Probier doch was neues! Der Lachs ist gut."
"Nur wenn du auch was neues probierst.", sucht Nicole einen Deal.
Die beiden einigen sich auf Pasta mit Scampi für Fabian und Lachs mit Mangold für Nicole. Bis das Essen kommt unterhalten sie sich über die Schule und ihre Freunde. Nicole bemerkt, dass sie Tamara noch gar nichts von Fabian erzählt hat. Wie konnte das bloß passieren? Sie nimmt sich vor, direkt nach dem Essen eine Audio mit allen Details an ihre beste Freundin zu schicken.
Als das Essen serviert wird, merkt Nicole, wie hungrig sie ist und zur Bestätigung grummelt ihr Magen. Gespannt schnuppert sie an dem Lachs. Noch ist sie nicht wirklich überzeugt, aber Fabian zu liebe probiert sie von dem Fisch und dem Mangold. Widerlich! Vorsichtig späht sie zu Fabian, nicht dass er noch bemerkt, wie sie die Nase rümpft. Doch zu ihrem überraschen hat er den selben Gesichtsausdruck. Nicole lacht, woraufhin Fabi sich zu ihr dreht und schuldbewusst grinst.
"Tauschen?"
"Tauschen!"
Erleichtert nimmt Nicole ihre geliebten Scampi-Nudeln und jetzt kann sie das Essen auch wirklich genießen.
Sie lauscht auf die Gespräche der Erwachsenen und ist wegen dem fröhlichen Ton sehr zufrieden. Es wäre sehr förderlich, wenn sich die Seilers und Taskers verstehen. Das vergrößert Nicoles Chancen auf viel Zeit mit Fabian. Wie sehr sich ihre Meinung über diesen Jungen verändern konnte, wundert sich Nici.
Eine dreiviertel Stunde später macht Nicole, wie sie es sich vorgenommen hatte, eine Audio an Tamara. Sie erzählt von ihrem ersten Eindruck, seinem guten Aussehen, dem Zwinkern, wie er sie beim nackt Baden erschreckt hat, dem schönen Tag in der Bucht, dem Abendessen und wie er sie am Ende umarmt hat. Dass er sie immer bei ihrem Spitznamen nennt, lässt sie aus. Ganz genau weiß Nicole auch nicht wieso, aber es ist eine Besonderheit für sie. Nur Fabian nennt sie so, das möchte sie nicht einmal mit ihrer besten Freundin teilen. Zumindest noch nicht. Als sie schließlich fertig geredet hat, ist die Sprachnachricht 4 Minuten 39 Sekunden lang und Nicole weiß, dass sie eine mindestens genauso lange Audio zurück bekommen wird.
Ihr kommt eine Idee. Jetzt wo sie seinen Nachnamen kennt, kann sie ihn vielleicht auf Instagram finden. Nach einiger Zeit, in der sie alle möglichen Varianten seines Namens und seines Alters ausprobiert hat, gibt sie dann ohne Ergebnis auf. Dann wird sie ihn morgen wohl fragen müssen.

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