Die Sonne scheint hell und angenehm warm durch die kleinen Luken in Fabians Koje herein und weckt Nicole, die sich erst nicht orientieren kann, dann aber um so glücklicher ist. Sie kann immer noch nicht fassen, dass ihre Eltern es wirklich erlaubt haben. Ja gut, sie ist schon 16, aber weder sie, noch ihre Eltern, kennen Fabian gut und mit Jungs ist das ja immer so eine Sache. Nicole überlegt, was das Problem ist. Die meisten Eltern haben wahrscheinlich Angst, dass ihre Töchter vergewaltigt werden, oder dass ihre Kinder Sex haben, ohne sich genug auszukennen. Vermutlich war die Tatsache am überzeugendsten, dass man am Schiff wirklich alles hört und Nicole und Fabi sich nicht trauen würden, etwas Verbotenes zu tun. Also kann man sie bedenkenlos übernachten lassen. Nicole ist unendlich dankbar dafür. Rumknutschen in einem Bett, anstatt auf Steinen, war schon schön, aber einschlafen fast noch besser. Nicis Kopf auf Fabis Brust, die Arme umeinander geschlungen und die Beine miteinander verkreuzt. Jetzt liegen sie natürlich nicht mehr annähernd so da. Fabian hat ihr den Rücken zugedreht und schläft noch. Vorsichtig legt Nici einen Arm um ihn und kuschelt sich zu ihm. Seine Haut ist ganz warm und er riecht irgendwie gut. Beide waren in Unterhose und T-Shirt ins Bett gegangen, aber Fabis Shirt lag schon nach kurzer Zeit wieder im Schrank.
Plötzlich bewegt er sich und Nicole hat schon Angst, dass sie ihn geweckt hat, als sie bemerkt, dass er immer noch schläft. Wie schön er im Schlaf aussieht, bemerkt sie. Kurz darauf öffnet er dann doch ein Auge, schaut sie verschlafen an, lächelt und macht das Auge wieder zu.
"Hey!", murmelt er und breitet seine Arme aus.
"Morgen...", entgegnet Nici und kuschelt sich erneut an ihn, damit er sie in die Arme schließen kann. Nici kann sich nichts gemütlicheres vorstellen und nirgends wäre sie lieber. Die beiden liegen ein bisschen da und Fabian fängt an, ihren Hals zu küssen. An Deck des Schiffes hören sie schon, wie der Tisch gedeckt wird.
"Sollten wir nicht aufstehen und helfen?", fragt Nicole und wünscht sich, es wäre nicht so.
"Willst du etwa?"
"Ne."
"Dann bleiben wir wohl."
"Du bist ja ein richtiger Gangster."
Sie grinsen sich an und Fabi zwickt ihr in den Po. Seine Hand lässt er dort liegen und fängt wieder an Nici zu küssen.
Als sie kurz darauf lautes Gepolter hören, entscheidet Nicole, dass sie doch mithelfen sollten. Wenn sie schon übernachten darf, will sie auch gute Manieren zeigen. Schnell schlüpft sie in ihre Klamotten und geht an Deck. Fabi folgt ihr, aber man sieht ihm an, wie viel er von dieser Idee hält.
"Morgen! Können wir helfen?"
Marina, Fabis Mutter, begrüßt die beiden und drückt Nicole ein Baguette in die Hand.
"Wäre nett, wenn du das aufschneiden würdest." Fabian setzt sich neben sie auf die Bank im Cockpit und verteilt die Teller, die Lia ihm gerade aus dem Boot heraus hoch reicht.
Natürlich könnte Nicole einfach auf der "Pharos" frühstücken, dann hätten die Taskers mehr Platz an ihrem eh schon engen Tisch und die beiden Boote liegen sowieso nicht weit von einander entfernt, aber niemand beschwert sich über ihre Anwesenheit, also bleibt sie. Sie genießt die Zeit ohne Anna. Zwar muss Nicole zugeben, dass ihre kleine Schwester gar nicht so schlimm ist, wie sich manchmal behauptet, aber sich jeden Tag die ganze Zeit zu sehen, ist anstrengend. Kaum Rückzugsort, kaum Privatsphäre und keine große Auswahl an Aktivitäten. Klar, dass man sich da zankt, denkt Nici und wundert sich mal wieder sehr, wie friedlich die Taskers mit einander umgehen. Sie fühlt sich auch wirklich wohl und aufgenommen in Fabians Familie. In die Gespräche wird sie miteinbezogen und wenn jemand einen Witz macht, wird ehrlich und offen gelacht. Das gefällt Nicole besonders. Es gibt viel zu viele Meschen, bei denen so oft angespannte Stimmung herrscht, mit Fake-Lächeln und schlecht überspielter Langeweile. Das ist beispielsweise einer der Gründe, wieso Nicole Familienfeiern hasst. Eigentlich haben sie alle nichts gemeinsam außer dem Nachnamen. Da gibt es dann den reichen Onkel aus Spanien, der nur kommt, wenn Oma oder Opa Geburtstag haben oder den Cousin, der gerade studiert. Dazu vielleicht noch eine Katzen-fanatische Tante und den strengen Lehrer-Onkel. Würden sie sich einfach so begegnen, fänden sie sich vermutlich nett, aber könnten nichts miteinander anfangen. Aber weil man Familie ist, muss man sich mögen. Eigentlich kann man mit nur wenigen dort etwas anfangen und bei den anderen wird mit oberflächlichem Smalltalk so getan, als würde man sich für das Leben des anderen interessieren. Nicole versteht den Sinn dahinter nicht und will es auch nicht verstehen. Umso glücklicher ist sie mit den Taskers, mit denen es so einfach scheint, freundlich und offen zu sein. Fabian scheint bemerkt zu haben, dass sie mit den Gedanken woanders ist und stupst sie an.
"An was denkst du?"
Nicole überlegt kurz, was sie dazu sagen soll und antwortet dann das erste, das ihr einfällt.
"Ich bin einfach echt glücklich."
Und es stimmt. Sie ist glücklich. So glücklich, wie sie es sich nie hätte erträumen können und viel glücklicher als auf jeder Party, auf der sie zu Hause sein könnte.
Fabi grinst und beugt sich zu ihr.
"Na da bin ich ja froh.", säuselt er und küsst sie auf die Wange.
Lia tut, als würde sie sich übergeben und alle am Tisch fangen an zu lachen. Fabi zieht zwar seinen Kopf zurück, aber unter dem Tisch drückt er Nicis Hand. Sie versteht die Botschaft, die er ihr damit gibt. Er ist auch glücklich. Er ist hier, mit ihr zusammen, keiner weiß wie lange, aber sie beide wissen, dass sie glücklich sind und das ist es, was wirklich zählt.
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Sommer unter Segeln
Teen FictionNicole ist 16 und kann sich nichts schlimmeres vorstellen, als einen 6-wöchigen Segelurlaub mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester. Der süße Fabian scheint die Rettung zu sein, doch er hat ein Geheimnis, das sich ihnen in den Weg zu stellen dr...