Sommer unter Segeln 6

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Nach einem stillen, fast schon bedrückenden Frühstück ist Nicole froh, als Fabian vorbei läuft und ihr zu lächelt. Doch er läuft nicht nur vorbei. Schüchtern lächelnd betritt er das Boot und stellt sich bei den Seilers kurz vor.
"Ich war gestern Abend noch mit ihm schwimmen und vorgestern haben wir uns auch schon getroffen.", fügt Nicole noch hinzu. Ihre Eltern scheinen Fabian zu mögen. Zumindest lächeln sie ihn ehrlich und offen an.
"Wir würden heute mit unserem Boot eine Fahrt zu einer kleinen Bucht machen und ich wollte fragen, ob ich Nicole vielleicht dazu entführen darf." Er sagt es schnell, aber ohne rot zu werden. Im Gegensatz zu Nicole, die ihre Wangen glühen spürt. Erleichtert über das Lächeln ihrer Tochter stimmen ihre Eltern zu.
Nachdem die beiden Schwestern den Abwasch erledigt haben, packt Nicole das Nötigste zusammen und ihre Mutter begleitet sie zu Fabian, um noch einmal mit dessen Eltern zu sprechen. Währenddessen zeigt Fabian Nicole das Boot, welches sich in einigen Details von der "Pharos" unterscheidet. Seine Koje ist aber mindestens genauso unordentlich wie ihre, nur, dass er keine halbe Bücherei dabei hat.
Eine halbe Stunde später verlässt die "Maranta" den Hafen von Zut. Nicole kann sich zwar Schöneres vorstellen als mit Fabian, den sie kaum kennt und seiner Familie unterwegs zu sein, aber in Zut mit Anna zu bleiben, gehört keinen Falls dazu. Fabi scheint cool zu sein, aber wirklich sicher kann sie sich nach den zwei Begegnungen nicht sein, also hat sie zur Sicherheit ihr Buch mitgenommen. Zu aller letzter not verschwindet sie einfach in Amerika, aber noch, besteht keine Gefahr. Die blonde kleine Schwester stellt sich als Lia Tasker vor, ist 13 Jahre alt und sieht Fabian sogar ein bisschen ähnlich. Auch seine Eltern sind offen und herzlich zu ihr und schnell fühlt sie sich wohl. Nicole merkt, wie anders er vor seiner Familie ist. Weniger macho, weniger flirty. Ruhiger, cooler Typ, es scheint, als würden sie sich alle nie in die Haare kriegen. Etwas, dass sich bei den Seilers nicht erträumen lässt.
Alle helfen zusammen und schnell sind die Segel gesetzt. Nici und Fabi setzen sich nebeneinander an die Reling und lassen die Füße aus dem Boot hängen. Ab und zu spritzt eine Welle besonders hoch und trifft ihre Füße. Eine angenehme Abkühlung.
"Also, erzähl mal was über dich.", fordert Nicole ihren neuen Freund auf.
"Ich bin ein gesuchter Verbrecher, werde dich entführen und dann foltern." Die beiden lachen und Nici spielt mit.
"Oh, das wird dir aber schwer fallen. Wenn Gefahr droht, verwandel ich mich in ein Seeungeheuer und dann fresse ich dich auf."
"Ich hab aber ein anti-Monster-Schutzschild!"
"..., das ich durchbrechen kann, weil ich nur ein halb-Monster bin."
"Oh nein! Jetzt hab ich aber Angst." Fabian tut erschrocken und rutscht ein Stück von ihr weg. Nicole kommt ihm wieder näher und tut als würde sie ihn auffressen wollen. Sie sieht ihm direkt in Augen und ihre Gesichter sind nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Nicole wird rot, ihr Herz klopft hörbar und sie spürt wie Fabians Atem schneller geht.
Eine Welle klatscht gegen die Schiffswand, sprüht kleine Tropfen auf ihre Füße und der magische Moment ist vorbei. Nicoles Herz beruhigt sich wieder, nachdem sie vor Schreck zusammen gezuckt und sich zurück gelehnt hat.
"Na, etwas schreckhaft?" Fabian ist nichts mehr anzumerken, es ist ihm nicht peinlich oder er hat von der Spannung zwischen den beiden einfach nichts mitbekommen. Nicole spürt einen kleinen Stich in ihrem Inneren. Hat sie sich gewünscht er würde sie küssen? Vielleicht.
Sie bringt ein Lachen zu stande. "Ja, ich erschrecke schon, wenn vor mir jemand auf die Straße spuckt. Zumindest ist mir das einmal passiert." Ungläubig starrt Fabian sie aus seinen blauen Augen an. "Dann schaust du keine Horrorfilme oder?"
"Nicht häufig aber hab schon ein paar gesehen. Ich mag den Adrenalin-Kick, wenn man weiß, dass man gleich erschrickt und dann trotzdem losschreit." Fabian lacht.
"Merkwürdig... Hast du Alien gesehen?"
"Nee, ich steh er auf realistische, mit ausgeklügelten Handlungen. Das Monster auf der Erde einfallen, kann sich ja jeder ausdenken."
"Hast schon Recht, aber überzeugen kannst du mich nicht."
Von dem intimen Moment ist nichts mehr zu spüren und die gute Stimmung ist zurück gekehrt.
"Sag mal, wo wohnst du jetzt eigentlich?", wechselt Nici abrupt das Thema.
"Bamberg, beziehungsweise eine kleine, anliegende Gemeinde, Hallstadt. Und du?"
"Noch nie gehört. Aber Bamberg ist schön, meine Tante wohnt da. Ich lebe in Nürnberg, wenn ich nicht grade auf einen sechswöchigen Horrortrip auf ein Boot nach Kroatien entführt werde." Nicole verdreht die Augen aber Fabi lacht.
"So schlimm?"
"Du kennst meine Familie nicht."
"Dafür kennst du jetzt mich." Die Aussage bringt Nicole zum schmunzeln. Ja, jetzt kennt sie Fabian und ihr Urlaub scheint schon um einiges besser zu sein. Zugeben will sie es nicht, also stupst sie ihn an und antwortet: "Nicht so eingebildet. Ich bin nur mitgekommen, um unser Boot nicht schrubben zu müssen." Fabian setzt einen sehr gekränkten Blick auf, versagt aber nach drei Sekunden und die beiden prusten aufs Neue los.
In der Bucht angekommen genießen alle zusammen die Sonne und das klare Wasser. Mehrmals wird Nicole von Fabian getaucht und er von ihr über Bord geworfen. Nici ist ein bisschen enttäuscht, dass seine Familie mit ihnen planscht, quatscht und Ball spielt, sodass sie Fabian kaum für sich hat, aber sie lässt sich die gute Laune nicht nehmen. Lia ist sehr nett und Nici wünscht sich, nicht nach Zut und zu Anna zurück zu müssen. Sie hat keine Lust auf weiteren Streit, will die Zeit anhalten und für ewig mit Fabian in der Bucht bleiben.

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