Kapitel 11

19 2 6
                                    

Natürlich.
Natürlich muss es so kommen.
Kann er nicht einfach irgendwo anders einkaufen?
Er steht mit dem Rücken zu mir und hat mich deshalb noch nicht entdeckt.
Aber ich mir ziemlich sicher, dass er es ist. Diese Haare erkenne ich überall wieder.
Ich schleiche also rechts hinter ein Regal mit Cornflakes, von wo aus ich einen guten Blick auf ihn habe, er mich aber nicht sehen kann.
Ich tue so, als würde ich ganz interessiert die Verpackung eines Ananas-Körner-Müslis mit Nougat Stückchen - ähm... iih? Was ist das denn bitte für ne Kombi? - betrachten und lunse dabei immer wieder in Richtung des Zeitschriftenaufstellers. Genauer gesagt eben auf diese Person, der ich jetzt nicht wirklich gegenübertreten möchte - wer hätte es gedacht...
Nach gefühlten Stunden, bei denen es sich aber laut meiner Uhr nur um zwölf Minuten handelt - trotzdem: wer braucht bitte so lange um eine Zeitschrift zu holen? - hat er sich anscheinend entschieden und verschwindet in Richtung der Kasse.
Ich atme auf... - und welcher Mensch braucht bitte zwölf Minuten um sich eine Müslipackung anzuschauen? - das denkt sich wahrscheinlich die Frau, die scheinbar plötzlich neben mir steht und mich von oben bis unten mustert. Ich stelle es schnell zurück, lächle sie kurz an und verschwinde dann hinter der nächsten Ecke.
Super. Absolut mein Tag.
Mein Blick fällt auf meine Einkaufsliste und ich beginne seufzend alles zusammenzusuchen und in den Korb zu legen.
Als ich fast alles abgehakt habe, hole ich außerdem noch zwei Packung Eis -sicher ist sicher- und zwei Flaschen Cola Light.
Ich mache mich auf dem Weg zur Kasse und lege alles aufs Band.
Ich bezahle und blicke auf meine volle, ok... etwas übervolle, Tasche.
Und das darf ich jetzt alles heimtragen.
Jey.
Ich hieve die Tasche hoch, drehe mich um und... komme nicht weit...
Diesmal steht er am Ausgang, wieder mit dem Rücken zu mir, und scheint auf jemanden zu warten.
Meine Schulter beginnt zu schmerzen und ich muss die Tasche wieder abstellen. Wie soll ich denn bitte hier unbemerkt mit diesen Monstrum von Tüte rauskommen.
Aber ewig hier warten will ich auch nicht.
Ich ziehe mir die Kapuze weit ins Gesicht und versuche so schnell wie möglich an ihm vorbeizulaufen.
Allerdings achte ich dabei mehr auf das entkommen, als darauf wo ich lang laufe und werfe natürlich ein Schild um. Warum musste das jetzt genau DA stehen?!
Mir unauffällig wird es jetzt wohl nichts mehr, denn genau in dem Moment rutscht mir auch noch die Tasche von der Schulter und knallt auf den Boden.
Bravo.
Schicksalsergebend drehe ich mich jetzt in Richtung Shane und hebe die Tasche erneut an.
Aber als ich in sein Gesicht blicke, bemerke ich, dass es gar nicht Shane ist, der mich so anschaut, als hätte ich sie nicht mehr alle.
Und ich hätte schwören können, dass er es ist! Diese Haare...
Jetzt bemerke ich aber auch die anderen Augenpaare, die mich von allen Seiten beäugen. Ich muss wohl wirklich aussehen wie jemand, der aus dem Irrenhaus ausgebrochen ist. Und irgendwie fühle ich mich gerade auch so.
Ich schultere mit hochrotem Kopf meine Tasche und mache mich auf den Heimweg.

Ohne einen weiteren Zwischenfall komme ich wieder daheim an und räume alles in den Kühlschrank.
Geschafft.
Ich höre ein Auto die Hofeinfahrt hinauffahren und eine Autotürknallen.
Mum kommt herein.
»Halloho!«
»Hi«, begrüße ich sie.
»Na, wie war's?«
»Okay... war gerade einkaufen«
»Super, dann muss ich das jetzt nicht mehr machen!«
Sie geht in die Küche und fängt an irgendwas zusammenzurühren.
Kurz darauf vernehme ich das Geräusch der Dunstabzugshaube und lunse neugierig in die Küche.
Sie kocht nie! Also wirklich nie.
»Mum?«
Setz dich hin. Die Pfannkuchen sind gleich fertig.
Nach wenigen Augenblicken landet auch schon der erste mit Äpfeln und Zimt auf meinem Teller.
Sie macht noch ein paar weitere und setzt sich dann zu mir.
Schweigend verdrücke ich einen nach dem anderen und verspüre langsam ein angenehmes Gefühl in der Magengegend.
Wir essen auf und sie räumt die Teller in die Spülmaschine.
»Also, was ist los?«
»Nichts.«
Wie hat sie denn das bitte gemerkt?
Sie ist deine Mum.
Mütter wissen immer alles und meine ist da keine Ausnahme. Das ist schon fast gruselig.
»Ein Junge?«
Ich nicke.
Sie seufzt.
»Ich habe mich schon gefragt, wann es soweit ist.«
»Da gibt es jemanden. Ich glaube ich mag ihn.«
»Und...?«
»Er ist einfach perfekt.«
»Aaaber?«
»Ich muss die ganze Zeit an jemand anderen denken.«
Sie blickt mich mit diesem verständnisvollen Mum-Blick an und plötzlich bricht alles aus mir heraus.
Ich erzähle ihr von Shane, der Party und dem namenlosen Unbekannten, der mir seit unserem Zusammenstoß nicht mehr aus dem Kopf geht.
Nachdem alles raus ist, fühle ich mich irgendwie... ja...befreit. Besser. Vieeeel besser.
Und mit diesem Gefühl gehe ich schließlich ins Bett und schlafe schnell ein.

Bitte, lass uns Freunde bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt