Kapitel 2 - Was 4 Wochen zuvor geschah

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Sonntag, 5. Juli

Ich hasse diese Art von Partys bei denen die ganze Zeit lautstark irgendwelcher Assirap mit hirnlosen, unsinnigen Liedtexten aus den Boxen dröhnt und ununterbrochen Wahrheit oder Pflicht mit rumknutschen, twerken oder sonst was gespielt wird!
Und gerade befinde ich mich auf dem Weg zu genau so einer Party.
Oder zumindest besteht das Risiko, dass sie genauso ablaufen wird.
Warum ich das mache?
Das wüsste ich selbst gerne.
Ok, zum einen haben wir Sommerferien und meine Freundinnen verbringen diese am Strand, in den Bergen oder sonst wo, weshalb ich sowieso nicht viel zu tun habe... außer mein Zimmer aufzuräumen, Schulkram zu sortieren oder auf dem Sofa oder im Bett zu liegen, zu lesen, Grey's Anatomy zum dritten Mal durchzusuchten oder auf irgendwelchen Onlineshopping Seiten meinen Warenkorb zu befüllen und am Ende meist eh nichts zu bestellen.
Und diese spannenden Sachen mache ich jetzt schon fast zwei Wochen lang. Wie aufregend.
Ich brauche Abwechslung.
Egal welche.
Jetzt.
SOFORT!
Und als Shane dann heute Mittag plötzlich vor der Tür stand und mich mit seinem süßen Lächeln und seinen strahlend blauen Augen, sehr schönen strahlend blauen Augen, fragte, ob ich zu seinem 17. Geburtstag kommen möchte, da konnte ich einfach nicht neinsagen.
Gut er gehört jetzt nicht so wirklich zu meinem Freundeskreis, weshalb ich auch ziemlich überrascht war, dass er mich zu seiner Party einlädt.
Aber er ist im gleichen Relikurs - unnötigestes Fach ever, meiner Meinung nach - und wir haben schon die ein oder andere Projektarbeit zusammen gemacht und kennen uns daher flüchtig.
Er kam in der Schule immer offen und hilfsbereit rüber und scheint nicht so ein Mädchenaufreißer wie manch andere zu sein.
Also, warum nicht zu seiner Party gehen?
Was hab ich schon zu verlieren.
Mein Handy vibriert.
»Ja, Mum?«
»Bist du schon da?«
»Ja. Gleich.«
Sie hatte darauf bestanden, dass ich ihr eine Whatsapp schreibe, sobald ich angekommen bin.
Natürlich nachdem sie, typisch Mum, noch dreimal nachgefragt hatte,
ob sie mich auch wirklich nicht fahren soll.
Aber Shanes Haus ist laut Google Maps nur neun Minuten Fußweg von mir daheim entfernt und ich lieeebe es abends spazieren zu gehen.
»Tess?«
»Jaaa?«
»Du weißt, du kannst mich ruhig anrufen, wenn irgendwas ist oder ich dich abholen soll.«
Meine Mutter ist in der Beziehung etwas überfürsorglich, was wohl daran liegt, dass ich für gewöhnlich nicht so viel mit Jungs und Partys zu tun habe.
Klar. Ich habe neben meiner Mädelsclique auch Freundschaften zu Jungs geknüpft.
Aber im Allgemeinen lasse ich sie nicht so schnell an mich ran und probiere mich meist von ihnen fernzuhalten, da die meisten ja eh nur das eine wollen und ich mich ganz sicher nicht wie manch andere Mädchen von so eingebildeten Machos erniedrigen lasse!
Und ganz sicher falle ich nicht um ihren Hals.
Weshalb ich auch noch keine Beziehung hatte.
Das stört mich aber nicht weiter.
Wenn der Richtige kommt, werde ich das schon merken.
Und das kann gerne noch warten, bis ich mein ABI habe.
Bis ich Milan, Lean und Khaled wirklich vertraut habe, sind Jahre vergangen.
Heute gehören die Drei zu meinen engsten Vertrauten.
Ich öffne mich nur langsam gegenüber Fremden, da ich schon mehrmals von vermeintlichen Freunden enttäuscht und verletzt wurde und das nicht nochmal erleben möchte.
Wenn ich an die Drei denke, wird es mir schwer und Herz...
Lean ist mit seiner Familie aufgrund eines Jobangebots seines Vaters zu Beginn der Ferien zurück nach Hamburg gezogen.
Wir sehen uns also nur noch über Skype oder wenn wir snappen.
Khaled muss eine Ehrenrunde, wie er es nennt, drehen und auch ihn werde ich nur noch seltener zu Gesicht bekommen.
Milan ist also der Einzige, dem ich nach den Sommerferien noch öfter begegnen werde.
Leider belegt er größtenteils andere Kurse als ich, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir trotzdem noch Kontakt haben werden!
Trotzdem spüre ich leichte Wehmut in mir aufsteigen.
Es hat so lange gedauert um diese Freundschaften aufzubauen und jetzt werde ich nur noch wenig Kontakt mit den dreien haben...
»Tess?«
Oh.
Ich hatte ganz vergessen, dass sie immer noch am Telefon ist!
»Ja, alles klar.«
Ich verabschiede mich schnell von ihr und lege auf.

Nach nur wenigen Minuten biege ich in die besagte Straße ein und suche nach der Hausnummer 11.
Nach einigen Sekunden finde ich auch schon Nummer 11, ein großes zweistöckiges Haus mit gepflegtem Vorgarten und Dachterasse.
Gerade trete ich durch das geöffnete Gartentor und will auf das Haus zulaufen, als eine relativ große, breitschultrige Gestalt mit leuchtenden Augen und kurzem, blondem, leicht lockigen Haar mir entgegen kommt und kurz vor mir stehen bleibt.
Omg.
Diese Augen.
Ich kann mich nur schwer losreißen und hoffe er bemerkt nicht, wie ich gestarrt habe.
Ok, ganz ruhig.
Du darfst jetzt auf gar keinen Fall rot werden!!
Reiß dich am Riemen!
»Hey!«, begrüßt er mich.
Und als ich nicht antworte, weil ich meiner Stimme noch nicht ganz so traue: »Schön dass du kommen konntest.«
»Hi«, antworte ich leicht zittrig.
Warum zitter ich denn jetzt.
Ich räuspere mich.
»Danke für die...«
Der Rest wird von einer aggressiven, weiblichen Stimme verschluckt, die aus dem Haus kommt.
»Shane?«
Ein Mädchen mit geglättetem braunem Haar kommt aus dem Haus mit langen selbstbewussten Schritten (und das trotz beeindruckend hohen Highheels) auf uns, oder eher auf Shane, zu.
Sie trägt ein sehr knappes schwarzes Kleid und dunkelroten Lippenstift. Klischee!
»Shane? Komm jetzt. Wir warten auf dich.«
Mir wirft sie nur einen kurzen abwertenden Blick zu und beachtet mich dann nicht weiter.
Sie nimmt ihn an der Hand und zieht ihn mit sich ins Haus.
Bitch.
Und warum lässt er das zu?
Es ist sein Party, seine Gäste.
Ich fühle mich schon leicht verarscht.
Solche Leute können mir gerne fernbleiben!
Doch dann dreht er sich nochmal kurz zu mir um und schenkt mir ein entschuldigendes Lächeln.
Dann formt er mit seinen Lippen ein stilles
»Komm mit.«
und dreht sich wieder um.
Ihre Hand lässt er dabei aber nicht los.

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