Kapitel 13

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Er kommt immer näher.
Die hundert Meter verkürzen sich auf fünfzig, die fünfzig auf vielleicht dreißig.
Fuck. Wohin? Ich nehme notgedrungen die nächste Straße links von mir und haste um die Ecke. Doch auch wenn ich seine Schritte nicht mehr höre, bin ich mir sicher, dass er mir immer noch folgt. Ich falle in einen nervösen Laufschritt und biege immer wieder willkürlich ab. Was zum Teufel will der von mir?? Lass mich doch bitte einfach in Ruhe!!!
Mittlerweile renne ich panisch und wäre fast in eine Sackgasse abgebogen.
Jetzt bloß nicht durchdrehen!
Ich versuche mich etwas zu beruhigen und meine Gedanken zu sortieren. Erst da bemerke ich, dass ich mittlerweile beim Marktplatz angekommen bin.
Hier sind wenigstens Leute! Hier kann mir nichts passieren!
Zumindest versuche ich mir das einzureden.
Ich laufe in schnellem Tempo weiter, bemühe mich dabei aber möglichst ruhig und zielstrebig auszusehen.
Ok. Alles wird gut.
Ganz ruhig.
Hier kenne ich mich wieder aus. Von hier aus sind es nur noch fünf Minuten bis zu Cara. Aber falls ich wirklich immer noch beobachtet werde, sollte ich vielleicht lieber unter Menschen bleiben und meinen Verfolger nicht direkt zu ihr führen.
Ich steuere auf eine der Sitzmöglichkeiten im Zentrum des kleinen Platzes unter einem Baum zu und lasse mich nieder.
Dabei blicke ich mich möglichst unauffällig um und kann dem Typen mit dem Pulli nirgends entdecken.
Schnell tippe ich Cara eine WhatsApp Nachricht und bitte sie zum Eiscafé, das nur etwa hundert Meter von meinem Sitzplatz entfernt liegt, zu kommen.
Sie schickt mir zwar eine fragenden Smiley, aber schon zwei Sekunden später leuchtet mein Handydisplay erneut auf.
Bin schon unterwegs😇❤️
Bis gleich...
Ich sitze die nächsten fünf Minuten angespannt da und blicke alle drei Sekunden auf meine Uhr.
Komm schon! Bitte komm einfach.
Allerdings merke ich auch, wie sich mein Herzschlag wieder langsam beruhigt und ich mich langsam etwas entspanne... zumindestens bis mir von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt wird und ich erneut fast einen Herzinfarkt erleide.
Ängstlich springe ich auf und drehe mich um. Ich blicke in Caras grinsendes Gesicht.
Verdammte scheiße! Muss sie mich so erschrecken!?
Anscheinend sieht sie aber wie aufgebracht ich bin und blickt mich jetzt fragend an.
»Sorry?«
Ich umarme sie stürmisch und fühle mich sofort etwas besser.
»Nein. Ist schon okay. Komm bitte einfach mit«, nuschle ich in ihr Ohr. Ich lasse sie dann wieder los und wir laufen zur Eisdiele.
Ich zerre sie in eine etwas abgelegenere Ecke, in der es nicht so laut ist - warum auch immer hier heute soviel los ist - und wir uns ungestört unterhalten können, aber trotzdem nicht komplett allein sind.
Da die Bedienung gerade am Nachbartisch ist, schlage ich vor erst zu bestellen.
Sie notiert unsere Bestellung und verschwindet dann wieder in die andere Richtung.
»Also. Was ist los? Ist irgendwas passiert?«
Kann man so sagen.
»Als ich auf dem Weg zu dir war, hab ich bemerkt, dass mir jemand folgt und bin dann panisch kreuz und quer durch die Straßen gerannt, mich fast verlaufen und zum Glück hier gelandet... Dann war er auch schon wieder weg. Ich hab keine Ahnung wer das war und was er wollte«, schildere ich sachlich, insgeheim fangen meine Hände bei dem Gedanke daran, was gerade eigentlich passier ist, merklich an zu schwitzen.
Cara schaut mich nur mit offenem Mund an.
In diesem Moment werden auch schon die zwei Teller mit Spaghettieis und die zwei Limos vor uns auf den Tisch gestellt, was sie aus ihrer Starre reißt.
»Wie jetzt? Im Ernst?! Oh mein Gott!!«, sie schaut sich schockiert um.
»Und du hast keine Idee wer das gewesen sein könnte? Oh Gott. Was der wohl gemacht hätte, wenn der dich erwischt hätte! Tess! Das ist kein Spaß mehr. Dir hätte sonst was passie-«
»Ist ja gut! Beruhige dich wieder. Er ist ja weg und mir ist nichts passiert... Aber was der von mir wollte...«
»Was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung. Solange das nicht wieder passiert, können wir gar nichts machen...«
Ich fange an mich meinem Eis zu widmen.
»Wie kannst die denn jetzt was essen!?«
Ich grinse belustigt, als ich ihr schockiertes Gesicht sehe und kann mir das Lachen nicht verkneifen.
»Das war echt ein Scheißgefühl und ich weiß, dass es ganz anders hätte ausgehen können. Ich habe aber keine Ahnung, wer das war und ob das nicht sogar jemand war, der mich kennt... Ich glaube nicht, dass ich von irgendeinem Fremden verfolgt werde... Und außerdem: Wenn er gewollt hätte, hätte er mich bekommen...«, überlege ich laut.
»Also du denkst, er ist dir gefolgt, um dich zu beschatten?«, fügt sie nachdenklich hinzu.
»Das würde zumindestens am meisten Sinn ergeben... wenn wir mal davon ausgehen, dass es nicht irgendein Perversling...«, ich schüttele mich und verdränge schnell den Gedanken wieder.
Ich schiebe mir einen weiteren Löffel Eis in den Mund und blicke raus. Es hat angefangen zu stürmen und Hunderte von herbstlichgefärbten Blättern werden von dem Wind über dem Platz gefegt. Ich seufze, ich wollte nicht, dass der Sommer zu Ende geht...
Cara reißt mich aus meinen Gedanken: »Am besten du kommst mit zu mir. Meine Mum hat gleich Feierabend und kann uns mitnehmen.«
Ich lächele sie dankbar an.
Keine zehn Minuten später sitzen wir beide auf der Rückbank des kleinen Caprios ihrer Mutter und als Help you hate me im Radio ertönt, kann ich nicht anders und singe lautstark mit. Nach wenigen Sekunden fällt Cara mit ein und auch ihre Mutter bleibt nicht verschont.

Ich verbringe dem restlichen Tag bei Cara, wo wir noch etwas weiter grübeln, aber zum Selben Schluss wie vorhin schon kommen. Schließlich schauen wir zusammen noch einen Film und am späten Abend werde ich dann von Dad abgeholt. Daheim mache ich mich bettfertig und verziehe mich auch direkt in mein Zimmer. Der Gedankenstrom, den ich die letzten Stunden erfolgreich unterdrückt hatte, überkam mich erneut und lies sich die ganze Nacht nicht unterbinden.

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