Sah ich der alten stolze Wunderpracht durch Wütrichshand der Zeit gestürzt verwittern, der Erde hohe Türme gleichgemacht. Unsterblich Erz vor Menschenwut erzittern: Sah ich die gierige See am Königreich, der Meeresküsten überflutend zehren, die Feste dann, an Wasserschätzen reich, fülle mit Raum und Raum mit Fülle mehren.
Wenn ich dies wandelleben übersah, ja leben selbst zum Untergang getrieben, kam unter Trümmern mir dies Grübeln nah: Einst kommt auch Zeit und fordert deinen Lieben.
Solch ein Gedank ist wie ein Tod, er treibt zum Weinen, das du hast, was dir nicht bleibt (Shakespear, Sonette 68)Grandmere kochte liebend gerne vor allem für ihre totgeglaubte Urenkelin, ihre Enkelin und natürlich ihre Freunde Aria und Thy. Sie saßen zusammen im Wohnzimmer, sprachen über belangloses und schienen die generelle Ruhe und den Frieden zu genießen. Sie hatten immer noch dieselbe Kleidung an und waren auch noch genauso schmutzig, aber niemand wollte die Familienidylle verlassen. Die Erleichterung war förmlich mit den Händen zu greifen. Als es immer später wurde und die Sonne längst untergegangen war, brachte Kate Amy zu Bett.
Aria ging duschen während Thy beim Aufräumen im Wohnzimmer half. Kate kam seufzend die Treppe hinunter und stellte sich zu Thymian."Danke, das ihr meine Tochter gerettet habt."
"Ich glaube, wir waren diejenigen die sie in Gefahr gebracht haben." Kate schüttelte den Kopf.
"Das ist nicht das was ich meinte. Ihr wart bereit für sie zu sterben. Für uns zu sterben und das werde ich euch nie vergessen. Egal wie lange ihr bei uns bleiben wollt, ihr seid herzlich willkommen. Allerdings denke ich, dass wir sowieso bald umziehen werden müssen. In dieser Geisterstadt kann man ja nicht viel arbeiten.", fügte sie spöttisch und ein wenig traurig hinzu. Abbeville war für viele Jahre ihr Zuhause gewesen. Es nun so zu verlassen erschien ihr nicht richtig. Thymian umarmte Kate kurz und meinte gerührt:
"Danke. Das ist ein nettes Angebot. Ich werde mit Ariadne darüber sprechen." Kate nickte.
"Tu das. Gute Nacht, Thymian."
"Haha, gefällt dir mein ganzer Name besser?"
"Er ist außergewöhnlich!"
"Danke. Gute Nacht". Thymian stieg die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Aria lag bereits im Bett und spielte mit ihrer Herzkette.
"Die Dusche ist frei. Es ist ein herrliches Gefühl. Seit ich ein Mensch bin, fühlt sich alles so intensiv an."
"Stimmt. Grandmeres Essen hätte mich beinahe zum Weinen gebracht.", lachte Thymian und ging duschen. Ariadne hatte recht. Seine Haut war sensibler und alle Farben, jeder Geschmack schien verstärkt. So fühlte es sich also an ein Mensch zu sein. Wer hätte gedacht, das die Menschenwelt noch schöner werden könnte. Stunden später lagen Aria und Thy nebeneinander im Bett. Eng aneinander gekuschelt hörten sie ihren schlagenden Herzen zu.
"Kate hat uns angeboten bei ihr zu Bleiben." , meinte Thymian und brach damit das Schweigen. Aria richtete sich auf und sah ihren Geliebten an. "Werden wir bleiben?"
"Ich habe nicht für uns geantwortet. Was denkst du?" Aria legte ihren Kopf an seine Brust.
"Ich liebe Kate und Amy und Grandmere. Sie sind wichtig. Aber ich will mich nicht in eine bestehende Familie integrieren, ich will eine eigene Familie. Unsere Familie."
"Ich weiß was du meinst. Meine Gedanken waren in dieselbe Richtung gegangen. Das heißt wir gehen und bauen uns etwas eigenes auf." Aria nickte langsam. "Ich werde sie zwar wahnsinnig vermisse, aber ja."
"Ich werde sie auch vermissen, aber wir können sie jederzeit besuchen. Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten, Engel."
5 Monate später
"Ich glaube, dass Baby hat gerade getreten!", rief Aria erfreut. Thy rannte zu ihr und legte sofort eine Hand an ihren runden Bauch.
"Das ist wirklich aufregend!", meinte er lächelnd. Aria strahlte und scheuchte ihn wieder an seinen Schreibtisch.
"Ich bin fast fertig mit den Vorbereitungen. Danach können wir uns einen Film ansehen wenn du magst?"
"Ja, das wäre schön." Aria stellte sich an das Fenster und sah auf die menschenbevölkerte Straße. Heute war wieder eine dieser Parties und es herrschte reges Treiben trotz der späten Stunde. Nach den Geschehnissen in Abbeville hatten sie sich ein kleines Apartment in New Orleans gemietet und ein eigenes Leben begonnen. Die Wohnung war nicht groß aber genug für sie beide, zumindest am Anfang. Wenn das Baby da war müssten sie sich sowieso etwas anderes überlegen. Aber das hatte noch genügend Zeit.
Überall standen Blumen und sie hatten Plastiksterne an die Decke gehängt. Für Außenstehende musste ihre Wohnung wie ein Kinderparadies aussehen, doch sie beide störte dies keineswegs. Es war ihr Paradies. Thymian arbeitete als Lehrer in einer kleinen Volkschule. Maddie hatte alle notwendigen Papiere unterschrieben und abgeschickt. Es war durchaus praktisch jemanden zu haben der sich mit Urkunden und anderen Papieren auskannte.
Aria sah jeden Tag wie sehr er diesen Job liebte. In ein paar Monaten wenn das Baby kommen würde, wäre er sicher ein großartiger Vater. Sie selbst arbeitete in einer Kampfschule. Zuerst hatte sie dort selbst bei Turnieren mitgemacht und durch das Preisgeld ihren Lebensunterhalt verdient. Nun da sie ein Kind erwartete unterrichtete sie Erwachsene wie Kinder. Aber sobald ihre kleine Tochter auf der Welt war, würde sie wieder kämpfen. Ihr Leben wäre sonst nicht perfekt.
Thymian stellte sich neben sie und schlang einen Arm um ihren Körper. "Wir haben es geschafft. Wir haben unser eigenes Leben und die freie Wahl wie wir es Leben wollen.", flüsterte Thymian an ihrem Scheitel. Aria begann zu weinen, die Tränen sprudelten nur so über ihre Wangen. "Diese doofen Schwangerschaftshormone!", meinte sie weinend und lachend gleichermaßen.
"Bin ich dir wichtig, Thymian?" Dieser sah ihr in die Augen und lächelte. "Das wichtigste in meinem Leben!" Er hatte seine Antwort geändert, denn seit Abbeville musste er seine Antwort nicht mehr verstecken.
Sie mussten sich nicht mehr verstecken.
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Hochzeit von Himmel und Hölle
FantasyAriadne und Thymian sind anders. Das haben sie immer gewusst. Ariadne ist kein typischer Engel und Thymian kann die Hölle nicht leiden. Doch ihre Andersartigkeit bringt sie zusammen und gemeinsam wollen sie in der Welt der Menschen ein neues Leben w...