7. Kapitel

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Wo bringt man einen riesigen Drachen unter? Meister Alberto bot mir an bei ihm etwas ausserhalb der Stadt zu wohnen. Zusammen ritten wir auf zwei Pferden in Richtung der Weinberge. Eia wurde in der Arena von Trainer Salvatore derweilen versorgt und würde so bald wie möglich nachreisen. Als Alberto sagte, er wohne in einfachen Verhältnissen, dachte ich an ein einfaches eingeschossiges Steinhäuschen. Doch was mich erwartete war ein mehrgeschossiges Kalksteinhaus. Es besaß sogar einige Balkone. Der Eingang wurde mit einem großen Doppelbogen aus Stein gekennzeichnet.Dorthin führte ein kleiner Pfad zwischen den Weinbergen hindurch. Leuchtende Fackeln musterten die Hauswand.Der Geruch von Lavendel hing in der Luft und für einen Augenblick schloss ich die Augen, und den Duft zu geniessen. Vor dem Torbogen bogen wir links ab zu den Stallungen und versorgten die Pferde. Anschließend gingen wir in den Innenhof den man hinter dem Eingang hatte erspähen können. Hier waren Menschen mit ihrer Arbeit so beschäftigt, dass sie uns kaum bemerkten. "Das sind sozusagen meine Mitbewohner", flüsterte Alberto mir zu. Doch ich verstand nicht ganz. Er führte mich durch die kleine Menschenmenge zu einer einfachen Holztür, die wohl ins Innere des Hauses hineinführte. Kaum war ich durch die Tür getreten, schlug mir der Geruch von essbarem entgegen. Allerdings konnte ich es nicht genau zuordnen was es war. Er führte mich durch eine unerwartet kleine Eingangshalle, an einer riesengroßen Holztreppe entlang, an mehreren geschlossenen Türen vorbei, zu einer kleinen Steintreppe. Ich hätte sie übersehen, wenn Alberto mich nicht darauf hingewiesen hätte. Die Treppe schlängelte sich zwei Geschosse in die Höhe, bis wir im Dachgeschoss ankamen. Dort befand sich ein schmaler Gang und zwei Türen. "Die erste Türe ist mein Zimmer. Das grössere zweite ist noch frei. Camilla wird nichts dagegen haben wenn wir noch einen Gast bekommen." wandte sich Alberto mir zu. Ich sah ihn fragend an, doch er begriff wohl nicht was ich meinte. "Wer ist Camilla und wovon soll ich das bezahlen?" fragte ich. Alberto zuckte anfangs nur die Schultern. Als ich aber nicht locker ließ und auf eine Antwort bestand, gab er nach. Nicht ohne die Augen zu rollen. "Dieses Zimmer ist sozusagen mein zweites Schlafgemach." Ich spürte, dass es nicht alles war. Doch ich wollte es vorerst dabei belassen.

Als ich die Tür öffnete betrat ich ein geräumiges Zimmer mit einem kleinen Balkon. Neben dem breiten Doppelbett, welches aus kunstvoll geschmiedeten Eisen bestand, stand eine Waschschale aus Keramik. In der Ecke gegenüber des Bettes befand sich ein Holzschreibtisch mit einer Gaslampe. Ich staunte über die luxuriöse Ausstattung des Raumes. Bislang war ich nur einfache Betten aus Holz und Stroh gewöhnt. Gaslampen hatten nur Bewohner mit mehr Geld in den Taschen. Ich durchquerte den Raum und schob die Vorhänge aus Leinen beiseite. Ich betrat den Balkon. In der nahen Ferne erkannte ich Siena, das in der Abenddämmerung lag. Von weitem erkannte man die Fackeln, welche wohl auf den Straßen brennen mussten. Obwohl die Sonne schon unterging, war noch die Wärme des Tages zu spüren. Ein leichter Wind kräuselte mein Haar. Ich spürte die Verbindung zwischen dem Drachen und mir. Sie gab mir zu verstehen, dass sie ziemlich bald nach kommen konnte. Das erleichtert mich vorerst.

In Gedanken ließ ich nochmal das Geschehen der letzen Tage durch den Kopf gehen. Gedankenverloren wusch ich mich. Dabei hatte ich wohl nicht gemerkt wie jemand rein kam. Denn als ich mir wieder mein Hemd anziehen wollte, stand Alberto im Raum. Ich erschrak und hätte fast die Schale umgeworfen. Entsetzt hielt ich mir das Hemd vor die Brust. "Hättest du dich nicht ankündigen können?" sagte ich schockiert. Er schien mein Unbehagen erst jetzt zu bemerkten. "Es tut mir leid." gab er reumütig zu und drehte mir den Rücken zu. Schnell streifte ich das Hemd über. "Was willst du hier?" leichter Vorwurf klang in meiner Stimme mit. "Es gibt Abendessen." Es erschien mir im ersten Augenblick fast schon zu simpel, dass ich verwirrt war. Alberto schien mein verwirrt sein falsch zu deuten und griff nach meiner Hand. "Keine Sorge. Es sind viele Leute in dieser Wohngemeinschaft. Und keiner von uns ist älter als Fünfundzwanzig. Bis auf Camilla natürlich."

Das Essen fand, wie ich feststellte, im Hof statt, den wir bei unserer Ankunft durchquert hatten. Alle redeten mit einander. Als Alberto und ich an den Tisch kamen verstummten sie jäh. "Das ist Aurea. Die Drachenreiterin." stellte er mich vor. Begrüßendes Gemurmel kam mir entgegen. Wir setzten uns and die einzigen freien Plätze am Fußende des Tisches. Dann begannen auch schon wieder die Gespräche. Die Frau, die neben mir saß, stellte sich als Camilla vor. "Nett dich kennenzulernen Aurea. Bleiben wir doch gleich bei dem Du. Wann seid ihr angekommen?" fragte sie. Ihre Warmherzigkeit war eine freudige Abwechslung. Gerade als ich antworten wollte, kam mir Alberto zuvor. "Am späten Nachmittag. Ich habe Aurea in das Zimmer neben mir einquartiert. Alessia's Zimmer." Sein Blick wurde traurig. "Ruhe in Frieden", flüsterte Camilla kaum hörbar. Ich traute mich nich nachzufragen. Nicht an diesem Abend.

Nach dem Abendessen halfen wir alle zusammen das Geschirr aufzuräumen und zu waschen. Keiner sagte ein Wort. In diesem Moment kam ich mir fehl am Platz vor. Irgendwie unerwünscht. Nach und nach wurden es weniger Leute. Mit einem "gute Nacht" verabschiedeten Alberto und ich uns bei Camilla. Ich folgte ihm den ganzen weg schweigend. Bei dem Schein der Gaslampen in den Fluren, wirkte Alberto wesentlich älter als fünfundzwanzig. Sein schwarzes Haar schimmerte gräulich. Genau wie sein drei-Tage-Bart. Trotz des wenigen Lichts stachen seine hellgrünen Augen heraus. Vor meinem Zimmer blieben wir stehen. Ich wusste eigentlich nichts über ihn. Mit einem Mal näherten sich seine Lippen den meinen. Es war ein sanfter Druck auf den Lippen. Seine Hände legten sich auf meinen Rücken. Ich schlang meine Arme um seinen Hals. Langsam glitten seine Hände meinen Rücken entlang und blieben auf Höhe meiner Hüfte liegen. Er zog mich enger an sich heran. Ich löste mich als erste. Doch ich ließ meine Hände wo sie waren. Auch er machte keine Anstalten seine wegzunehmen. Ich konnte den Herzschlag an seiner Brust spüren. Seine Finger spielten mit einer meiner Haarlocken.  Wie ausgewechselt zog Alberto seine Hände weg und ging in sein Zimmer und ließ mich alleine im Flur stehen.

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