Von Camilla hatte ich von einer Bibliothek erfahren, die in den Weiten der Toskana liegen musste. In dieser Bibliothek konnte ich mehr über meinen Drachen heraus finden und gleichzeitig Zeit mit ihm verbringen. Alberto stand etwas Abseits des Geschehens. Gedankenverloren sah ich ihn an. Bevor ich aufbrach, gab Camilla mir noch eine kleine Tasche mit Lebensmitteln. Verstohlen sah ich ein letztes mal zu Alberto. Dann setzte ich mich auf meinen Drachen und flog davon.
Tage lang flogen wir über die Toskana. Das einzige was ich von dem Land kannte, in dem ich lebte, war meine Heimatstadt Siena. Die Toskana war eine wunderschöner Landschaft. Trotz der derzeitigen Dürre, blühte das Land. Auf unserer Suche machten wir in kleinen Bauernhöfen mit riesigen Olivenhainen halt. Die Bauern, die dort lebten, bestaunten uns und fragten uns Löcher in den Bauch. Sie gewährten uns Unterschlupf und versorgten uns mit Lebensmitteln. Ich blieb nie länger als zwei Tage. Ich spürte wie sie grosse Hoffnungen hegten, dass ich eines Tages das Land verbessern würde.
Aus der Luft erkannte ich ein riesiges Gebäude aus Glas. Vor Staunen blieb mir der Mund offen stehen. Dieses Gebäude war ungefähr so gross wie die Weinberge rund um Siena. Türme ragten Meter hoch in die Luft. Mehrere Flüsse führten durch Tore in das Innere des Gebäudes. Eia landete zwischen zwei Wasserstrassen. Ich staunte noch immer über das imposante Gemäuer. Ich ging auf eine breite Flügeltür zu. Diese öffnete sich wie von Zauberhand, als ich nur noch wenige Schritte davon entfernt war. Ich betrat eine Eingangshalle, deren Grösse nicht beschreibbar war. Die Wände waren bis in den Himmel hinein mit vollen Regalbrettern gefüllt. Der Geruch von alten Büchern stieg mir in die Nase. Für einen Moment schloss ich die Augen. Wir gingen noch etwas weiter und sahen einen Balkon, der in das Haus reinreichte. Ich ging an das Geländer und sah nach unten. Die Wände reichten mindestens zwei Stockwerke in die Tiefe. Zwischen den Stockwerken waren immer wieder Balkone. Einige der Bücherregale konnte man nur mit einer klapprig aussendend Leiter erreichen. Es sei den man hatte einen Drachen. An den Regalen waren Vorsprünge, an denen sich Drachen mit ihren Krallen festhaken konnten. Es waren so viele Bücher, das ich gar nicht wusste wo ich anfangen sollte. Ratlos sah ich meinen Drachen an. Doch ich spürte auch ihre Ratlosigkeit. "Wer verwaltet überhaupt diese Sammlung?" fragte ich. Wie aus dem Nichts trat ein alter Mann mit bodenlangem, weissen Bart durch einen Torbogen. "Ich verwalte das alles hier. Freut mich euch kennenzulernen Aurea und Eia Schattendrache. Ich habe mich schon gefragt, wann ihr hier auftaucht." sagte der Mann. Doch eine Frage blieb mir noch unbeantwortet. Das Fragezeichen war mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn der Mann antwortete: "Ich bin Eurasmus" Dieser Name war seltsam. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich hier direkt wie Zuhause. Eurasmus führte uns ein wenig herum und erklärte welche Bücher in welcher Ebene zu finden waren. Wenn wir Hilfe bei etwas brauchten, sollten wir einfach an seinem Büro an die Tür klopfen.
Wir machten uns auf die Suche nach den Büchern der Drachenmagie. Sowohl Eia als auch ich wussten kaum bis gar nichts darüber, was unsere Kräfte waren. Wir stöberten in der obersten Etage eines Turmes. Auf der Terrasse konnten wir uns ausbreiten. Ausser uns war keine in diesem Palast aus Büchern. Drachen haben Heilfertigkeiten, mit denen sie sich und ihren Reiter von den schlimmsten Verletzungen heilen konnten. Wenn der Drache ausgewachsen war, besaß er genügen Kraft, um drei Tage am Stück ohne Essen durch zu fliegen. Im Unterbewusstsein besassen sie das Wissen von vielen Generationen vor ihnen. Und das nur weil es im Blut gespeichert war. Wir fanden unzählige Formeln und Zeichnungen um dieses Wissen hervor zu rufen. Einige Formeln probierten wir sogar aus. Doch es half nichts. Ich hatte ja keine Übung in so etwas. In einem ziemlich dicken Buch las ich, dass man als Drachenreiter über machtvolle geistige Fähigkeiten besitzen konnte. Doch das war von dem Drachen abhängig. In einer Liste wurden die verschiedenen Arten aufgeführt. Der schwarze Drache, wie es Eia war, war der Drache für Unwetter und starke Regenfälle und spiegelte zugleich unergründliche Weisheit wieder. Gedankenverloren sah ich auf. Als ich weiter blätterte sah ich eine Zeichnung, die eben jenen Drachen zeigte. Auf der darauf folgenden Seite stand wie man beispielsweise einzelne Regenwolken beschwören konnte. Auf Pergamentrollen schrieb ich mir zahlreiche Notizen und Gedanken auf, die ich in den dicken Büchern fand. Diese waren sowohl für mich als auch für meinen Drachen nützlich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sah ich aus dem Fenster. Es war schon dunkel und in dem Gebäude leuchtete keine einzige Fackel. Trotzdem sah ich alles klar und deutlich um mich herum. Das musste wohl eine Fähigkeit sein, die man als Drachenreiterin erhielt. Zusammen suchten wir das Büro von Eurasmus auf. Der Raum erschien mir im Vergleich zum Rest zu klein. Auf einigen Kissen an einer Feuerstelle lagen seltsame Steine, die in verschiedenen Farben angemalt waren. Da kam mir eine Erkenntnis. "Sind das Dracheneier?" hauchte ich. "Was sollte es denn sonst sein" entgegnete Eurasmus. Kam auch Eia von hier? In Gedanken fragte ich sie, ob sie diesen Ort irgendwo her kenne. Zu meiner Überraschung bejate sie die Frage. Eurasmus bot uns an, bei ihm zu schlafen und am nächsten Morgen könnten wir weiter stöbern. Den restlichen Abend sassen wir zusammen und assen. Camilla hatte mir sogar kleine Küchlein in die Tasche eingepackt. Eurasmus erzählte von seinem Leben als Drachenhüter und Bibliothekar. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es sehr einsam sein musste. Vor allem wenn der Arbeitsplatz die Fläche von mehreren Weinbergen hatte. Eurasmus war selbst einmal ein Drachenreiter gewesen. Doch sein Drache, ein weisser Sonnendrache, war in einem Krieg getötet worden und er musste mit dem Schmerz weiter leben. Zu Tränen gerührt lauschte ich seiner Geschichte und bekam regelmäßig eine Gänsehaut. "Naja. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass ich in jeder Hinsicht Glück hatte. Ich wurde in jungen Jahren Drachenreiter, habe einen Krieg überlebt und mehrere Generationen von Königen erlebt." beendete er seine Lebensgeschichte. Ich starrte ihn noch immer ungläubig an. "Es ist Zeit schlafen zu gehen." durchdrang der Mann die Stille.
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Drachenreiter
ParanormalAufgrund einer Zeremonie erlebt Aurea das Abenteuer ihres Lebens. Dabei gerät nicht nur sie in Gefahr, sondern auch diejenigen, die sie lieben gelernt hat. (Alle Rechte liegen bei mir)