5. Weekend with G/. Pt 2

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Starke Bässe bringen die Leute zum kreischen. Langsam setzt eine Klaviermelodie ein.

Wie in Zeitlupe dreht die Person sich um und steht direkt im weißen Licht der Scheinwerfer.

Viel kann ich jedoch nicht erkennen. Weder das Gesicht, noch die Haarfarbe. Aber es ist auf jeden Fall ein Mann und, wie ich von den Fotos auf der Website und auf seinem Insta Account entnehmen konnte, auch ziemlich gut trainiert.

Wie auch auf jedem der Bilder trägt er eine schwarze matte Maske mit zwei verschieden farbigen Streifen, die aus dem linken Auge wie Tränenbahnen hinauslaufen. Einer ist blau, der Andere rot. Auf der Wange hat er seinen Namen in schwarzen Lettern geschrieben. Unter seiner Kapuzenjacke mit dem roten Futter kann ich ein schwarzes Shirt erkennen. Irgendwas ist in der kleinen Brusttasche.

Zudem hat er noch eine schwarze Cap auf, welche er tief ins Gesicht gezogen hat. Seine Hose ist ebenfalls schwarz, jedoch schon ziemlich zerfleddert. Wenn ich näher an der Bühne stehen würde, könnte ich auch die Ketten rasseln hören, die an seinem Gürtel baumeln.

Ein zufriedenes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Der hat nicht mal so schlechten Geschmack. Zumindest was Mode angeht. Würde ich auf Männer stehen, würde ich mich vielleicht sogar in ihn verlieben. Aber da das eh nicht der Fall ist, kann es mir egal sein.

Nach ein paar Minuten, in denen er ein paar kurze Worte gesagt hat, legt er auch endlich los mit seinem Auftritt. Von seiner Internetseite weiß ich, dass er immer nur 30 Minuten auf der Bühne steht. Wieso es nicht länger ist, ist mir ein Rätsel.

Sein erstes Lied ist kräftig und strotzt nur so vor Kraft. Die anderen sind weniger aggressiv, aber trotzdem haben alle diese gewisse Stärke und bei zwei Liedern spüre ich als Musiker, dass er in diesen seine negativen Gefühle verarbeitet hat. Seine Stimme nahm einen etwas traurigen und melancholischen Klang an und sein Rap wurde kälter, distanzierter, aber irgendwie trotzdem weicher.

Aber es ist wirklich kaum Gesang dabei. Ja gut, was habe ich erwartet? Er ist ein Underground Rapper. Trotzdem würde ich mir das echt wünschen. Wenn er solche Songs schreibt, wieso dann nicht mal für ein Duett einen ausarbeiten? Ich meine, es würde bestimmt genial werden. Und es gibt bestimmt genug Künstler, die mit ihm zusammen arbeiten wollen würden.

"Und, wie fandest du ihn?", fragt unser Sportler ganz aus dem Häuschen. Was für ein Fanboy der einfach ist. Belustigt schüttle ich den Kopf: "Ganz gut." "Ganz gut?! Hallo?! Sag mal, geht es dir gut? Willst du mal an die frische Luft?", und der Kaugummi mischt sich wieder mal ein. "Keine Sorge, mir geht es gut. Aber er könnte noch mehr aus seiner Musik machen.", schulterzuckend greife ich nach meiner Cola.

"Hast du denn Vorschläge für mich, wie ich das machen könnte?"

Erschrocken verschlucke ich mich an meinem Trinken und starre die Person vor mir aus großen Augen an. Oh, mist. Der hat das echt gehört.

Mitfühlend klopft Klein-Umma mir auf den Rücken, während die anderen Beiden mich schadenfroh auslachen und immer wieder zu unserem Besucher gucken, der sich etwas angespannt neben mir nieder lässt. "Also, was meintest du eben?", nervös kaut er auf seiner Lippe herum. "Nun ja. Kommen wir mal zum Positiven. Du hast eine sehr angenehme Stimme und mit deiner Kleiderwahl heute bin ich auch ziemlich zufrieden. Deine Lieder sind zwar recht abwechslungsreich aber es klang nicht immer so, als ob es dich wirklich betroffen hat oder ein Teil von dir ist. Außer bei zwei, ich glaube 'Only Live' und 'WW'. Außerdem könntest du vielleicht mal variieren, was die Instrumente angeht. Meistens hast du Klavier, Schlagzeug und dann eben noch den ganzen technischen Kram. Aber wie wäre es, wenn du mal etwas machst, wo ein Instrument besonders in den Vordergrund rückt?" "Hm, und welches würdest du da vorschlagen?" "Nun, Gitarre würde ich persönlich favorisieren. Aber Saxophon oder Akkordeon wären vielleicht auch mal interessant." "Aber ich kann die nicht spielen und kenne auch keinen, der eines dieser Instrumente spielen könnte", wirft er seufzend ein und lässt sich etwas weiter an der Lehne hinab rutschen. "Ich kann Gitarre spielen, ein Freund aus Busan spielt Saxophon, meine Klassenkameradin von der letzten Schule spielt schon seit zwölf Jahren Akkordeon und einer aus meinem ehemaligen Basketballteam kann Geige spielen.", zähle ich auf. "Hm, vielleicht werde ich mal darauf zurück kommen. Aber bisher habe ich immer nur alleine gearbeitet." "Merkt man. Ich könnte mir gut vorstellen, dass du mal mit einem Sänger zusammenarbeiten könntest. Und wenn der dann noch ne passende Stimme hat, könnte das eine fantastische Klangfarbe werden."

"Ich werde darüber nachdenken.", lacht er leise und nimmt dankend das Glas von dem Kellner an. Wieso der überhaupt hier rumläuft ist mir ein Rätsel. Aber gut, dass ist der VIP Bereich und hier sitzt einer ihrer besten Solokünstler.

"Wie heißt du eigentlich?" "Lee Sang, aber Sang reicht. Und deinen wahren Namen wirst du mir sicher nicht verraten oder?" "Korrekt." Gemeinsam lachen wir. "Wie lange spielst du schon Gitarre?" "Oha, schon eine ganze Weile. Mittlerweile dürften es vierzehn Jahre sein. Meine Freunde beschrieben meine Beziehung zu ihr immer so: Wenn ich könnte, würde ich sie heiraten."

Doch ehe er reagieren kann kommt eine blauhaarige junge Frau zu uns.

"Entschuldigung, dürften wir ein Foto mit dir machen, G/.?", nickend steht gefragter auf und stellt sich lächelnd neben die Mädchen Gruppe und lässt schweigend alles über sich ergehen, sowohl die gefühlt tausend Umarmungen, als auch die Fragen, Komplimente und das kleine Blitzlichtgewitter.

Kopfschüttelnd wende ich mich ab. Der kommt so schnell nicht wieder. Schade eigentlich. Immerhin haben wir gerade angefangen uns zu unterhalten. "Du scheinst ja 'nen guten Draht zu ihm zu haben.", in der Stimme von Ungjae schwingt Eifersucht mit. "Ja, ich hätte gedacht, dass er abgehobener ist. Aber er ist wirklich nett und hat sich das, was mir aufgefallen ist, auch aufmerksam angehört. Vielleicht nimmt er es sich ja mal zu Herzen." Jeup lacht leise und zieht den Maknae zurück: "Bestimmt. Weißt du, es ist selten, dass er negative Dinge zuhören bekommt. Meistens sagen die Leute nur das positive und loben ihn. Ich habe schon mal mit ihm gesprochen und er meinte, dass er wirklich gerne mal hilfreiche Kritik hätte. Und anscheinend hat er die ja jetzt bekommen." Erstaunt sehe ich zu ihm: "Ach ja? Hm, aber wirklich viel Kritik war es ja nicht. Aber okay." "Ansichtssache.", nuschelt Taeho und starrt besorgt zu dem Sofa uns gegenüber, auf welchem sich die beiden Rosa/Pinkhaarigen gerade an den Haaren ziehen und streiten. Okay, wie kam es jetzt dazu? Ich war ein paar Sekunden abgelenkt und nun?

"Sorry, Sang. Ich muss los, bis später.", jemand zerstört lachend meine Frisur und wütend schreie ich G/. hinterher, dass er gefälligst seine Griffel von meinen Haaren lassen soll. Tja, bedauerlicherweise sehe ich nur noch seine wehende Jacke, als er die kleine Treppe herunter sprintet und mir auf den Weg noch einmal zuwinkt. Grinsend erwidere ich die Geste. Vielleicht sollte ich öfters kommen. Immerhin ist er ein echt cooler Typ und es macht mir irgendwie Spaß ihm dabei zuzusehen, wie er da seine Show abzieht.

Wir bleiben noch bis vier Uhr morgens, ehe wir uns langsam unseren Weg durch die Schnapsleichen bahnen und ich immer wieder von betrunkenen angerempelt werde. Schon vor der Tür des Clubs verabschieden meine Begleiter sich. Ungjae haben sie irgendwie auf dem Rücken von Jeup platziert, da er eingeschlafen und nicht mehr wach zubekommen ist. Und auch unser Blondchen nickt schon im Laufen immer öfters ein. "Wir sehen uns dann Morgen.", schmunzle ich, als unser Zweitältester von dem Sportler an der Hand genommen wird und dieser ihn beinahe liebevoll durch die Straßen dirigiert.

Ich vergrabe die Hände in den Jackentaschen und schlendere gemütlich Richtung nach Hause.

Leise schleiche ich mich hinein. Meine Mutter sitzt noch am Küchentisch. Anscheinend hatte sie gewartet, dass ich wieder komme. Ein Blick auf die alte Uhr verrät mir, dass ich mir mit dem Heimweg doch mehr Zeit gelassen hatte. Immerhin ist es um fünf. Das bedeutet, dass Dad wieder einmal nicht zu Hause war. Und auch, dass Mum jetzt langsam aufstehen muss, wenn sie pünktlich zur Arbeit kommen will.

"Mum, wach auf. Du musst gleich zur Arbeit.", vorsichtig rüttle ich an ihrer Schulter und gähnend streckt sie sich. "Sang, wann bist du denn wieder gekommen? Ich habe auf dich gewartet." "Tut mir leid. Es ist später geworden. Ich hatte mit den Jungs viel Spaß und habe sogar jemanden Neues kennengelernt." Liebevoll streicht sie mir ein Strähne aus dem Gesicht und genehmigt sich etwas von dem Kaffee, den ich ihr gekocht habe: "Es freut mich, dass du diesmal so schnell jemanden getroffen hast. Stell mir deine Freunde doch bald mal vor, ja?" Lachend stimme ich zu und so sitzen wir noch eine Stunde an dem runden Tisch und reden über meine neue Schule, G/., und meine Jungs.

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