32. Ein ganz normaler anderer Tag als sonst

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Gähnend strecke ich mich und sehe zu dem Gewicht auf meiner Brust. Jian liegt halb auf mir und hat uns beide in die flauschige braune Decke aus dem Wohnzimmer eingewickelt. Mein Blick wandert nach oben, als ich realisiere, dass wir immer noch draußen sind. Der Himmel ist sternenklar, keine einzige Wolke. Ein Arm schiebt sich über meinen Bauch und ein Bein quetscht sich unter die meinen. Mein kleiner Klammeraffe drückt sich an mich und vergräbt die Nase an meinem Hals. Ich zupfe die Decke zurecht und halte ihn fest. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Handschellen noch immer nicht ab sind. Suchend blicke ich mich um und entdecke eine kleine weiße Schachtel, immerhin wollte Ungjae den Schlüssel doch heute vorbei bringen, oder?

Nur durch ihre Farbe kann ich den weißen Karton jetzt in der Nacht erkennen. Neugierig strecke ich mich danach, muss jedoch feststellen, dass ich nicht daran komme. Also muss ich wohl bis zum Morgen warten. Immerhin will ich ihn nicht wecken.
Sollten Ungjae ihn vorbeigebracht haben, dann hat er uns wohl auch die Decken gebracht. Zum Glück.

Seufzend starre ich nach oben und meine Augen weiten sich leicht, als eine Sternschnuppe vorbei rauscht. "Ich wünsche mir, dass ich mit Jian glücklich werden kann.", flüstere ich leise. Ob es stimmt, dass das, was man sich wünscht, wenn man Sternschnuppen sieht, in Erfüllung geht? Und wie kam ich gerade darauf?

Konzentriert starre ich auf die braunen Haare und streiche mit dem Daumen über seine vollen Lippen. Ich zucke leicht zusammen, als er kurz zubeißt und wie ein kleines Kind kichert. Hat er gerade wirklich gesagt, dass das sein Lieblingslolli ist? Verblüfft schüttle ich den Kopf.

Der Kerl verblüfft mich wirklich immer wieder. Kurz drücke ich ihm einen Kuss auf den Scheitel und betrachte, wie seine Mundwinkel noch weiter nach oben wandern und kleine Falten an seinen Augen entstehen. Er ist wirklich ziemlich süß, wenn er schläft.

Glücklich kuschle ich mich näher an ihn, so fern das überhaupt noch möglich ist. Immerhin passt zwischen uns kein Blatt mehr.

Eine Weile betrachte ich Ji, ehe ich erschrocken feststellen muss, dass die Sonne schon wieder aufgeht. Liebevoll lege ich meine Lippen auf seine, und erst nach ein paar Minuten scheint wieder etwas Leben in ihn zu kommen. Verwirrt blinzelt er mich an, erwidert aber freudig, als er die Situation begreift. "Du bist mal eher wach als ich.", lacht er leise und versucht seine Beine zu entknoten. "War Ungjae gestern da?" "Uhm ja. Für nicht mal eine Minute. Aber er hatte den Schlüssel vergessen, also joa. Wir werden heute auch nochmal zusammen gekettet sein...", gesteht er leise, "Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich dir noch länger auf der Pelle hocke." Wieso ist da dieser traurige Unterton? "Keine Sorge, ist okay. Ich hatte nur eigentlich geplant zu duschen..." "Dem steht doch aber auch nichts im Weg.", aus großen unschuldigen Augen sieht er zu mir und ich schlucke schwer. "Vergiss es!" "Ach, komm schon! Es gibt nichts an uns, was der andere nicht auch hat." "JIAN!" "Ja, das ist mein Name." Fassungslos sehe ich dabei zu, wie er lachend hin und her rollt. Oder es zumindest versucht.

"Komm schon, Sangie.", schnurrt er lächelnd, nachdem er sich wieder unter Kontrolle bekommen hat. Er lehnt sich an mich und hat die Hand auf meinem Bauch gebettet: "Wir können auch in Unterhose duschen, wenn dir das lieber ist."

Nachdem er wirklich beeindruckende Überzeugungsarbeit geleistet hat, stehen wir tatsächlich zusammen unter dem fließenden Wasser. Mit geröteten Wangen wende ich den Blick ab und versuche mir etwas einfallen zu lassen, um dieses unangenehme Schweigen zwischen uns zu brechen.

"D-Darf ich?", fragend sieht er mich von der Seite an, ehe er zögerlich die Arme um meine Hüfte legt. Wir haben uns so oft schon so gesehen, wieso geht es diesmal also so angespannt zu?

"Was ist das gerade?", frage ich seufzend und lehne mich an ihn. "Keine Ahnung. Es ist, als ob wir gerade wieder am Anfang stehen oder vielleicht auch ein wenig anders.", seufze ich und schließe die Augen. Langsam streicht er über den Knochen an meiner Hüfte, über meinen Bauch und meine Brust. Langsam entspanne ich mich. "Vielleicht haben wir einfach Angst irgendwas falsch zu machen.", seufzt er und starrt gedankenverloren auf die Glasscheibe, wo ein paar Tropfen nach unten rinnen.
"Hey, was ist los? Umso näher der Sonntag kommt, umso mehr bist du in Gedanken versunken und scheinst traurig zu sein.", ich lasse meinen Kopf auf seine Schulter fallen und Halt suchend lehnt er seinen an meinen.

"Ich habe Angst, wie du reagieren wirst..." "Auf was?" "Das wirst du dann noch früh genug erfahren. Der Gedanke, dass du mich hassen könntest und heute vielleicht der letzte Tag ist, an dem du wirklich mit mir zusammen bist, lässt mir den Atem stocken."

"Lee Jian! Ich werde dich nicht hassen wegen was auch immer. Und der letzte Tag wird das auch nicht sein, den wir zusammen verbringen werden. Vertrau mir. Egal, was es auch sein mag. So schlimm wird es schon nicht sein, hoffe ich.", weise ich ihn zurecht.

"Danke. Ich nehme dich beim Wort.", glücklich werde ich hin und her geschaukelt, ehe er sich lachend schüttelt. Die Spannung ist wie verfolgen. "Gut, dann werden wir uns jetzt noch einshamponieren, Haare waschen und umziehen.", Feuer und Flamme von seiner Idee nimmt er sich das rosa Rosen Shampoo meiner Mum, macht sich das auf die Hand und beginnt mit den Händen über meinen Körper zu fahren. "Wieso musstest du gerade das nehmen?" "Weil es das erste war, das ich in die Hände bekommen habe.", er hat ganz offensichtlich selbst keine Idee, weshalb. Meine Haare schäumt er auch mit dem Zeug meiner Mutter ein. Pfirsich-Marakuja. "Du magst es echt mir diese weibliche Rolle aufzudrängen, oder?", frage ich skeptisch, während ich überlege, welche Wäschen ich ihm aussuchen soll und er nickt, als wäre meine Frage unnötig gewesen.

Ach, wenn wir schon so Männer Frauen Sache machen, dann kann er auch der Mann sein und so riechen, wenn ich schon die andere Hälfte der Beziehung darstelle.

Eine Stunde später konnten wir endlich mit unserer Schaumschlacht aufhören und haben es auch ohne besonders große peinliche Vorkommnisse geschafft, uns umzuziehen.

"Ich hatte dir doch gestern versprochen, dass wir noch etwas kuscheln, nicht wahr? Hast du Lust ein bisschen zu singen?", schlage ich vor, als wir draußen alles aufgeräumt haben und auf dem Sofa sitzen.

"Als ob ich dazu 'Nein' sage, Sangie. Dann lass uns mal loslegen!", begeistert zieht er mich hoch und hantiert an der Musikanlage herum. Lächelnd stehe ich hinter ihm. Das mit uns könnte vielleicht wirklich was werden.

"Ach ja, hast du eigentlich dein Geschenk schon aufgemacht?" "Was meinst du denn?" Grinsend hält er mir die kleine weiße Schachtel von vorhin unter die Nase. Neugierig nehme ich es und entferne die silberne Schleife. "Ich hoffe, dass es dir gefällt", und schon werde ich auf das Sofa geworfen, wo ich mich an ihn schmiege und den Deckel entferne.

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