24. Gegenwart und eine Zukunft

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Warme Sonnenstrahlen kitzeln meine Nase und jemand zieht mich zu sich. Ich drehe mich zu ihm und entdecke den braunhaarigen am Handy, wo er irgendwas im Internet sucht. "Was ist denn bitte interessanter als ich?", murmle ich leicht verschlafen und bette meinen Kopf auf seiner Schulter. "Nichts, Sanggie. Ich überlege nur, was ich heute mit dir machen könnte.", er dreht sein Gesicht zu mir und haucht einen kurzen 'Gute-Morgen-Kuss' auf meine Stirn. Ich lege einen Arm über seinen Bauch und ein Bein über seine, ehe ich die Augen wieder schließe und etwas vor mich hin träume. Nach einigen Minuten beginnt er durch meine Haare zu streichen. Wieso ist das so beruhigend? Das macht er doch mit Absicht. Ich versuche standhaft zu bleiben und nicht einzuschlafen. Aber es funktioniert einfach nicht so, wie ich das möchte! Frechheit aber auch.

Ehe ich jedoch wieder komplett abdrifte spüre ich, dass Jian mir noch einmal seine Lippen aufdrückt und automatisch muss ich lächeln. Von mir aus müsste dieser Morgen nie enden.

Anfang des Traums

"Schatz, wach auf.", flüstert jemand und verteilt Schmetterlingsküsse auf meiner Schulter. Ich spüre, wie sich eine Gänsehaut von dort aus ausbreitet und wie diese Person meine Hüfte streichelt. "Sanggie, die Kinder kommen gleich.", versucht er es erneut und ich stutze. Kinder? Mehrzahl? Das heißt ja, dass es mindestens zwei sein müssen, oder?

Ich brumme leicht, was ihn zum lachen bringt: "Ich bringe die Beiden zur Schule und du bleibst liegen, okay? Immerhin hast du ja gestern lange gearbeitet. Bin in einer Stunde wieder bei dir. Ich liebe dich, Schatz." Noch ein Kuss und die Wärme neben mir ist weg, die Matratze hebt sich.

Verstimmt öffne ich nun doch meine Augen und sehe augenblicklich Jian, der mit dem Rücken zu mir steht und sich gerade eine Hose anzieht. Doch er ist älter geworden, erwachsen.

"Papaaaaaa! Min blockiert schon wieder das Bad!", ein kleiner Junge steht in der Tür und sieht verzweifelt zu Ji. "Yoseo, sei bitte etwas leiser. Daddy hatte gestern einen anstrengenden Tag.", er kniet sich vor den schwarzhaarigen und zupft an dem weißen Oberteil herum, damit es ordentlich aussieht. Bei dem Bild muss ich glücklich lächeln. Ist das unser Sohn?

"Daddy? Gibst du mir einen 'Bis-nachher-ich-habe-dich lieb-Kuss'?", aus tiefbraunen Augen sieht er über die Bettkante und entzückt beuge ich mich nach vorne und gebe ihm das Verlangte, ehe ich mich wieder in die flauschigen Kissen kuschle.

"Mingyu! Dein kleiner Bruder muss noch Zähne putzen, also hör auf dich zu verbarrikadieren!", donnert einige Minuten später die laute Stimme von Ji durch das Haus. Kurz darauf betritt jemand genervtes den Raum und legt sich neben mich. Ich erkenne, dass es anscheinend Mingyu, der Ältere der Beiden, ist. Seine Haare sind dunkelbraun und auf der Nase sitzt eine schwarze Nerdbrille. "Daddy, Papa ist unfair." "Wieso?", nuschle ich im Halbschlaf. "Immer bevorzugt er Yoseo! Immer dreht sich alles um den Kleinen! Und was ist mit mir? Hat er mich überhaupt noch lieb?", quengelt er und badet eine Runde in Selbstmitleid. Teenager und ihre Depriphasen immer. Ich lege einen Arm um ihn und sofort kuschelt er sich an mich. Welcher Jugendlicher hält denn so viel Nähe zu einem Elternteil freiwillig aus?
"Ach Minnie. So etwas darfst du niemals denken. Er hat dich lieb. Aber Yoseo hat einfach ein seltenes Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu begeben, etwas kaputt zu machen oder was weiß ich. Trotzdem bevorzugt er ihn nicht immer. Du merkst es vielleicht nicht, aber sehr oft rückt er auch dich in den Vordergrund. Sind wir einkaufen, dann möchte er dir am liebsten neue Kopfhörer kaufen, weil er weiß, dass du dir welche wünschst. Beim essen bekommst du oft zuerst etwas und so weiter. Glaube mir: Keiner von uns würde dich für irgendwas auf der Welt hergeben."
Wir schweigen eine Weile und Min vergräbt sein Gesicht an meiner Brust.
"Danke, Dad. Ich muss langsam los.", seufzend löst er sich von mir, winkt zum Abschied und eilt nach unten. Jian hatte ihn schon mehrfach gerufen, doch hatte er nicht reagiert. Hoffentlich macht er meinen Großen nicht vor unserem Kleinen zur Schnecke. Das würde sein Ego nur noch weiter angreifen.

Neben mir befindet sich eine Wärmequelle und er drückt sich eng an mich. Jian ist wieder da. "Schlaf weiter, Liebling. Es ist alles okay. Ich bin hier und passe auf.", er legt seinen Arm über meinen Bauch und zieht die Decke wieder etwas höher. "Ich liebe dich.", flüstere ich leise. Wieso das denn? Heißt das, dass ich mich in der Gegenwart für ihn entschieden habe? Aber was ist denn mit G/. passiert?

Ende des Traums

Ein seltsamer Geruch lässt mich die Nase rümpfen und in meinem Kopf beginnen die Alarmglocken zu läuten. Ich reiße die Augen auf. Neben mir liegt keiner mehr. Oh nein, irgendwas stimmt hier nicht. Wo kann er nur sein? Er wird ja nicht einfach gegangen sein, oder? Und wieso warte ich gerade darauf, dass jeden Moment Mingyu und Yoseo herein kommen? Der Traum war einfach zu real.

Ein lautes Scheppern lässt mich zusammen zucken. Schnell springe ich von der Matratze und eile die Treppen hinunter in die Küche. Leicht panisch reiße ich die Tür auf. Wenn das ein Einbrecher ist, kann der sich echt auf was einstellen! Aus dem mache ich Hackfleisch!

Belustigt ziehe ich eine Augenbraue nach oben und lehne mich an den Türrahmen, als ich den wahren Übeltäter erblicke. Kein Einbrecher, aber das Bild, was sich mir hier bietet ist auch so einmalig!

Jian sitzt vor dem Backofen und starrt etwas Kuchen ähnliches an. Seine Haare sind vom Mehl weiß und Teig hängt vereinzelt daran. Aber auch sonst sieht die 'Küche' nicht so aus, wie sie sollte, sondern eher wie ein Schlachtfeld.

"Das sieht ja sehr abenteuerlustig aus...", gebe ich schließlich meinen Senf hinzu. Ertappt schnellt sein Kopf zu mir, ehe er ihn entschuldigend senkt: "Tut mir leid. Ich wollte das nicht. Aber ich wollte dir eine Überraschung backen...Tut mir wirklich leid, Sang. Irgendwie lief es nicht wie geplant."
Ich hocke mich zu ihm und wische etwas Milch von seinem Ohr, ehe ich einen Kuss auf seine Wange drücke.
"Das ist wirklich niedlich. Danke. Wollen wir jetzt vielleicht zusammen unser Glück probieren?", schlage ich vor. Erleichtert sieht er zu mir. "Und...was ist mit meinem Kuchen?"
"Hm, er sieht nicht gerade super aus, aber vielleicht können wir ihn ja mal probieren, okay?"
Glücklich fällt er mir um den Hals.

Mit Schürzen bewaffnet stehen wir nun vor dem Kochbuch und suchen alles zusammen, was wir brauchen. "Wusstest du, Ji, dass Eier gut für die Haare sind?", frage ich gedankenversunken. Ich habe das früher mal ausprobiert. Etwas ekelhaft, aber es funktioniert. Etwas knackt und kurz darauf fließt etwas kaltes auf meiner Kopfhaut entlang und Hände massieren es sein. Erschrocken schreie ich und drehe mich wütend zu dem fies grinsenden Jian hinter mir. Schnell nehme ich mir auch ein Ei, zerschlage es auf seinem Kopf und knete es ein. Noch Zucker und Backpulver und wir könnten seinen Kopf theoretisch in den Backofen schieben. "Was tust du da?!", empört sieht er mich an, doch ich lache und halte mich an ihm fest, um nicht umzufallen. Er versucht zwar standhaft zu bleiben, bricht nach wenigen Sekunden jedoch in schallendes Gelächter aus.

Mit mehr oder eher weniger Konzentration backen wir also einen neuen Kuchen. Zugegeben, er sieht nicht sehr viel besser aus als der von Jian. Aber immerhin hatten wir dieses Mal beide unseren Spaß.
"So, die halbe Stunde ist vorbei.Wir sollten das Zeug so schnell wie möglich auswaschen, sonst wird das echt ekelhaft!", ich schüttle mich leicht bei dem Gedanken, nehme schnell die Hand von Ji und ziehe ihn in das untere Badezimmer. Gut, dass wir eins oben und eins unten haben. Sonst müssten wir dann noch das ganze Haus putzen.

Wir spülen uns gegenseitig die Haare über der Wanne und kichernd rubble ich mit einem weichen Handtuch seine trocken. Das hört sich an, als würden zwei kleine Mädchen sich gegenseitig die Haare flechten. Hilfe, wie alt sind wir denn bitte?

Wieder in der Küche stehen wir vor einer schweren Aufgabe: alles wieder in den Normalzustand versetzen. Na, das kann ja heiter werden.

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