Kapitel 10

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Er fuhr zu meinem Elternhaus. Woher wusste er, wo mein Elternhaus war? Und wer war er überhaupt? Stalkte er mich etwa? Natürlich tat er das, sonst hätte er ja nicht gewusst, wo ich war.

"Geh rein und hol deine Sachen. Wenn du in zehn Minuten nicht wieder da bist, dann komm ich persönlich rein und hol dich. Die Tür wird mich nicht davon abhalten können.", sagte er als er vor dem Haus anhielt. "Ach und eins noch, wage es ja nicht die Polizei zu rufen."

Ich bekam es langsam echt mit der Angst zu tun und nickte nur als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Dann stieg ich aus und ging ins Haus. Ich hörte Jessi im Wohnzimmer fröhlich vor sich hin summen und folgte dem Geräusch.

"Hey, Jessi. Kleine Planänderung. Ein Bekannter ist hier aufgetaucht und nimmt mich mit nach New York. So müsste ich nicht stundenlang mit der Bahn fahren." Hoffentlich kaufte sie mir das ab. Würde ich ihn verraten wäre auch sie in Gefahr und das wollte ich nicht.

Jessi drehte sich zu mir um. "So schnell schon?" Sie lief zu mir und schloss mich in ihre Arme. "Aber ich kann es verstehen. Für dich hängen hier zu viele Erinnerungen. Machs gut und ruf mich an, wenn du heil in New York angekommen bist!"

Ich versprach es ihr, obwohl ich gar nicht wusste, was der Typ da draußen vor hatte. Würde ich mich bei ihr denn überhaupt melden können? Was war sein Plan? Ich stieg die Treppe hoch in mein altes Zimmer, nahm meine Tasche und sah mich ein letztes Mal um. Wer weiß, ob und wann ich mal wieder hier her kommen würde.

Schweren Herzens und mit der Angst im Nacken verließ ich mein Elternhaus. Ich wusste nicht, wie es weiter gehen würde. Würde der Kerl so weit gehen und mich umbringen? Irgendwo hoffte ich, dass es so kommen würde. Denn so wäre ich bei meinem Vater und würde die innere Leere nicht mehr spüren, die mich seit seinem Tod befallen hatte.

Langsam ging ich auf das Auto zu, dass wohl mein verderben sein würde. Ich wusste nicht, was der Kerl mit mir vor hatte. Am Auto angekommen schmiss ich die Tasche auf den Rücksitz und stieg neben ihm ein. Jedoch weigerte ich mich ihn anzusehen oder mit ihm zu sprechen.

Er fragte mich jedoch noch mal, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hätte. Wieder schwieg ich. Mit ihm wollte ich nicht reden. Er biss die Zähne so fest zusammen, dass man seine Unterkieferknochen genau sehen konnte.

Die Fahrt ging schweigend weiter. Nach zwei weiteren Malen des fragens hatte er aufgegeben mit mir reden zu wollen. Aber irgendwie wollte ich seinen Namen wissen. Schließlich entführte er mich hier ja gerade.

"Wie heißt du?", fragte ich ihn deshalb. Immerhin musste man ja wissen, mit wem man es zu tun hatte. Seine Augen blitzten mich kurz an, bevor er wieder seinen Blick auf die Straße richtete.

"Nathan. Und du bist Leyla, richtig?", fragte er mich frech grinsend. Wenn er das schon wusste, wieso fragte er mich dann überhaupt?

Als Antwort nickte ich nur und sah wieder aus dem Fenster. Mittlerweile waren wir in Oklahoma City angekommen. Aber anstatt wieder aus der Stadt zu fahren, fuhr er gerade Wegs hinein. Vor einem noblen Restaurant blieb er dann stehen.

"So, Leyla. Wir werden jetzt da rein gehen und etwas essen. Insbesondere du. Du kippst mir sonst noch um und das will und werde ich vermeiden!", sagte er in einem bestimmenden Ton.

Ich hatte versucht, mich zusammen zu reißen, ehrlich. Aber der Kerl besaß eine Unverschämtheit, die ich nicht tolerieren würde. Egal, ob Entführer hin oder her. "Jetzt höre mir mal zu, Nathan! Ich werde weder mit dir in das Restaurant gehen noch werde ich mit dir etwas essen! Mal abgesehen davon, dass ich nichts runter bekomme!"

Er starrte mich wütend an. "Oh doch, du wirst! Es wird die letzte ordentliche Mahlzeit sein, bevor wir in den tiefsten Wald verschwinden! Danach müssen wir uns von dem ernähren, was der Wald so her gibt! Hier wird es auf Dauer zu gefährlich für mich! Obwohl ich den Raubüberfall gar nicht gemacht habe sondern mein misratener Zwillingsbruder!", fauchte er mich an und packte mich am Oberarm. “Hast du verstanden?"

Ich versuchte mich von ihm zu lösen. "Und was hab ich mit dem ganzen zu tun? Dir ist bewusst das du im Moment schon eine Straftat begehst, indem du mich entführst?"

Er schaute mich verdutzt an, bis er begriff, was ich da gesagt hatte. Erst schaute er geschockt, dann aber verhärtete sich sein Blick wieder. "Du bist meine Gefährtin. Du gehörst zu mir und zu keinem anderen! Und nun komm! Essen ist angesagt!", fuhr er mich an und stieg aus.

Ich hatte eigentlich vor sitzen zu bleiben. Aber da hatte ich nicht die Rechnung mit diesem Nathan gemacht. Als er bemerkte das ich nicht ausstieg, öffnete er kurzerhand die Beifahrertür, griff nach mir und schmiss mich über seine Schulter.

Nachdem er die Tür geschlossen und den Wagen verriegelt hatte, ließ er mich wieder runter. Dann nahm er meine Hand und zog mich ins Restaurant. Er suchte uns einen Platz ziemlich weit hinten.

Nathan studierte die Karte, während ich versuchte eine Möglichkeit zu finden von hier weg zu kommen. Als der Kellner kam und ich nichts bestellte, bestellte er für mich mit.

"Du wirst das essen, hast du mich verstanden?" Er schaute mich drohend an. Und ich bekam es wieder mit der Angst zu tun, denn in seinen Augen glühte etwas sehr gefährliches auf. Es sah fast so aus, als würde sich seine Augen in die eines Wolfes verwandeln. Aber so schnell dieses Funkeln kam so schnell war es auch wieder weg.

Als das Essen kam, aß ich ungefähr die Hälfte davon. Mehr bekam ich echt nicht runter. Er ließ den Rest einpacken, als wir bezahlten. Nachdem wir das Essen hatten verließen wir das Gebäude und fuhren weiter. Aber wohin wusste ich nicht. In dieser Gegend war ich noch nie zu vor gewesen.

LeylaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt