Als wir den Flughafen verließen, sah ich vermutlich aus wie eine Vogelscheuche. Ich hatte nur kurz geschlafen, meine braunen Haare waren verknotet und ausgetrocknet. Wie gesagt, ich sah aus wie eine Vogelscheuche.
Danny hingegen sah aus wie immer, seine braunen Haare waren perfekt gestylt und er sah mehr als cool aus mit seiner dunklen Jeans und seinem blauen Pullover. Ich war stolz darauf, einen Bruder wie Danny zu haben, nicht nur von außen, sondern auch von innen schön.
„Du siehst toll aus, Milia. Außerdem, wen möchtest du denn beeindrucken?", fragte er beiläufig, während er etwas auf seinem Handy nachschaute. Er hatte ja recht, aber trotzdem wollte ich einigermaßen in Ordnung aussehen, wenn ich seinen Teamkollegen begegnete. Deswegen kämmte ich mir schnell meine Haare und band sie zu einem Pferdeschwanz. Der erste Eindruck war ja der Wichtigste.
„Nick müsste gleich hier sein", sagte er. „Er bringt uns zur Eishalle, und um 11 beginnt das Training"
Ich nickte nur, plötzlich unfassbar müde. Die neun Stunden im Flugzeug zerrten an meinen Nerven und ich hatte auch noch Kopfschmerzen.
Wenig später hielt auch schon ein schwarzer Porsche Cayenne und ein junger, gut aussehender Mann stieg aus. Ich musterte ihn, während er mit Danny abschlug, die typische Jungsbegrüßung.
Es freute mich, dass Danny sich mit seinen neuen Teamkollegen verstand.
„Nick", stellte er sich vor und reichte mir seine Hand. Seine blauen Augen funkelten und bildeten einen krassen Kontrast zu seinen blonden Haaren. Sein Körperbau war wie Danny's, breit und muskulös, aber das musste man als Eishockeyspieler sein, sonst wurde man einfach umgefegt.
„Emilia, schön dich kennenzulernen", antwortete ich und lächelte, mir meinen desaströsen Haaren durchaus bewusst, was ich galant zu überspielen versuchte.
Nick lachte und nickte Danny zu. „Können wir? Coach ist schon ganz aufgeregt, dich", er sah Danny und dann mich an, „und deine Freundin kennenzulernen", damit nahm er mir meinen Koffer aus der Hand und öffnete den Kofferraum. „Ich bin nicht seine..", fing ich an, aber Nick unterbrach mich. „Ach die Liebe, ist sie nicht kompliziert?", seufzte er theatralisch. Verwirrt sah ich zu Danny. „Er weiß, dass wir Geschwister sind, keine Sorge", sagte er und setzte sich in den Porsche. Erleichtert tat ich es ihm nach, ich wollte kein Drama haben, einfach nur entspannen.
Nach einer etwa einstündigen Fährt hielt Nick vor einem riesigen Stadion. „Hier habt ihr Training?", fragte ich erstaunt.
Danny nickte stolz. „Ich wusste, dass es dir gefallen würde, Milia. Es ist schön, nicht wahr?"
„Es ist ..." mir fehlten die Worte.
„Von innen ist es noch schöner", sagte Nick amüsiert. „Möchtest du es von innen sehen?"„Ja bitte!", rief ich, sprang aus dem Auto und folgte Danny und Nick in das riesige Stadion.
Wir gingen durch den Hintereingang, der nur für Spieler und Trainer war und zu den Umkleiden führte.
Direkt gegenüber von den Umkleiden befanden sich die Duschen, aus denen immer mehr heiße, tropfende Eishockeyspieler herauskamen. Holy... dachte ich, als ein paar dieser heißen Typen, die frisch aus der Dusche waren, auf uns zukamen. Ich fühlte mich wie in einem Film, alles verlief in Zeitlupe. Der Äußerste, ein ganz junger, vielleicht 17, strich sich die blonden Haare aus der Stirn.
Sina wäre jetzt gestorben, dachte ich belustigt. Sina stand auf blonde Typen, obwohl sie mit Ben geschlafen hat, der schwarze Haare hatte, aber egal.
Danny's Räuspern riss mich aus meinen Gedanken. Die anderen zwei Eishockeyspieler blieben direkt vor uns stehen, sodass ich beim Einatmen Männershampoo und -Duschgel roch. Massenhaft Männerduft. Der Größte der drei reichte Danny die Hand und er schüttelte sie, während ich nervös von einem Bein aus andere trat. Viel zu viele Männer auf einem Ort.
Ich musterte den großen. Er war älter als Danny, vielleicht sogar Ende 30, und hatte einen Anzug an. Seine Haare waren noch nass, aber das schien ihn nicht zu stören.
Er war echt nicht von schlechten Eltern. Aber zu alt. Viel zu alt.
„Hey Daniel, schön dass du es auch mal geschafft hast, und du auch Nicholas", sagte er gespielt verärgert, aber man konnte ihm ansehen, dass er scherzte.
Nick und Danny schienen nur amüsiert über seine Aussage. „Auch schön, dich wieder zu sehen, Robert. Das hier ist meine Schwester Emilia", stellte Danny mich vor und ich schüttelte Roberts Hand. Sie war nass. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und verzog das Gesicht zu einem Lächeln.
„Schön dich kennenzulernen, Emilia. Danny hat uns schon so viel von dir erzählt", sagte Robert mit Schalk in der Stimme. Ich grinste leicht.
„Ist das Training schon vorbei?", fragte Nick. „Nee, wir duschen immer vor dem Training", sagte Robert sarkastisch. „Natürlich ist es schon vorbei, es ist halb zwei", sagte er ein wenig anklagend.
„Coach ist schon gegangen. Wenn ihr wollt, könnt ihr noch ein bisschen fahren. Henry und Aiden sind noch drin. Fährst du denn auch?", fragte er mich und musterte mich interessiert.
Ich wollte antworten, doch Danny antwortete für mich. „Und wie sie fährt, sie hat fünf Jahre in Folge die deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf gewonnen!", sagte Danny stolz, während ich rot anlief. Ich hatte zwar ziemlich viel gewonnen, gab damit aber nicht an. Zumindest nicht vor Fremden, wie Robert und Nick welche waren.
„Wow, willst du mal was zeigen? Ich kann das gar nicht, Eishockey ist eh viel besser", sagte Nick bewundernd. „Ähh, vielleicht?", antwortete ich Nick mit einem Seitenblick auf Danny, der nickte.
„Komm, wir schauen mal, ob wir Schuhe für dich finden", sagte Robert und zusammen gingen wir in eine Umkleide. Ein paar Spieler zogen sich noch schnell fertig an, warfen mir unidentifizierbare Blicke zu und verschwanden dann. „Kümmere sich nicht um die, die sind es nicht gewohnt, dass hier hübsche Mädchen sind", sagte Nick und zwinkerte mir zu. Flirtete er gerade mit mir? Ungläubig sah ich zu Danny, der Nick wütend ansah. „Finger weg von meiner Schwester, wehe du flirtest noch einmal mit ihr!", sagte er bedrohlich. „Chill, Bro, das war nur ein Scherz! Was regst du dich auf, sie kann doch selbst entscheiden, wer mit ihr flirten darf und wer nicht!", knurrte Nick zurück.Wow, sie prügelten sich gleich wegen mir. Das wollte ich aber nicht, also ging ich dazwischen. „Danny, beruhig dich. Ich will nichts von ihm und er auch nicht von mir", damit sah ich Nick streng an. „Und du musst dich auch beruhigen, sonst fliege ich sofort wieder nachhause. Und das willst du doch nicht Danny, oder?", fragte ich drohend.
„Robert, hast du Schuhe gefunden?", fragte Danny, während er sich sichtlich abregte. Puh, das war gerade mal gut gegangen. Danny hatte schon immer einem riesigen Beschützerinstinkt gehabt, der sich auch mit meiner Volljährigkeit nicht gelegt hatte. Manchmal war es zu viel, aber es gehörte einfach zu Danny, auch er war nicht perfekt, auch wenn er manchmal den Eindruck erweckte.
„Jaa, ich denke, die müssten dir passen", sagte Robert und holte ein altes paar an Schlittschuhen aus dem Fundsachen-Spind.
„Oh mein Gott", rief ich als ich sie sah und begutachtete die Schuhe. „Weißt du, wie viel die kosten?! Das sind Bauer Supreme 2S, die kosten fast 700 Euro!"
Geschockt sah Robert mich an. Ob wegen meinem Schrei oder dem Preis, wusste ich nicht.„Ich fahr in denen", sagte ich und löste sie Schnallen. Ich hatte diese Schuhe so oft im Laden angeguckt und angeschmachtet, aber auf meinen Verstand gehört, dass 700 Euro zu viel Geld für ein paar Schlittschuhe waren. Zumindest für eine Studentin wie mich.
Zum Glück konnte ich sie jetzt aber ausprobieren. Fünf Minuten später hatten auch Danny und Nick ihre Schlittschuhe an und zusammen betraten wir die Halle. Ich atmete die kalte Luft ein, wie sehr hatte ich das hier vermisst. Im Studium hatte ich wenig Freizeit, schon gar nicht fürs Eislaufen, also war ich schon praktisch auf Entzug.
Ich striff meinen Arm an der Bande entlang, was mir amüsierte Gluckser von Danny einbrachte.
Gekonnt ignorierte ich ihn und setzte meinen rechten Fuß auf das Eis. Sofort durchströmten mich die Erinnerungen und das altbekannte Gefühl der Freiheit, das ich immer hatte, wenn ich auf dem Eis war. Ich war frei.
Zumindest für diesen einen Moment.
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Frost and Ice
أدب المراهقينDie 19-jährige Emilia kommt in den Semesterferien nach Hause, um einige Änderungen in ihrem Leben festzustellen. Sie ist jetzt Single; sie hat keine beste Freundin mehr, und ihr Bruder Danny wird quer über den Atlantik versetzt. Spontan entscheid...