Kapitel 9

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„Warte, P'Arthit." Kongpob war froh, dass ihn sein Senior nach all dem Ausweichen, endlich die Möglichkeit gab sich zu erklären, wenn auch nur über das Telefon.

„Bist du böse auf mich?", stellte er seine Frage, die ihm schon die gesamte Zeit über auf der Seele lag. Er konnte sich nicht recht erklären, warum Arthit ihn auf einmal derart distanziert behandelte.

Die Möglichkeit, das dieser das Geständnis seiner Gefühle für ihn, welches er diese eine Nacht, im Schutz der Dunkelheit und in der Annahme das Arthit tatsächlich fest schlafen würde, gehört haben mochte, hatte er verdrängt.

Wenn auch nicht ganz erfolgreich.

„Nein, warum sollte ich böse auf dich sein?", gab Arthit zurück, als hätte er ihn nicht über die letzten Tage hinweg ignoriert.

„Wenn dem so ist, warum redest du dann nicht mehr mit mir?" Kongpob war verunsichert und Arthit's Benehmen ihm gegenüber, machte ihm unglaubliche Sorgen.

„Ist es, weil ich dir nicht offen geantwortet habe, ob ich mehr für dich empfinde?" Es blieb still am anderen Ende der Leitung.

„Wenn du es wirklich wissen willst, dann sag ich es dir.", fuhr Kongpob fort, bevor ihm wieder der Mut verlassen würde.

Er konnte nichts dagegen tun, als auch Verzweiflung in seiner Stimme mitschwang, während er ansetzte Arthit endlich zu sagen, was er für ihn fühlte.

„Ich weiß nicht, wann es passiert ist. Und ich weiß auch nicht, wie es passiert ist.", er schluckte nervös.

„Ich weiß, dass du ein Mann bist und ich weiß, dass ich ein Mann bin." Er atmete einmal tief durch, auf das was er nun sagen wollte.

„Aber ich kann nichts gegen meine Gefühle tun." Es wurde schwerer und schwerer seine Stimme nicht gänzlich brechen zu lassen.

„P'Arthit. Was ich dir sagen möchte ist, das..." Noch bevor er hätte bestätigen können, dass er sich in seinen Senior verliebt hatte, beendete dieser das Gespräch und ließ damit wissen, was er von all dem hielt.

Singto wischte sich die falschen Tränen, die Kongpob über diese Ablehnung geweint hatte, aus dem Gesicht und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Diese Szene war nicht einfach wiederzugeben gewesen.

Es war das erste Mal, dass er als Kongpob tatsächlich Verzweiflung und tiefe Traurigkeit zeigen musste.

Und das glaubhaft.

Sie hatten es geprobt, wie sie so vieles vorher durchgingen, bis die richtige Stimmung erzeugt worden war. Aber es war dennoch eine Sache für sich, sich dann auf Knopfdruck so emotional zu geben. Er war froh, dass es bei der dritten Einstellung gut genug erschien und damit sein Job für heute getan war.

Allerdings lag ihm das Gefühl, das diese Szene in ihm auslöste, erneut schwer im Magen.

Er mochte Kongpob's Niedergeschlagenheit, über die Abweisung seiner tiefen Gefühle, aus Ermangelung gleichwertiger Erfahrung, nicht komplett nachvollziehen können, aber er verstand die Angst dahinter.

Dass es nicht leicht war, sich plötzlich mit solchen befremdlichen Emotionen auseinandersetzen zu müssen. Einzusehen, dass es keine einfache Lösung dafür gab und das man mit etwas zurechtkommen musste, das einen in einem gewissen Maß, wie gefangen hielt.

Er wusste, dass er aufpassen musste, denn auch in seinem Fall gab es keine präzise Erklärung, warum die Dinge sich so entwickelt hatten. Was er allerdings tun konnte war, es nicht aus der Bahn laufen zu lassen und er war relativ optimistisch, dass er dies auch bewältigen konnte.

Das Vibrieren seines Smartphones neben ihm auf dem Tisch zeigte einen Anruf, den er auch gleich entgegen nahm.

„Hey, bist du schon fertig?" Krist klang ausgelassen und es ließ Singto etwas lächeln.

„Bin gerade durch."

„Sehr gut. Ist es ok, wenn ich später bei dir vorbei komme? Ich brauche deinen Rat." Singto sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach 21 Uhr.

„An sich habe ich nichts dagegen. Aber wird es dir nicht zu spät?"

„Keine Sorge. Und vielleicht lässt mich P' ja bei sich übernachten?" Krist konnte niedlich, wie schamlos sein, was aber nichts daran änderte, das er nach einem ergebenen Seufzen zustimmte.

„Alles klar. Dann bis später." Damit war das Gespräch beendet und Singto schaute noch einem Moment nachdenklich auf das sich verdunkelnde Display.

Optimistisch bleiben.


***


Sie waren zurück auf der Rama Bridge, nur diesmal waren sie wirklich dort.

Es war ein lauer Abend, genau richtig für diese Szene.

Die Lichter der Stadt spiegelten sich auf dem Wasser wieder, als Arthit sich an die Brüstung lehnte und nachdenklich den Blick in die Ferne schweifen ließ.

Kongpob's beständige Präsenz neben ihm. Das Rauschen des Verkehrs ein Hintergrundgeräusch.

„Bist du nicht müde."

...

Im Gegensatz zum ersten Mal, als sie diese Szene vorzuspielen hatten, waren sie formell gekleidet und Singto fand, das Krist in einem Anzug wirklich gut aussah. Aber das tat nichts zur Sache, als dieser ihn an seiner Krawatte packte und zu sich heranzog, dass ihre Lippen sich trafen.

Es war ebenso eine Übungssache, den passenden Nachdruck walten zu lassen, ohne dass ihre Köpfe einfach nur ungeschickt gegeneinander stießen. Auch die Treffsicherheit, was diesen Kuss anging war etwas, das sie durch all die Vorbereitung ausgeklügelt hatten.

Somit war es kein Vergleich mehr zu ihrem ersten, ungelenken Kuss vor all den Wochen.

Es dauerte nur einen Augenblick und war eigentlich nur ein kurzes aufeinanderlegen ihrer Lippen.

Man wollte es nicht übertreiben und die Illusion eines ersten, unschuldigen Kusses erzeugen.

Allerdings fühlte sich Singto nicht wirklich unberührt, was das Ganze für ihn nicht so unschuldig erscheinen ließ.

Somit war er froh, wie auch enttäuscht, als sie diese Szene schließlich abgedreht hatten.

Das nächste Mal, wäre es dann sein Einsatz.

Es ließ ein unerwünschtes Kribbeln aufkommen, dem er kein Wohlgefühl entnehmen wollte, egal wie verlockend es sich auch anfühlte.



Singto wirkte abwesend, was so gesehen nichts neues war, in Krist aber jedes Mal die Neugier weckte, über was dieser so hingebungsvoll nachdachte, das er derart abgedriftet erschien.

Sie hatten eine der wichtigsten Szenen, nun auch endlich vor laufenden Kameras hinter sich gebracht und er fühlte sich maßlos erleichtert.

Eine seiner größten Sorgen, was diese Rolle anging, hatte er gemeistert.

Er studierte Singto noch etwas eingehender.

Dieser hatte so viel über die letzten Monate an Können dazugewonnen, dass er ihn dafür wirklich bewunderte.

Sein Potenzial Emotionen wiederzugeben, eine Situation selbst abzumessen und daraufhin angebracht zu agieren, war beneidenswert. Er verstand es auch die kleinsten Details nicht zu vergessen, wenn es um Mimik und Gesten ging. Er war ein gelehriger, junger Schauspieler, mit ungemein viel Ehrgeiz, das er sich neben ihm manchmal etwas zurückgelassen fühlte.

Aber er war auch stolz, dass Singto sich so gemausert hatte und das er dessen Partner sein durfte.

Dass daraus auch eine individuelle Freundschaft entstehen würde, nahm er gern als einen Bonus mit an.

Individuell, weil es sich mit Singto anders anfühlte, als wie das, was er mit seinen sonstigen Freunden verband.

Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich ihrer Rollen wegen so nahe kamen, sei es mit Worten oder eben...

Küssen wollte er keinen seiner Freunde, daran hatte sich nichts geändert.

Mit Singto war es aber nichts mehr, das ihn irritierte oder gar unangenehm erschien.

Es war einfach.

Wie irgendwie alles mit ihm.

Dass er ab und an über die Stränge schlug, war ihm bewusst und er schämte sich auch meist dafür, sobald er merkte, dass er übertrieben hatte.

Und Singto war derart geduldig mit ihm.

Das war es wohl auch, was ihn dazu brachte sich bei ihm so ungezwungen fühlen zu können.

Wenn er sich überschwänglich fühlte, dann war es in Ordnung Singto zu umarmen, ohne es erklären zu müssen.

Wenn er sich müde fühlte, war es ok sich an ihn zu lehnen.

Wenn er sich gereizt fühlte, dann ließ sich Singto nicht beirren, sondern ließ ihm Zeit sich abzureagieren ohne ihn danach zu verurteilen.

Es war einfach und Singto jemand den er nicht wieder missen mochte.

Solch eine Freundschaft fand man nicht alle Tage.


***


Das Uni Leben hatte ihn wieder.

Das neue Semester startete, wie zu erwarten hektisch, war Krist nun auch Teil des diesjährigen Hazer Teams. Was bedeutete, dass er dafür extra Zeit einräumen musste.

Sein Blick schweifte automatisch über das Gelände, auf der Suche nach einer bestimmten Person, als er sich etwas zu trinken holen wollte.

Mit einem Kopfschütteln begegnete er der Erkenntnis, dass er besagte Person hier nicht mehr antreffen würde.

Es ließ ihn sich etwas einsam vorkommen. Was so gesehen lächerlich war, hatte er immer noch seine anderen Freunde hier.

Dennoch...

Krist raffte sich zusammen, über den Anflug an Melancholie.

Er würde P'Singto morgen schon wieder sehen, stand ihnen der nächste Workshop bevor. Die Dreharbeiten gingen wie gewünscht voran und es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sie damit fertig wurden.

Erneut schob sich ein melancholisches Empfinden nach vorn.

Es würde sich zeigen, ob sie mit dieser Serie Erfolg hätten.

Hoffen tat er das natürlich.

In etwas Entfernung, sah er P'Steam und ging aus einem Reflex etwas in Deckung, sodass er nicht gesehen wurde.

Nach der Sache im Shopping Center, hatte sich dessen Verhalten ihm gegenüber zwar dahin geändert, das er ihn nun gänzlich zu ignorieren schien, aber er wollte dennoch nichts riskieren.

Auch nicht ihn grüßen zu müssen.

Er wusste nicht sicher, ob Singto etwas damit zu tun hatte, das man ihn auf einmal in Ruhe zu lassen schien. Aber möglich wäre es.

Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen über diesen Gedanken, der ihm nicht zum ersten Mal in den Sinn kam.

Er zog sein Smartphone hervor und wie versprochen, hatte Singto ihm ein paar Nachrichten geschickt, nachdem er diesen damit nervte, ihn über seinen ersten Tag an seiner neuen Uni auf dem Laufenden zu halten.

Es waren meist Fotos, mit einem kurzen Kommentar dazu.

Über das Bild, das Plüsch Singto an P'Singto's Messenger Bag baumeln zeigte, lachte er zugetan auf.

„Mit ihm fühle ich mich nicht ganz so verloren.", hatte er dazu geschrieben.

Er hätte es ihm nicht übel genommen, hätte er das Versprechen ihn zu informieren, wie die Dinge sich verhielten, nicht einhalten können, war dieser sicherlich ausreichend ausgelastet, an seinem ersten Tag in fremden Gefilden.

Somit war das beschwingte Gefühl, dass dieser sein Wort trotzdem hielt, etwas das ihn zufrieden strahlen ließ.

„Schon wieder am turteln?", erkundigte sich Puen, der mit einem Male neben ihm aufgetaucht war.

„Das ihr beiden das nicht langsam leid werdet.", fügte er mit einem Seufzen an.

„Wenn man dich über eure Nachrichten so albern happy grinsen sieht, kann man nur neidisch werden."

Krist zog irritiert die Augenbrauen zusammen, über diese Aussage seines Freundes.

„Ich will auch endlich ne feste Freundin.", moserte Puen unglücklich und rubbelt sich energisch über seine kurzgeschorenen Haare.

„Sag Noy Na einen schönen Gruß von mir und frag sie, ob sie auch eine Freundin hat, die sie mir vorstellen kann. Für deinen neuen Kumpel hatte sie doch auch was arrangiert."

„Ich schreibe nicht mit Noy Na.", stellte Krist die Dinge richtig, was ihm einen skeptischen Blick von Puen einbrachte.

„Nicht? Bei deinem sappy Face, hätte ich gewettet, dass sie es ist." Dann weiteten sich Puen's Augen plötzlich.

„Du gehst doch nicht fremd, oder?", verlangte dieser etwas zu laut zu wissen, was ihnen ein paar Seitenblicke vorbeilaufender Studenten einbrachte.

„WAS?!" Krist entwichen nur merklich die Zusammenhänge ihres Gesprächs.

„Natürlich geh ich nicht fremd! Warum sollte ich das tun? Bei uns läuft es gut." Puen schaute ihn weiterhin mit einem Ausdruck an der sagte, dass er nicht ganz überzeugt war von dem, was er ihm hier versuchte zu versichern.

Der hatte wohl schlecht geschlafen!

Ein Blick auf die Zeit auf dem Display zeigte, dass er sich nun sputen musste, wollte er zu seinem nächsten Kurs nicht gleich am ersten Tag zu spät auftauchen.

„Ich muss los.", ließ er ihn wissen und hastet in Richtung Hauptgebäude.

Puen konnte manchmal so ein Spinner sein.


***


Krist: Wo bist du gerade?

I wanna be the reason for your smile (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt