Kapitel 17

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Krist konnte sich nicht daran erinnern, was er gestern, dem Tag nach seiner Trennung, getan hatte, bevor er heute Morgen aufgestanden war und gar nichts fühlte.

Ihm war bewusst, dass er nun allein war, doch spürte er weder Traurigkeit noch sonst irgendetwas.

Und er war dankbar dafür.

Er hatte sich fertig zu machen, würde man ihn in weniger als einer Stunde abholen, um ihn zum Flughafen zu bringen. Er hoffte einfach nur inständig, dass ihm diese Teilnahmslosigkeit solange beistehen würde, dass er die nächsten Tage so funktionieren konnte, wie es notwendig war.

Er brauchte niemanden der ihn fragte, ob alles in Ordnung sei. Er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit erregen, indem er sich nicht wie üblich benahm. Das einzige was er wollte war, dieses Fan Meeting hinter sich bringen. Alles was danach kam, war im Moment nicht relevant.

Er musste nur sicherstellen, dass er seine Rolle überzeugend spielte, ob nun als die Person die die Fans sehen wollten, oder als die Person die seine Freunde und die mitwirkende Crew kannte.

Ein gebrochenes Herz, durfte ihn jetzt einfach nicht im Wege stehen.



Es gab nur ein Problem in seinem Plan.

Er kam gerade am Flughafen an, wo er auch schon einige Fans sehen konnte, war es kein Geheimnis, dass sie sich heute auf den Weg nach Guangzhou machen wollten.

Krist staunte selbst, dass es ihm trotz seines angeschlagenen Gemüts relativ leicht fiel, sich mit besagten Fans zu befassen, bevor er weiterzog, um die anderen ihres Trupps zu finden.

Er war guter Dinge, dass er die nächsten Tage doch gefasster überstehen könnte, als er annahm.

Dann war die erste, vertraute Person die er erspähen konnte P'Singto und ihn überkam das überwältigende Gefühl, ihm all seinen Kummer hier und jetzt vorzubringen. Sich von ihm in den Arm nehmen und dessen Präsens, wie schmerzlindernde Tinktur, auf seine Wunde wirken zu lassen. Und ehe er sich versah, beschleunigte er seine Schritte auch schon, bis er sich hinter ihm befand. Er nahm an, das Singto ihn noch gar nicht wahrgenommen hatte, bis dieser sich mit einem Male umdrehte und ihn zu Begrüßung eines seiner sanften Lächeln schenkte.

Es war alles was er brauchte, um diesen tatsächlich einfach zu umarmen, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen.

Ein paar alberne Laute von den anderen Jungs, über diese Szene, waren zu hören, aber Singto zeigte sich nicht irritiert, sondern legte ihm wie selbstverständlich seine Arme um den Oberkörper, was Krist noch etwas mehr gegen ihn sinken ließ.

Es tat so unglaublich gut, dass er am liebsten ewig so stehen geblieben wäre.

„Alles in Ordnung.", hörte er Singto flüstern, sodass es nur sie beide hören würden. Es sollte ihn wirklich nicht verwundern, dass dieser so schnell dahinter stieg, das etwas mit ihm los sein könnte. Und da er gerade keine Kraft hatte es zu leugnen, schüttelte er nur leicht seinen Kopf, der noch immer gegen dessen Schulter lehnte, sagte aber nichts, was seinen Zustand erklären würde.

Singto ließ ihn schweigen, strich ihm stattdessen liebevoll über den Rücken und summte dabei eines der Lieder, die sie für ihre Show einstudieren mussten.

Es brachte dieses angenehme Gefühl mit sich eingelullt zu werden, das er hätte einschlafen können.

Also löste er sich erst einmal wieder von ihm und zeigte ein schmales aber dankbares Lächeln, als er ihn ansah.



Auch wenn Singto nicht wusste, was Krist beschäftigte, sah er es als umsichtiger an, ihn nicht zu bedrängen sich mitzuteilen.

Was die richtige Entscheidung gewesen zu sein schien, wich Krist auch so nicht mehr von seiner Seite.

Wenn es das war, was dieser momentan brauchte, dann war er gern bereit ihm diesen Gefallen zu tun.

Krist war eingeschlafen, sobald sie ihre Plätze im Flugzeug einnahmen. Er beschäftigte sich indes mit einem Buch oder hörte Musik. Die anderen waren zum Glück besonnen genug, sie nicht weiter zu stören, sobald sie sahen das Krist an ihn gelehnt schlummerte. Einzig ihre breiten Grinsen waren einzufangen, was Singto irgendwann auch aufgeben ließ, irgendeine Reaktion darauf zu zeigen.

Somit war es ein eher ruhiger Flug, was in seinem Sinne auch etwas Entspannendes hatte.



Es war bereits Abend, als sie in ihrem Hotel ankamen, aber Singto wollte dennoch die Zeit nutzen und sich etwas umschauen. P'Chai war ebenso Teil ihres Teams und er fragte sie, ob sie ihn begleiten würde wollen. Ebenso eine gute Möglichkeit, ein paar Erinnerungsfotos zu machen. Schließlich war es das erste Mal, dass er in Guangzhou war und das musste er schließlich festhalten. Auch weil er seinen Dad später gern daran teilhaben lassen wollte.

Er sollte sich auch bei ihm melden, um ihn wissen zu lassen, dass sie gut angekommen waren.

Doch zuerst ließen sie sich ihr Zimmer zuweisen, welches er sich wieder mit Krist teilte, der noch immer recht abgespannt aussah, obwohl er die gesamte Zeit über geschlafen hatte.

Dieser ließ sich auch auf das erste Bett in Reichweite fallen und blieb, alle Viere von sich gestreckt, liegen.

Singto stellte seinen Rollkoffer an das Bett, das er beziehen würde und setzte sich dann neben Krist, wo er ihm leicht durch die Haare strich.

„Brauchst du irgendetwas?", erkundigte er sich, da er sonst auch nicht wusste, wie er ihn wieder etwas aufbauen konnte.

Dieser rollte sich nun auf die Seite und schob seinen Kopf, wie eine Katze, gegen Singto's Oberschenkel. Dann griff er nach der Hand, die dieser weggezogen hatte, als Krist sich zu ihm umwandte und dirigierte sie wieder an seinen Haarschopf. Singto verstand diese Aufforderung und mit einem Schmunzeln streichelte er ihn weiter.

„Ich brauche Ablenkung und etwas zu Essen.", meinte Krist schließlich.

„Ich und P'Chai wollten etwas die Gegend erkundigen, wenn du möchtest, dann kannst du dich uns gern anschließen.", bot er ihm an, worauf sich Krist jedoch plötzlich von ihm entfernte, aufstand und mit einem „Schon ok, ich frag die Jungs was sie vorhaben.", das Zimmer verließ.

Etwas vor den Kopf gestoßen, durch diesen überraschenden Wandel in ihrer Harmonie, zog Singto seine Augenbrauen zusammen und versuchte sich einen Reim auf Krist's Verhalten zu machen.

Letztendlich machte er sich daran sich umzuziehen, fand er so eh keine Antwort.

Das Krist ein recht wankelmütiger Charakter sein konnte, war etwas mit dem man lernen musste sich abzufinden, wenn man sich nicht ständig verrückt deswegen machen wollte.



Als Krist zurück in ihr Zimmer kam, war Singto schon nicht mehr da und es ließ seinen Frust erneut aufflammen.

Dieser hatte nicht einmal auf ihn gewartet, um zu sehen, ob er seine Meinung nicht doch noch ändern würde.

Mit einem Murren setzte er sich wieder auf sein Bett.

Er wusste, dass es lächerlich war so zu denken. Schließlich war er einfach abgehauen und Singto hatte keine Ahnung, wann er gedachte wieder aufzutauchen.

Warum also sollte er seinen verplanten Abend damit zubringen, hier auf ihn zu warten.

Dabei war er am Ende auch nur durch das Hotel gewandert, da er eigentlich keine Lust verspürte, die anderen aufzusuchen.

Aber allein hier rumsitzen wollte er auch nicht.

Er hatte immer noch nichts gegessen.

Somit erhob er sich wieder und schaute nach seinem Koffer. Sein Blick fiel auf sein Kopfkissen und die bunten Tüten mit Knabbereien.

Eine Notiz war daran befestigt.

Falls du immer noch Hunger haben solltest.

Eine kleine Kritzelei, die einen Löwen zeigte, war unter diesen Worten zu sehen und Krist konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Gott, er schien wirklich wie ein offenes Buch für Singto zu sein.

Es versah ihn mit einem seltsamen Gefühl von melancholischer Wärme.

Das Klopfen an der Zimmertür riss ihn wieder davon los und er machte sich daran diese zu öffnen.



Sie verloren ein wenig die Zeit aus den Augen, aber Krist war froh, dass er beschlossen hatte mit den anderen loszuziehen, anstatt sich missmutig in ihrem Zimmer zu verkriechen. Dieser Abend hatte ihn ausreichend ablenken können. Nun wollte er nur noch ins Bett, auch weil er merkte, dass ihn dieses bedrückende Gefühl schon wieder versuchte einzuholen. Er hoffte, ihm wenigstens mit Schlaf entgehen zu können. Morgen wäre das Fan Meeting, was ebenso eine gute Gelegenheit darstellte, sich nicht mit seinen angeschlagenen Gefühlen befassen zu müssen.

Er hatte ihr Zimmer beinahe erreicht, als ihm Singto und P'Chai ins Auge fielen, die sich genau davor befanden und unterhielten. Es ließ dieses unangenehme Gefühl in seinem Herzen noch etwas eiliger nach vorn preschen.

P'Chai knuffte Singto leicht mit dem Ellenbogen in die Seite, worauf dieser etwas erwiderte, was diese plötzlich verlegen dreinschauen ließ und Singto ein amüsiertes Lachen von sich gab. Was folgte war, das P'Chai diesem mit einer trotzigen Miene durch die Haare wuschelte, was Singto jedoch nicht davon abbrachte weiter dieses heitere Grinsen zu zeigen.

Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander und P'Chai kam nun genau in seine Richtung.

Krist überlegte, ob er die Flucht ergreifen sollte, damit es nicht so aussah als habe er spioniert. Dann entdeckte sie ihn aber auch schon und wünschte ihm im Vorbeigehen eine Gute Nacht, was Singto nun ebenfalls auf ihn aufmerksam machte.

Dieser schaute ihn abwartend an und Krist trottete etwas behäbig auf ihn zu.

„Wie geht es dir?", erkundigte sich dieser, ganz der besorgte Freund. Krist nickte und versicherte ihm, dass er sich besser fühlen würde.

Zumindest hatte er das noch vor wenigen Minuten.

Singto bohrte auch nicht weiter nach und irgendwie machte es Krist nur noch unglücklicher. Manchmal regte es ihn auf, wenn dieser sich so verdammt erwachsen gab, wenn er sich doch von ihm wünschte, dass er ihn mit etwas mehr Nachdruck zu etwas bewegen würde, das er allein nicht zu Stande brachte. Und gerade jetzt, wollte er ihm wieder sein Herz ausschütten, in der Hoffnung, dass es ihm womöglich helfen würde sich nicht mehr ganz so verlassen zu fühlen.

Aber nichts dergleichen geschah.

Singto fragte ihn lediglich, ob er zuerst ins Bad wolle, was er mit einem Kopfschütteln verneinte.

Gerade eben war ihm wieder danach, für sich zu sein. Wie ihm auch danach verlangte, von jemanden in den Arm genommen zu werden. Er hasste dieses Chaos seiner Emotionen, auch weil, weder das eine, noch das andere, eine Option darstellte.

Nicht weniger träge, betrat er das Badezimmer, als Singto es wieder verlassen hatte und ließ sich schließlich auch ausreichend Zeit mit allem.

Singto schien schon zu schlafen, als er sich dazu bringen konnte, ebenso zu Bett zu gehen.

Somit setzte sich Krist auf sein eigenes Nachtlager und schaute Singto einfach nur eine Weile an, bis dieser sich schließlich auf die andere Seite und von ihm wegdrehte.

Krist löschte das Licht der Nachttischleuchte, doch saß er weiterhin nur auf der Bettkante und schaute auf seinen schlafenden Freund.

Und je länger er dort saß, umso trauriger fühlte er sich wieder.

„Du bist nicht allein.", hatte ihm Noy Na gesagt, und ehe er noch weiter darüber nachdenken konnte, kroch er zu Singto unter die Decke. Er war der einzige der ihm glauben machen konnte, das sie recht hatte.

Auch wenn er einfach nur neben ihm lag spürte er kurz darauf schon, dass er sich weniger einsam fühlte, was es ihm einfacher machte schließlich ebenso einzuschlafen.

Krist schaute ungläubig auf Singto, der ihm mit einem Rollkoffer gegenüber stand und ihn ohne eine Emotion abwartend ansah.

„Ist das nicht etwas plötzlich?", erkundigte sich Krist, konnte er noch immer nicht fassen, was dieser ihm gerade recht selbstverständlich mitteilte.

Singto würde Thailand verlassen, um sein Studium im Ausland weiterzuführen.

„Ich spielte schon immer mit dem Gedanken, und nun wo ich das nötige Geld zusammen habe, will ich die Gelegenheit auch nutzen."

Er hatte es schon immer vorgehabt? Krist fühlte sich mehr und mehr zur Seite geschoben.

„Davon hast du mir nie etwas erzählt.", gab er bedrückt klingend von sich, was ebenso keine Reaktion von Singto bewirkte.

„P'Sing. Kommst du, wir müssen los, wenn wir unseren Flug nicht verpassen wollen." Eine junge Frau stand an einem silbernen Wagen und wartete an der Fahrertür mit ungeduldiger Miene.

Krist hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie schien Singto jedoch recht gut zu kennen, wenn sie sogar gemeinsam auf Reisen gehen würden.

Dieser setzte sich nun auch in Bewegung und Krist überkam Panik, dass er ihn so schnell nicht würde wiedersehen.

„Warum hast du nie gesagt, dass es dir unangenehm ist diese Rolle zu spielen?", rief er ihm nach.

Singto hielt inne, wendete sich ihm aber nicht noch einmal zu.

„Ich hatte nie ein Problem mit dieser Rolle.", meinte er monoton, was Krist nur noch mehr frustrierte.

„Wenn es nicht die Rolle war, was dann, huh?! Oder bin ich das Problem gewesen?!"

Es brach ihm das Herz, als Singto seinen Kopf wortlos ein Stück zur Seite drehte und er anstelle eine Erklärung sich mit einem „Viel Erfolg, Krist." verabschiedete.

War ihre Freundschaft letztendlich nur eine Lüge gewesen?

Dessen ablehnendes Verhalten ließ kaum Zweifel übrig, sodass er einfach nur an Ort und Stelle verharrte, selbst als Singto schon längst verschwunden war.

Er spürte die Hilflosigkeit wie einen physischen Schmerz, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb und er ein unglückliches Wimmern nicht unterdrücken konnte.

Nun war er wirklich allein...


Jemand sagte seinen Namen, nur konnte das nicht stimmen, den die Person der diese Stimme gehörte, war gerade eben aus seinem Leben verschwunden.

Oder hörte er sie, weil er nicht akzeptieren konnte, dass er einen weiteren so wichtigen Menschen aufgeben musste?

„Krist...hey..." Jemand strich ihm über seine Wange, was ihn einen weiteren, unglücklichen Laut von sich geben ließ. Er merkte darauf, wie sich die Farben auflösten, die Kulisse um ihn herum zerstob, auf das er seine Augen zu einem im Zwielicht getauchten Zimmer öffnete.

Jemand schob sich in sein Sichtfeld.

Selbst durch den Schleier seiner feuchten Augen, erkannte er die Person sofort.

Es brachte sein Herz in erneute Aufruhr.

Singto war noch immer hier. Hier bei ihm.

Hastig schlang er seine Arme um dessen Hals und zog ihn zu sich, was dieser mit einem überraschten Keuchen quittierte.

Singto war noch immer hier.

„Verlass mich nicht auch noch...", brachte er in einem gebrochenen Flüstern hervor und umschlang den Körper über sich noch etwas inniger.

„Ich brauch dich bei mir.", fügte er etwas verzweifelt an und konnte einen weiteren Tränenschub nichts entgegensetzen.

„Ich bin hier. Es ist alles in Ordnung. Ich lass dich nicht allein.", hörte er Singto's beruhigende Stimme versprechen, der ihn dazu brachte ihn wieder etwas freizugeben, das er ihm in sein Gesicht schauen konnte.

Wieder wischte er ihm die feuchten Spuren auf seinen Wangen fort, auch wenn er noch immer nicht aufhören konnte zu weinen.

Singto machte sich daran, sich von ihm entfernen zu wollen, was ihn rasch nach ihm greifen ließ, um ihn davon abzuhalten.

„Nur einen Augenblick." Dieser lächelte warm und Krist ließ ihn zögerlich los.

Schließlich kam Singto mit einer Packung Taschentücher zurück.

Krist brauchte ein wenig, um sich wieder zu beruhigen und zu realisieren, dass er nur geträumt hatte. Dennoch brachte es diese Unsicherheit nicht zum Erliegen, die er noch immer spürte.

Er erklärte sich nicht, weder warum er in Singto's Bett war, noch was ihn so zugesetzt hatte in seinem Traum.

Und wie immer, ließ Singto ihn auch erst einmal in Frieden.

Dieser schien auch so zu verstehen, dass er gerade etwas anderes benötigte, worauf dieser auch nicht protestierte, als er sich einfach wieder an ihn kuschelte und dabei so viel Körperkontakt verlangte, dass er beinahe auf Singto drauf lag.

Aber es war Krist egal. Er nahm, was dieser bereit war ihm durchgehen zu lassen.

Es half ungemein, das Singto ihn dazu noch behutsam über den Rücken strich.

Eine Bestätigung, dass es ihm nichts ausmachte, so von ihm in Beschlag genommen zu werden.

Es war alles was er momentan brauchte.


I wanna be the reason for your smile (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt