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Ich verlor mich voll und ganz in ihren himmelblauen Augen. Alles um uns schien zu verschwinden. Während ich Frau Prins' Hand hielt und ihr verliebt in die Augen sah, vergaß ich den Rest der Welt. Raum und Zeit spielten keine Rolle mehr.

„Nina. Der Sturz hat Ihnen nicht gut getan, Sie wirken total verwirrt", sagte meine Lehrerin besorgt, „Steigen Sie bitte ein, ich kann Sie so nicht weiterfahren lassen."
Mein Herz überschlug sich und erst in diesem Moment merkte ich, wie sehr ich meine Lehrerin mit meinem Starren in Verlegenheit brachte. Ganz plötzlich und ohne darüber nachgedacht zu haben flüsterte ich: „Es tut mir leid."
Dies verunsicherte Frau Prins bloß noch mehr. „Sind Sie sich sicher, dass es Ihnen gut geht?", fragte sie. Ich nickte und genoss einfach diese unmittelbare Nähe zu ihr.

Frau Prins schüttelte ihren Kopf, ließ meine Hand los und legte ihre Hände dafür auf meine Schultern. Meine Gefühle überschlugen sich und ein leises Piepsen entfuhr mir, welches ich direkt bereute. Doch Frau Prins schien es nicht vernommen zu haben. Sie führte mich zum Auto und forderte mich dazu auf, bei ihr einzusteigen.

Ein langersehnter Traum wurde plötzlich und unerwartet wahr. Ich saß in ihrem Auto, in ihrem super niedlichen, kleinen, silbernen Zweitürer, der innen total nach ihr roch.
Ich atmete tief ein und aus und konnte von diesem Duft nicht genug bekommen.
Neben mir saß sie, meine absolute Lieblingslehrerin und blickte während der Fahrt immer wieder besorgt in meine Richtung.
Durch den Sturz schien ich einen Teil meines Verstandes verloren zu haben, denn ich wandte meinen Blick kein einziges Mal von ihr ab, weil ich Angst hatte, dass sie dann plötzlich verschwinden könnte, so wie ein Traum, der sich plötzlich auflöst.

Mit einem Male fanden wir uns vor ihrem Haus wieder. Noch vor wenigen Wochen war unsere ganze Klasse dort gewesen. Nun war ich hier mit ihr alleine. Was ich in diesem Moment fühlte, konnte ich nicht beschreiben. Aber es war das Schönste, was ich seit langem fühlen durfte.
„Da sind wir", sagte Frau Prins und lächelte mich an. Ihr Lächeln löste noch mehr Gefühlschaos in mir aus. Es ging alles drunter und drüber und meine Gedanken hatten keine Ordnung mehr.

Als Frau Prins ausgestiegen war und ihre Tür zufallen ließ, flüsterte ich voller Begeisterung: „Wow. Sie wird immer toller."
Schon stand sie auf meiner Seite und öffnete die Beifahrertür. „Na los, Nina. Steigen Sie aus. Ich lasse Sie nicht gehen, bevor Sie ein Glas Wasser getrunken haben."
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

Frau Prins schloss ihre Haustür auf und jede ihrer Bewegungen lösten unendlich viele Gefühle in mir aus. Alles was sie tat, schien unglaublich perfekt zu sein. Jeder Schritt war überwältigend und ich verstand nicht, wie ein Mensch so unendlich toll sein konnte.
In ihrem Haus roch es ebenfalls nach ihr. Es war alles überwältigend. In den Ecken lagen Spielsachen ihrer Kinder. Diese schienen noch mit Herrn Prins draußen zu spielen. Zumindest hörte man aus dem Garten ein paar Stimmen.

Dies bestätigte sich sofort, als Frau Prins mich mit nach draußen führte und ihrer Familie zurief: „Ich bin wieder da!" Herr Prins sah sich um und erblickte mich.
„Ach, hallo Nina!", begrüßte er mich und winkte mir freundlich zu. Ich lächelte schüchtern und winkte kurz zurück.
Er konnte sich tatsächlich meinen Namen merken. Hatte ich beim Grillen etwa einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Eigentlich hatte ich nichts Besonderes getan und war am ganzen Abend die Unauffälligste von allen. Aber doch kannte Herr Prins - ihr Mann - noch meinen Namen. Oder hatte sie ihm mehr von mir erzählt?

Herrn Prins zu sehen machte mich beinahe genauso glücklich wie Frau Prins zu sehen. Denn er war derjenige, der meine geliebte Frau Prins unfassbar glücklich machte. Er war es, der sie erfüllte, der mit ihr gemeinsam die zuckersüßen Kinder bekam, er war der Mensch, mit dem sie ihr Glück gefunden hatte und darüber war ich wirklich froh. Diese Familie zu sehen, Familie Prins, wie sie einander liebten und schätzten, zeigte mir, dass Wunder passierten. Frau Prins so glücklich und so erfüllt zu sehen machte mich unglaublich stark. Gleichzeitig wuchs dadurch auch in mir die Hoffnung, eines Tages vielleicht auch eine so wundervolle Familie gründen zu können.

Die süßen Kinder kletterten vom Trampolin herunter und ratten auf uns zu. Sie musterten musterten mich. Ihr ältester Sohn fragte: „Mama? Was hat Nina?"
Meine Lehrerin sah mich fragend an, ich sah glücklich zurück. Wieder brachte ich sie ungewollt in Verlegenheit.
„Ähm...", begann sie ihre Erklärung, „Ich habe Nina gerade so sehr erschreckt, dass sie... mit dem Fahrrad hingefallen ist. Und das... Ähm... Ich möchte, dass sie erst etwas trinkt, bevor sie nach Hause fährt."
Ihr Sohn sah mich mitleidig an. „Oh", murmelte er, kam mir noch näher und erzählte dann: „Ich bin letztens auch mit Fahrrad hingefallen und mein Knie hat dann geblutet. Aber jetzt ist das fast wieder weg. Siehst du? Es ist nur noch rot." Ich lächelte ihn an und antwortete: „Ein Glück, dass die Zeit die Wunden heilt."

Während ich mich mit Herrn Prins und den Kindern über Stürze mit dem Fahrrad unterhielt, ging Frau Prins in die Küche und holte zwei Gläser und eine Flasche Wasser. Als sie wieder da war, forderte sie ihre Kinder dazu auf, noch ein wenig spielen zu gehen, damit ich mich ausruhen könnte.

Ich war total überwältigt von ihrer Fürsorge. Doch so toll sie sich auch kümmerte, irgendetwas fühlte sich total komisch an.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir. Frau Prins sah in mir eine nette ehemalige Schülerin. Nicht mehr und nicht weniger und ich hatte große Angst davor, dass dieses Mal mein letztes Mal wäre, legal auf ihrer Terrasse zu sitzen, mit ihr zu reden und Wasser mit ihr zu trinken. Das letzte Mal, dass sie mir hilft und mir in die Augen schaut.
Ich wollte, dass dieser Moment unendlich wäre, denn ohne sie fühlte ich mich nicht mehr vollständig. Sie war ein sehr wichtiger Teil meines Lebens geworden.

BargerveenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt