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Mittlerweile war es schon 22:45 Uhr geworden und die Sterne funkelten am Himmelszelt.

Ich konnte es einfach nicht fassen, dass meine Lehrerin wirklich mit mir ins Naturschutzgebiet wollte, um dort Fahrrad zu fahren.

„Natürlich", piepste ich, „Ich nehme Sie gerne einmal mit."
Meine Wangen waren heiß, als hätte ich Fieber. Zum Glück war das Licht der Lampions nicht so stark, dass Frau Prins meine Gesichtsfarbe erkennen konnte.
Ihr Lächeln erkannte ich jedoch trotz der schwachen Beleuchtung und es war wunderschön. Frau Prins stellte ihre Ellenbogen auf den Tisch und stützte mit ihren Hände unterm Kinn ihren Kopf. „Das freut mich", sagte sie, „Ich werde mich dann in den nächsten Tagen per WhatsApp bei Ihnen melden, sobald ich Zeit habe. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich unsere Kleinste mitnehme?"
Ich schüttelte meinen Kopf und antwortete: „Nein, kein Stück. Sie ist wirklich süß und ich bin fest davon überzeugt, dass es ihr dort auch gefallen wird."

Frau Prins lächelte mich an und nickte. Ich musste einfach wieder in ihre Augen schauen, die im Schein der Lampions so zauberhaft funkelten. Wieder einmal fragte ich mich, wie diese Frau es schaffte, so perfekt zu sein. Ich konnte es kaum glauben, dass das alles, was gerade passierte, absolute Realität war.
Um mich selbst noch etwas fester davon zu überzeugen, führte ich einen Realitätscheck durch, indem ich versuchte, meinen Zeigefinger in die Länge zu ziehen. Doch dieser ließ sich nicht verändern. Mein Herz pochte umso schneller, als ich mir völlig sicher war, all das nicht nur zu träumen.

Im Haus wurde das Licht eingeschaltet. „Auuu", jaulte Frau Prins und kniff ihre Augen zusammen. Herr Prins kam lachend durch die Tür auf die Terrasse.
Auch ich musste schmunzeln. Meine Gefühle total verrückt. Es sah zu niedlich aus, wie meine Lehrerin dort saß, die Augen zusammenkniff und grinste.
„Mensch Ian, du hättest uns wenigstens vorwarnen können!", beschwerte sie sich gespielt wütend. Herr Prins lachte wieder und meinte: „Ihr habt jetzt lange genug im Dunkeln gesessen. Konntet ihr eure Gläser überhaupt noch sehen?"

Ich blickte auf den Tisch. Mein Glas war noch fast voll, Frau Prins hatte schon über die Hälfte ausgetrunken. Auch meine Lehrerin schien dies zu überprüfen und kicherte dann: „Nina anscheinend nicht."
Wieder spürte ich, wie ich allmählich rot wurde und diesmal bemerkte Frau Prins es auch noch. „Ist doch nicht schlimm, lassen Sie sich Zeit", beruhigte sie mich und lächelte.

Herr Prins ging kopfschüttelnd zurück ins Haus und setzte sich im Wohnzimmer auf das Sofa, um noch etwas fernzusehen.

Frau Prins musterte mich von oben bis unten und fragte: „Machen Ihre Eltern sich denn gar keine Sorgen?"
Auf einmal fühlte ich mich, als wäre ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt. „Oh", murmelte ich, „Doch, bestimmt."

Ohne noch länger zu warten, stand meine Lehrerin einfach auf, holte ihr Telefon und bat mich darum, meine Telefonnummer einzugeben. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken und tat ihr einfach den Gefallen. Daraufhin nahm sie das Telefon wieder und aktivierte den Anruf.

Erst in dem Moment realisierte ich, was gerade passierte und eine riesige Nervosität breitete sich in mir aus. Meine Hände begannen zu zittern und ich hatte Angst, dass meine Eltern sich mein Geheimnis so denken könnten.

„Hallo, hier ist Lisa", sagte Frau Prins, als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. Sie zwinkerte mir aufmunternd zu, doch mir wurde trotzdem schlecht vor Angst.
„Ich wollte nur sagen, dass Nina noch bei mir zu Hause ist. Wir haben uns ein bisschen verquatscht. Ich bringe sie gleich mit dem Auto", führte sie fort.

Ich öffnete erstaunt meinen Mund und bekam diesen auch nicht so schnell wieder zu.
Wollte sie etwa gar nicht sagen, dass ich mit dem Fahrrad gestürzt war, nachdem ich sie, meine ehemalige Klassenlehrerin, erblickt hatte?
Wieder sprach Frau Prins: „In Klazienaveen... Alles gut, wir sitzen hier schon länger... Nein, keine Sorge, es geht ihr gut... Ja, wir kommen gleich... Bis dann, tschüss."

Ich kam aus meinem Staunen nicht mehr heraus. Sie hatte in keinem Wort erwähnt, dass sie meine Lehrerin war. Auch meinen Unfall ließ sie komplett außen vor.
Sie brachte das Telefon zurück ins Haus, kam danach wieder zu mir, legte mir eine Hand auf die Schulter und meinte: „Dann trinken Sie ihr Glas mal eben schnell aus, Ihre Eltern warten schon ganz sehnsüchtig auf Sie."

Da ich noch immer völlig durcheinander war, sah ich meine Lehrerin an wie ein kaputtes Auto. „Was ist los?", fragte sie besorgt.
Ich war nicht in der Lage, gescheite Sätze zu bilden und stammelte: „Ähm... also... die wissen nicht, dass... Sie... ich... keine Ahnung."
Frau Prins lachte herzlich über meine Verwirrung und ich spürte, wie mein Herz wieder schneller schlug.
Trotz allem schien Frau Prins mich verstanden zu haben und meinte: „Die müssen doch nicht alles wissen? Außerdem, Nina, wenn wir uns im Moor treffen wollen, dürfen die nicht wissen, dass ich Ihre Lehrerin war."

Wie recht sie doch hatte. Diese Frau war so unglaublich klug und ich fühlte mich, als würde ich gerade auf Wolken schweben.

„Wollen Sie Ihr Wasser nun noch trinken?", fragte sie mich mit einem breiten Grinsen. Ich lächelte sie verlegen an, nickte und schaffte es erst einige Sekunden später, tatsächlich meinen Blick von ihr abzuwenden und das Glas in die Hand zu nehmen.
Ich trank schnell mein Wasser aus und folgte meiner Lehrerin daraufhin ins Wohnzimmer. Dort verabschiedete ich mich von ihrem Mann und stieg dann draußen zum zweiten Mal an diesem Tag in ihr unglaublich tolles Auto ein und ließ mich von ihr nach Hause bringen.

BargerveenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt