11.2 Thermótita - Hitze

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Die drei Kinder erkundeten ihre Umgebung mit neuem Tatendrang und aufgefrischter Energie, verschwendeten nicht viel Zeit mit Reden, sondern konzentrierten sich darauf, so weit wie möglich zu kommen und nicht in die nächstbeste Gefahr zu rennen.

Es kam Medeia wie eine Ewigkeit vor, bis einer von ihnen die Müdigkeit überwunden hatte und den Mund zum Sprechen öffnete. Sie waren wieder einmal so lange gelaufen, dass sich ihre wenig erholten Füße zu einem kleinen Schlachtfeld aus Blasen und Schwielen entwickelt hatten und jeder Schritt jagte einen erneuten Stoß an Schmerz durch ihren Körper, fast so, als würde sie auf einen spitzen Stein treten, immer und immer wieder.

„Habt ihr das auch gehört?", fragte Theia langsam und blieb stehen. Sie runzelte die Stirn und stierte in den dunkler werdenden Horizont des Tunnels, in dem sie sich gerade befanden.

„Nein, was denn?", erwiderte Aineas und drehte sich zu ihr um, denn er war noch einige Schritte weitergelaufen, ehe er realisiert hatte, dass die beiden Mädchen angehalten hatten.

„Da war so ein... Knistern", sagte Theia und verengte ihre Augen noch ein Stück mehr, als würde sie dadurch besser hören können.

„Ich habe nichts gehört", meinte Medeia vorsichtig. Wahnsinn kennt viele Formen, flüsterte die heisere Frau in ihren Gedanken und Medeia schüttelte den Kopf, um sie zu vertreiben.

„Vielleicht war es Einbildung...", murmelte ihre Schwester, war augenscheinlich aber nicht überzeugt davon. „Aber ich bin mir fast sicher, etwas gehört zu haben. Seid ihr denn sicher, dass ihr nichts gehört habt?"

„Ich zumindest nicht", sagte Aineas und wäre diese Situation nur einen Tag zuvor geschehen, dann, so war sich Medeia sicher, wäre seine Stimme wesentlich abfälliger gewesen, hätte keinesfalls den vorsichtigen Unterton an sich gehabt, den sie ausstrahlte. „Sicher, dass es nicht das Echo unserer Schritte war?"

„Nein", erwiderte Theia und verzog das Gesicht. „Tut mir leid, das war dumm. Wahrscheinlich hast du Recht und es war wirklich nichts. Lasst uns weitergehen."

Sie war die erste, die sich in Bewegung setzte, aber hielt auch wieder an, kaum, dass sie wenige Dutzend Schritte gelaufen war.

„Da war es schon wieder!", rief sie aus und blickte sich suchend um. Ihre Augen hatten etwas Panisches an sich. „Ich habe es wirklich gehört!"

„Ich nicht", sagte Medeia mit gedämpfter Stimme, blickte sich aber ebenfalls nach einem eventuellen Ursprung des Geräusches um, welches ihre Schwester gehört haben wollte. Je mehr sie sich allerdings konzentrierte, um ihre Umgebung genauestens aufzunehmen, desto eher schien sie den Fokus zu verlieren. Sie erzählt doch nur Lügengeschichten. Versucht Aufmerksamkeit zu bekommen. Will bemerkt werden.

Sie hielt inne und lauschte der Stimme, die in ihrem Ohr flüsterte. Dort ist nichts, was sie gehört haben will. Eine Erfindung, damit sie interessant wirkt. Du hast nichts gehört, obwohl du aufmerksam lauschst. Dort schleicht kein Geräusch durch die Wände, kein Echo in der Decke, kein Klang in der Erde.

„Es ist wieder weg", murmelte Theia enttäuscht. Ihre zu Fäusten geballten Hände zitterten vor unterdrückter Wut und eine dunkelrote Färbung hatte ihre Wangen übernommen, als sie den Blick wieder zu ihren Begleitern richtete. „Aber ich schwöre, da war etwas!"

„Ich weiß ja nicht", erwiderte Medeia. „Ich habe wieder nichts gehört. Du?"

Aineas schüttelte stumm den Kopf, als die Jüngere ihm einen fragenden Blick zuwarf.

„Wahrscheinlich bist du einfach nur übermüdet oder hungrig und dein Gehör spielt dir Streiche."

Für einen Moment stierte Theia ihre Schwester wutentbrannt an, dann seufzte sie und ihre angespannten Schultern und Hände lösten sich. „Ich glaube, du hast Recht", meinte sie und nickte kurz angebunden.

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