2.1 Tragoúdi - Gesang

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Das Schwert lag gut in Eos' Hand. Es war leicht und hatte eine gebogene Klinge. Die Scharten im Metall zeugten von einer langen Kampfvergangenheit und durch die Übungen, die er bereits mit Klingen aller Art durchgeführt hatte, sah er es bereits jetzt als eine Verlängerung seines Armes an. Eos wusste, dass die Klinge ihm gute Dienste im Labyrinth leisten würde, also würde er gut darauf Acht geben, um sie nicht zu verlieren. Den Schild allerdings empfand er als eine Belastung denn eine Bereicherung. Das Metall war zerkratzt und an den Rändern eingedellt. An einigen Stellen zierten daumengroße Löcher die Oberfläche, fast so, als wären bereits feindliche Speer – und Pfeilspitzen hindurchgedrungen. Wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte er den Schild zurücklassen, aber der andere Junge in seiner Gruppe, Castor, hatte ihm eingebläut, dass dieser ihm vielleicht das Leben retten würde.

Castor war auch der einzige, der von ihrer Gruppe ausgewählt worden war, eine Opfergabe für das Labyrinth zu sein. Eos und die beiden Mädchen namens Calypso und Lyra waren freiwillig mitgegangen. Jeder von ihnen hatte vor, sein Gewicht in Gold aufwiegen zu lassen und nicht nur das; sie würden zu Helden werden. Ganz Griechenland würde bald die Namen der Kinder kennen, die das Labyrinth von Kreta überlebt hatten.

Seit sie von den Wachen alleine gelassen worden waren, die sie zum Eingang – zu einem der Eingänge – geführt hatten, hatten sie nicht viel miteinander geredet. Murmelnd waren die Namen ausgetauscht worden, doch dann hatten die Wachen sie mit düsteren Blicken gestraft und sie waren stumm geblieben. Das Tor, zu welchem sie geführt worden waren, lag in einem verlassenen Lagerhaus – ähnlich einem Kornspeicher, hatte Eos gedacht – und die bronzene Tür war mit muffig riechende Heuballen und Sandsäcken verdeckt gewesen. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wie lange sie bis zu diesem Haus gebraucht hatten; es könnte eine Stunde gewesen sein, vielleicht auch nur zehn Minuten. Eos wusste nur, dass, sobald König Minos seine Ansprache beendet und sie fortgeschickt hatte, die Euphorie und die aufkeimende Angst seinen Geist besetzt hatten. Kein klarer Gedanke wollte sich in seinem Kopf bilden. Alles, was er in diesen Momenten noch wusste, war, dass er die Sonne und den Himmel für eine lange Zeit nicht mehr sehen würde.

„Wir haben uns verlaufen", sagte Lyra mit ruhiger Stimme, wandte ihr Gesicht aber nur Calypso zu.

Calypso war nur ein Jahr jünger als Eos, hatte aber in allen Bereichen mindestens genauso viel Talent, wenn nicht sogar mehr, als er selber. Sie hatte einen starken Schwung mit dem Schwert drauf und war äußerst ausdauernd. „Orientieren wir uns neu."

„Guter Vorschlag", erwiderte Castor zögerlich, doch Lyra ignorierte ihn.

Eos hatte es schon in den ersten Minuten mitbekommen, die sie zusammen in diesem verdammten Gang verbracht hatten – sie schien nicht besonders viel von Jungs zu halten. Und gegen Castor hatte sie augenscheinlich eine regelrechte Abneigung entwickelt. Er war ihr zu schwächlich, vermutete er.

„Eine Pause könnte helfen, unsere Kräfte zu sammeln", gab er vorsichtig zu bedenken.

Calypso nickte.

„Denke ich auch. Wir wissen nicht, was uns hier alles erwartet. Wenn wir blindlings in alles hineinlaufen, dann könnten wir uns ebenso gut mit unseren Schwertern aufspießen." Sie schnallte sich ihren Schild vom Rücken und legte ihn an die Wand. „Lasst uns ruhen."

Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Steinboden und Lyra tat es ihr gleich.

Eos ließ sich auf der anderen Seite des Ganges an der Wand hinuntergleiten und nach einem zweifelnden Blick setzte sich Castor neben ihn.

Der beunruhigte Junge hatte sein schartiges Schwert auf seine Knie gelegt und betrachtete das Licht, welches sich auf der metallenen Oberfläche brach. Irgendwie hatte Eos Mitleid mit ihm. Er war wahrscheinlich mit der Angst hierhergekommen, dass er sterben würde. So wenig er auch seinen eigenen Schutz vernachlässigen würde, er würde sicherlich nicht zulassen, dass jemand sein Leben lassen würde, der Teil seiner Gruppe war.

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