29. Omorfiá - Schönheit

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Der Geruch von Tod und Blut klebte an Aineas. Er hatte die Leichen von Eos und Calypso lange zurückgelassen, aber mit jedem langsamen Atemzug, den er tat, drang Eisen in seine Nase, Verwesung füllte seinen Mund aus, Schwärze durchflutete seinen Kopf. Ein Schritt fühlte sich an, als würde er Welten zurücklegen. Aineas' Muskeln ächzten bei jeder Bewegung. Er fühlte sich steif und ausgelaugt; körperlich als auch geistig. In den letzten Minuten, Stunden, Tagen hatte er mehr Tod gesehen, als er je wollte. Er konnte keinen guten Gedanken mehr fassen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er tote Körper.

Theia, erstochen von ihrer eigenen Schwester.

Lyra und Medeia in den Pranken des Minotaurus, im Tod vereint.

Eos und Calypso, so nah, dass sie sich fast berührten und doch zu weit entfernt, um eins zu sein.

Sie waren alle tot und er war allein. Allein im Labyrinth, allein in seinem Kopf, allein mit dem Minotaurus. Lyras Klinge hatte er verloren. Das Schwert hatte ihm geholfen, die bronzene Bestie zu erschlagen, aber er war zu langsam und zu schwach gewesen. Als er schließlich mit seinem Leben davon gekommen war, war er allein gewesen.

Es musste eine Strafe für seine Arroganz sein, dachte er. Eine Strafe der Götter. Sie nahmen das Leben der anderen, damit er litt. Er hatte den Minotaurus nicht ernst genommen, hatte sich in ein goldenes Licht gestellt und seine Hybris war nun schuld am Tod seiner Mitstreiter. Er hatte ihnen die Chance genommen, diese Mauern je wieder zu verlassen. Er war es, der sie ins Verderben gelockt hatte. Es wäre ihren Seelen in der Unterwelt nur angemessen, wenn er hier ebenfalls den Tod finden würde. Ewige Qualen würden seine Schuld nicht reinwaschen, aber vielleicht halfen sie, damit sein Geist von seinen eigenen Ketten befreit werden würde.

Aineas stank nach Schuld und Blut und Tod. Er hatte versucht, sich aufrecht zu halten und weiterzumachen, aber jedwede Kontrolle seiner Gedanken waren ihm entglitten, kaum hatte er die Leichen seiner Kameraden hinter sich gelassen. Sein Wille war in einen eisigen Schlaf gefallen und hatte lediglich seiner körperlichen Hülle erlaubt, weiterzulaufen. Einfacher wäre es gewesen, hätte er sich mit Lyras Klinge das Leben genommen. Es wäre so unglaublich einfach gewesen.

Aber letztlich konnte er es nicht. Er hing am Leben. Er wollte leben und sei es, um die Schuld mit sich in die Welt zu tragen, um zu berichten, was geschehen war. Es war ein schwacher Trost seinen gefallenen Kameraden gegenüber, und ein noch schwächerer für seine Seele.

Das Echo jedes Schrittes hallte Jahre in seinen Ohren nach. Ein Atemzug dröhnte laut wie die Musik im Amphitheater. Der massive Kloß in seinem Hals war nichts im Vergleich zu dem Klumpen, der schwer wie ein Stein in seinem Magen lag und ihn noch langsamer werden ließ. Sein Bauch rumorte seit einigen Stunden vor Hunger, aber er hatte kein Essen mehr. Die letzten Brotkrusten hatte er nur durch den Rest an Wasser herunterwürgen können, den er übrig gehabt hatte. Seitdem hing der Proviantbeutel leer auf seinem schweißnassen Rücken.

Beinahe wünschte er sich, Nemesis würde ihn erneut aufsuchen, nur damit er nicht mehr so allein wäre. Die Göttin der Rache war nicht die angenehmste Gesprächspartnerin gewesen, aber sie war interessant genug, damit sie ihn von seinen eigenen Gedanken ablenken würde. Außerdem schwirrten ihre kryptischen Aussagen noch immer in seinem Kopf herum, wann immer er einige Sekunden nicht an den Tod dachte.

Egal, wie oft er ihre Wort wiederholte, sie wollten keinen Sinn ergeben und eine tiefere Botschaft erschloss sich dem Jungen nicht. Vielleicht war es auch nur eine weitere Strafe der Götter. Erst nahmen sie das Leben seiner Mitstreiter, dann nahmen sie ihm den Verstand.

Eine schwache Erschütterung ergriff seinen Körper und Aineas benötigte ein paar Momente, um zu begreifen, dass die Welt in sanften Wellen bebte. Sein Kopf wurde von jedweden Gedanken freigefegt, als er strauchelte und zu Boden ging. Schweiß, Blut und Tod vermischten sich zu einem widerlichen Gemisch und verstopften Nase und Rachen. Er wollte würgen, aber sein Mund war trocken. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Messerstiche löcherten seinen Magen.

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