27.2 Elpída - Hoffnung

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Sein Gedankengang wurde abrupt unterbrochen, als Eos gegen Calypso lief, die plötzlich stehengeblieben war.

„Wa-", fing er an, aber Calypso legte ihm eine Hand auf den Mund. Die Wärme ihrer Haut war irritierend.

Sie befanden sich an einer Ecke, lediglich Aineas blickte bereits in den neuen Gang, seine Augen schreckgeweitet. Geistesgegenwärtig hatte der neue Junge Calypso mit der Hand zurückgeschoben, bevor sie von was auch immer ebenso entdeckt wurde. Aineas' Brustkorb hob und senkte sich rapide, aber er schaffte es dennoch ihnen mit ruhigen Handbewegungen zu vermitteln, dass sie warten sollten.

Zumindest ging Eos davon aus, dass es sich dabei um diesen Befehl handelte. Er hoffte, er irrte sich nicht.

Aineas ging vorsichtig ein paar Schritte zurück und zog dabei mit einem leise kreischenden Geräusch Lyras altes Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel. Kaum hatte der Junge sich breitbeinig hingestellt, ertönte ein weiteres metallisches Kreischen, viel lauter und viel durchdringender, als das Aineas es mit seiner Klinge hätte produzieren können. Ein zweites Geräusch ertönte, dann ein drittes und viertes. Es klang beinahe so, als würde sich etwas fortbewegen.

„Halt dich bereit", hauchte Calypso gegen sein Ohr. Sie zog lautlos ihr eigenes Schwert hervor und bewegte sich an die äußerste Kante der Mauer hinzu.

Als das Ding erschien, dachte Eos sofort an die Sirene, die ihnen gefolgt war. Dann erkannte er allerdings den schlankeren Körper und den fächerartigen, großen Kopf. Wie bei der Sirene hatte das Wesen zwei lange, klauenartige Arme, allerdings hörten dort die Gemeinsamkeiten auf.

Der schlanke Torso ging über in ein einziges, langes Bein, welches wie der Schwanz einer Schlange gewunden auf dem Boden lag. Wie Eos nun feststellte, war der massive Kopf nicht mit einem Fächer bedeckt, sondern mit dutzenden Lamellen, die alle in der gleichen Länge abstanden und das Gesicht schützten. Zwei kleine goldene Augen lagen in mitten des Kopfes, darunter eine gerade Nase und ein schmaler Mund, wobei die beiden letzteren Öffnungen aussahen, als wären sie lediglich in die bronzene Oberfläche geritzt worden.

Der Junge hatte nur einen Augenaufschlag, um die neue Gefahr anzusehen, da stürmte Calypso vor und stach mit ihrer Klinge zu. Er beobachtete, wie ihr Schwert die Luft zerschnitt und dann gegen den metallischen Körper der Bestie prallte.

Aineas war im selben Moment auf seinen Gegner losgelaufen, stolperte aber zurück, als ein klauenbesetzter Arm in seine Richtung ausschlug und sein Gesicht nur um wenige Zentimeter verfehlte.

„Pass auf!", rief Calypso unnötigerweise aus.

Eos, der den anfänglichen Schock überwunden hatte, zog seine eigene Klinge hervor und schloss sich seiner Kameradin im Kampf an. Das Ding schlug mit seinen Armen aus, als wären es Schwerter und trieb die Kinder zurück. Eos konnte die Wand hinter sich schon fast spüren, die Kälte des Steins, die sich in seine Haut fraß.

Während die metallische Bestie mit Eos und Calypso beschäftigt war, nutzte Aineas seine Chance, um sich ihr von hinten zu nähern. Er hob das Schwert weit über den Kopf, da peitschte das einzelne, schweifartige Bein der Bestie in die Luft, traf ihn mitten in die Brust und ließ ihn krachend gegen die gegenüberliegende Mauer fliegen.

Statt sich um den anderen Jungen zu kümmern, rannte Eos nach vorne, duckte sich, um einem Klauenangriff auszuweichen und versenkte sein Schwert zwischen zwei Bronzeplatten. Euphorie brannte sich durch seine Arme. Als hätte er mit seinem Schwertstreich etwas ausgelöst, ließ die metallische Bestie einen lauten Schrei ertönen. Die Lamellen, die ihren Kopf wie Haare bedeckten, spreizten sich auf wie ein Vorhang im Wind.

Eos wusste nicht, was das bedeutete, aber er war sich beinahe sicher, dass es nichts Gutes verheißen konnte, deswegen zog er sich von der metallischen Bestie zurück – zumindest hatte er das vorgehabt. Seine Klinge war zwischen den Bronzeplatten verkeilt.

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