Kapitel 6

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»Gerade als ich dachte, du könntest nicht noch interessanter werden, legst du dich alleine mit einem Hollow an. Ich bin beeindruckt.«

Als mein Blick langsam von dem regungslosen Monster neben mir zu meinem Retter wandert, ziehe ich es ernsthaft in Erwägung, gerade gestorben zu sein. Vielleicht bin ich auch nur mit dem Kopf zu hart auf dem Boden aufgeschlagen, denn mein Gehirn will den Anblick von Kale einfach nicht richtig verarbeiten.

»An deiner Taktik solltest du aber noch arbeiten«, meint er nachdenklich und deutet auf das Monster. »Man bekommt sonst leicht den Eindruck als wüsstest du nicht, was du tust.«

Ich starre ihn an und kann meinen Blick nicht abwenden. Im Licht der Lampions wirkt diese ganze Szenerie unwirklich und ich spiele noch einmal mit dem Gedanken, ob ich nicht vielleicht doch tot bin. Mein Herz setzt daraufhin kurz aus und fängt dann panisch an zu pochen. Ich will nicht tot sein! Tot zu sein bedeutet, dass ich nie die Chance bekomme, von Lauren adoptiert zu werden. Und das bedeutet, dass ich mein Leben lang im Pflegesystem war. Ein Leben lang Staatseigentum. Ich glaube, mir wird schlecht.

Kale runzelt die Stirn und beugt sich zu mir herab. Dabei steigt mir sein Geruch nach Äpfeln und würzigem Kardamom in die Nase. Erst da wird mir bewusst, dass ich vermutlich nicht tot bin. Das bedeutet, dass Kale mir tatsächlich das Leben gerettet hat mit einem -

»Baseballschläger?«, frage ich ungläubig als ich einen Blick auf seine Waffe werfe. Ich bin über den krächzenden Klang meiner Stimme schockiert. Ich klinge, als hätte ich Sand verschluckt.

Kale zieht amüsiert die Augenbrauen hoch, während er den Baseballschläger über seine linke Schulter legt. »Gib es zu, du bist beeindruckt.«

Ich versuche zu schnauben, aber wegen meiner kratzigen Stimme klingt es mehr nach einem Keuchen. Der amüsierte Ausdruck verschwindet aus Kales Gesicht, während er mir beim Aufstehen hilft. Dabei zieht ein stechender Schmerz durch meine Rippen und ich bleibe nur auf den Beinen, weil Kale mich an der Hüfte packt und an seinen Körper drückt.

»Es war wirklich nicht die klügste Entscheidung, alleine gegen den Hollow zu kämpfen. Die Dinger können echt fies sein, wenn sie sich provoziert fühlen.«

Da ist das Wort wieder. »Ein Hollow?«

»Ich dachte nicht, dass der hier so aggressiv wird, aber nachdem er dich entdeckt hatte, war er wie ein Bluthund.« Er mustert er mich mit einem seltsamen Ausdruck. »Du musst mir unbedingt erzählen, wie du das angestellt hast.«

»Warte Mal«, entfährt es mir. »Willst du damit etwa sagen, es ist meine Schuld, dass dieses Ding mich angegriffen hat? Dass ich es provoziert habe?«

Ich versuche mich von ihm loszumachen, aber meine Beine zittern viel zu stark und meine Brust schmerzt bei jedem Atemzug. Kale verstärkt seinen Griff um meine Hüfte und zieht mich langsam zu einem der Stühle, die nicht zu Bruch gegangen sind. Dort hilft er mir dabei mich hinzusetzen. Die Bewegung fühlt sich an als würde mir jemand Nadeln in den Körper stechen, aber wenigstens spüre ich dadurch das Zittern in meinen Beinen nicht mehr.

»Ich behaupte nicht, dass du es provoziert hast.«

»Das hast du aber gesagt«, halte ich dagegen und stütze mich auf die Stuhllehne.

»Ich sagte, dass die Dinger fies sein können, wenn sie sich provoziert fühlen.«

»Womit du andeutest, dass ich etwas getan habe, um es zu provozieren. Das habe ich nicht«, stelle ich klar. »Diese Schattenwesen verfolgen mich seit Monaten. Wenn also jemand provoziert wird, dann bin ich das. Ich will doch nur, dass sie mich in Ruhe lassen.«

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