Kapitel 12

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»Verarschst du mich?«

Fassungslos starre ich zu Aiden, der meinen schreckgeweiteten Blick schonungslos erwidert. Er zieht sich in eine dunkle Ecke zurück und lässt mich schutzlos im Gang stehen. Der Schattenmann nur wenige Meter entfernt.

»Aiden, komm schon ...«, bitte ich verzweifelt. Ich weiche zurück und suche nach einem Versteck, wohlwissend, dass es dafür bereits zu spät ist.

»Du machst das schon. Sieh zu, dass du nah genug an ihn herankommst, um die Schatten aus ihm herauszuziehen.«

Ist das sein verdammter Ernst? Ich bin tot, bevor ich die Hand ausstrecken kann. Wie stellt er sich das vor? Ich habe keine Waffe, kann nicht kämpfen und bin tollpatschig wie ein dreibeiniger Hund. Ich kann das Schattenflüstern nicht kontrollieren. Scheiße, ich weiß ja nicht einmal, was das genau ist.

»Aiden, bitte. Tu mir das nicht an.« Ich hasse die Verzweiflung in meiner Stimme und dass ich überhaupt in der Situation bin, um mein Leben betteln zu müssen. Wo zum Teufel ist mein Rückgrat geblieben?

Vermutlich irgendwo zwischen der Toilette und diesem abgewrackten Flur verloren gegangen.

Der Schattenmann rührt sich nicht, bleibt am anderen Ende des Flurs stehen und beobachtet mich. Die Stimmen flüstern aufgeregt, als würden sie Wetten auf mich abschließen. Zwar kann ich sie nicht verstehen, aber die Quoten scheinen nicht zu meinen Gunsten zu stehen.

Mir wird übel, ich bin kurz davor mich zu übergeben. »Aiden ...?«

»Zieh nicht so ein Gesicht. Greif ihn an.«, sagt er ungeduldig und macht eine auffordernde Geste. Mein Gesichtsausdruck ist ihm wohl Antwort genug, denn er verdreht die Augen. »Dann lauf im Kreis oder so. Er wird dich schon verfolgen.«

»Du hast sie ja nicht mehr alle ...«, murmle ich. Wenn er tatsächlich glaubt, dass ich mich von diesem Schrank von einem Mann verfolgen lasse, dann ist er dümmer als er aussieht.

»New Yorker«, murmelt er schnaubend. »Keine Helden unter euch, was? Dann mache ich es eben alleine.« Wie aus dem Nichts zieht er eine schwertähnliche Waffe aus dem Bund seiner Jeans. Sie ist länger als sein Unterarm, mit matt silbern schimmernder Klinge. Ich frage mich, wie er die Waffe in die Schule geschmuggelt, geschweige denn in seiner Hose versteckt hat und beobachte fasziniert die Lichtreflexion, die von der Schneide an die Fenster geworfen wird.

Aiden setzt sich in Bewegung und schubst mich aus dem Weg. »Geh in Deckung und halte dich bereit. Ob du willst oder nicht, du musst die Schatten herausziehen, sonst sind wir beide tot.«

Sehr ermutigend, er sollte Motivationscoach werden.

Als ich mich an die Wand zurückziehe, folgt mir der dunkle Blick des Schattenmannes. Er scheint nur darauf gewartet zu haben, denn sobald ich aus dem Weg bin, stürmt er wie ein Footballspieler über den Flur. Dabei stößt er leere Tonnen, Holzpaletten und eine Werkbank um, die scheppernd auf den Boden kracht. Die ganze Zeit hält er seinen raubtierhaften Blick auf Aiden und seine Waffe gerichtet, scheint sich aber keine Sorgen wegen der scharfen Klinge zu machen. Wieso sollte er auch, wenn eine Empedokles-Klinge - was auch immer das sein soll - das einzige ist, das ihn töten könnte.

Abgesehen von mir, wie es aussieht.

Bei dem Gedanken wird mir sofort wieder übel.

Aiden strahlt eine besorgniserregende Freude aus, die jeden Therapeuten faszinieren würde, als der Schattenmann sich auf ihn stürzt. Bevor dieser auch nur einen Schlag austeilen kann, duckt sich Aiden unter dem dicken Arm seines Angreifers weg und nutzt dieselbe Bewegung, um mit dem Schwert auszuholen. Er zielt auf den Kopf des Hollows, der den Schlag jedoch kommen sieht und zur Seite ausweicht. Dabei gerät ein Stapel Holzpaletten aus dem Gleichgewicht, stürzt krachend zu Boden und zwingt die beiden näher aneinander.

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