Kapitel 13

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Ich wache auf und fühle mich als hätte mich ein Laster überfahren. Aber nicht einfach nur versehentlich, sondern als wäre er mit voller Absicht über mich gefahren, hätte den Rückwärtsgang eingelegt und nochmal Gas gegeben, um die Sache zu Ende zu bringen. Es ist ein Scheißgefühl, aber immerhin lebe ich noch. Was man von dem toten Hollow neben mir nicht mehr behaupten kann.

Er sieht wieder menschlich aus. Als hätte es das Schattenmonster nie gegeben, starren nun die dunklen Augen des bulligen Mannes blicklos in mein Gesicht.

Eine Mischung unterschiedlicher Gefühle breitet sich in meiner Brust aus als ich begreife, dass er mir nicht mehr wehtun kann: Stolz, Erleichterung, gemischt mit einem Hauch Freude, weil ich nicht tot bin. Erst dann kommt die Wut.

Wut auf dieses Ding, weil es mich quer durch die Schule gejagt hat. Wut auf Aiden, weil er mich so schamlos in einen Kampf getrieben hat. Und Wut auf mich selbst, weil ich nicht in der Lage war diesen Kampf zu bestehen.

Aber ich habe überlebt.

Gerade mal so. Ich werde nicht immer so viel Glück haben. Der nächste Hollow könnte mein Tod sein. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert.

Ich muss mich ändern.

Mit dieser Entscheidung im Kopf stehe ich auf. Ein mörderischer Muskelkater macht meine Bewegungen zäh und langsam. Sofort taste ich meinen Körper nach Verletzungen ab, fühle aber nur unversehrte Haut. Mein Bauch spannt, als hätte ich es mit dem Sport übertrieben und mein Nacken fühlt sich verkrampft an, aber da ist keine offene Wunde. Nur angetrocknetes Blut und Schmutz verunstalten meine Klamotten. Wie ist das möglich? Hat Sienna mich geheilt?

Ich sehe mich um, doch außer dem toten Hollow ist niemand da. Hat Aiden mich etwa schon wieder zurückgelassen?

Enttäuschung und ein viel tieferes Gefühl breiten sich daraufhin in mir aus. Das würde er nicht tun, oder? Er würde mich nicht mit einer Leiche im Schulflur zurücklassen.

Natürlich würde er das. Er hat es schon mal getan.

In Manhattan hat er mich in einer einsamen Gasse zurückgelassen. Nachts. Im Schnee. Es sollte mich nicht schockieren, dass er es wieder getan hat.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Die Fähigkeit, eine Leiche zu beseitigen, konnte ich mir bisher noch nicht aneignen. Soll ich ihn einfach liegen lassen? Hoffen, dass mich niemand mit dem Mann in Verbindung bringt? Ich bin kurz vor einer Panikattacke, als ich die Stimmen höre.

Zuerst halte ich sie für Einbildung. Dann bekomme ich Panik, weil ich befürchte, erwischt zu werden. Ich bin dabei, einfach die Flucht zu ergreifen, als ich die Stimmen plötzlich erkenne.

Aiden und Kale. Sie streiten.

»Hör endlich auf, mir Vorwürfe zu machen! Sie hat es einfach noch nicht unter Kontrolle, das ist alles.«

»Noch nicht unter Kontrolle? Sie wäre beinahe draufgegangen! Was hast du dir dabei gedacht?«

»Dass es besser ist, unsere stärkste Waffe auf den Hollow loszulassen, anstatt ihn auf gut Glück aus der Schule zu treiben.«

Ich folge den Stimmen bis zum Ende des Flurs, wo ich, verborgen in den Schatten, vorsichtig um die Ecke linse. Als ich Aiden sehe, löst sich der Knoten in meiner Brust und ich atme erleichtert auf.

Er hat mich nicht zurückgelassen.

»Das hat ja wunderbar funktioniert«, spottet Kale herablassend. »Deinetwegen müssen wir jetzt eine Leiche aus der Schule schaffen. Beinahe zwei Leichen«, fügt er vorwurfsvoll hinzu.

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